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Belegter ArtenKollaps und Warten auf Neustart der EUVersagen des Naturschutzes gilt auch für EU

Zwar erscheint diese Brüssel-Kolumne nach der Europawahl. Verfasst wurde sie allerdings in der heißen Mobilisierungsphase drei Wochen vor dem Urnengang. Eine Bewertung des Wahlergebnisses nebst seiner Konsequenzen für die künftige EU-Naturschutzpolitik war mir also noch nicht möglich. Gleichwohl berichte ich über den Stand der Debatte über die künftigen Prioritäten der EU. Außerdem werfe ich einen kurzen Blick auf den Bericht des Weltbiodiversitätsrates, denn dessen globale Auswertung schließt selbstredend auch Europa mit ein.

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Die Landnutzungsänderung gilt als wesentliche Ursache des Artenrückgangs: Verschwinden die Lebensräume, verschwinden auch die Arten.
Die Landnutzungsänderung gilt als wesentliche Ursache des Artenrückgangs: Verschwinden die Lebensräume, verschwinden auch die Arten.Julia Schenkenberger
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Der Aufschrei des Weltbiodiversitätsrates IPBES kommt nicht unerwartet. Aber er schlägt ein. Zur Krise der Biodiversität besagt der Bericht unter anderem: Derzeit ist etwa ein Viertel aller untersuchten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht; in den nächsten Jahrzehnten könnten deshalb von den 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten (davon 75 Prozent Insekten) 1 Million verschwunden sein. Die Aussterberate, die bereits jetzt 10- bis 100-mal höher ist als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre, droht weiter zu steigen. Etwa 9 Prozent der geschätzten 6 Millionen Wirbeltierarten haben keinen ausreichenden Lebensraum mehr, ihr Überleben hängt von der Wiederherstellung entsprechender Lebensräume ab. Die Meldung des NABU zum IPBES-Bericht finden Sie unter dem WebcodeNuL4061 .

Der Bericht belässt es nicht bei der Zustandsbeschreibung, er benennt auch klar die Ursachen: Wesentlich verantwortlich ist die Landnutzungsänderung, also beispielsweise die Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche, die Verdopplung der Siedlungsfläche oder die Ausweitung der Infrastruktur. Außerdem verantwortlich ist die direkte Ausbeutung von Tieren und Pflanzen, etwa durch Abholzung, Jagd oder Fischerei. Der Klimawandel hat insgesamt und in Kombination mit anderen Bedrohungen zusätzlich überwiegend negative Effekte auf die Biodiversität. Auch Abwässer, Luftschadstoffe, Düngung und Pestizide werden als direkte Treiber genannt. Indirekt verantwortlich für den Artenkollaps sind beispielsweise die Entkopplung von Produktion und Konsum, ökonomisches Wachstum oder aber schädliche Subventionen.

Konkret empfiehlt der von den IPBES-Mitgliedstaaten angenommene Bericht schnelles Handeln gleichzeitig gegen die direkten und indirekten Treiber. Da gegenwärtige Strukturen oft die nötigen Veränderungen blockieren, ist dafür jedoch eine grundlegende Transformation der Lebens- und Wirtschaftsweisen nötig. Dabei sind finanzielle Anreize für den Naturschutz zu schaffen, biodiversitätsschädigende Subventionen abzubauen.

Der Bericht offenbart das Versagen der bisherigen Naturschutzbemühungen der Staatengemeinschaft und der EU. Denn gerade auf EU-Ebene stellt etwa die Gemeinsame Agrarpolitik umfangreiche Subventionen für naturunverträgliche Landwirtschaftspraktiken zur Verfügung. Gleichzeitig fehlt es an finanziellen Anreizen für Naturschutzmaßnahmen, etwa in Form eines EU-Naturschutzfonds. Außerdem ist – wie etwa das gegen Deutschland laufende Natura-2000-Vertragsverletzungsverfahren zeigt – die Umsetzung der bestehenden Naturschutzvorschriften auch Jahrzehnte nach deren Inkrafttreten unzureichend. Dies gilt sowohl in Bezug auf verbindliche Schutzgebietsverordnungen mit Ge- und Verboten als auch hinsichtlich ambitionierter Managementpläne mit konkreten Erhaltungsmaßnahmen, um die geschützten Arten und Habitate wieder „aufzupäppeln“.

Medien berichteten zahlreich über die Veröffentlichung des IPBES-Berichts. Ob dies ausreicht, um die neue EU-Kommission oder EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland zu konkreten Handlungen wie Einschränkung der Landnutzung, Pestizidreduktion oder besserer Naturschutzfinanzierung zu veranlassen, bleibt abzuwarten. Ein erster Schritt ist auch, dem Thema Artenkollaps im Bewusstsein der Öffentlichkeit mehr Platz einzuräumen. Die staatlich anerkannte wissenschaftliche Grundlage hierfür ist nun jedenfalls gelegt.

Autor

Raphael Weyland ist Rechtsanwalt und Umweltexperte. Er arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema Naturschutz und zu Querschnittsthemen wie MFR, SDGs oder „Better Regulation“.

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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