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EuGH urteilt in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tiere und PflanzenEuGH, Urteil vom 7. 11. 2018 – C 461/17

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Das Urteil des EuGH betrifft Auslegungsfragen der FFH-Richtlinie. Ein geplantes Straßenbauprojekt führt durch zwei Natura-2000-Gebiete. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass die vorgenommene Prüfung unzureichend gewesen sei. Das Gericht hat sich daher mit der Frage befasst, welchen Umfang eine „angemessene FFH-Verträglichkeitsprüfung“ haben muss.

Der EuGH hebt hervor, dass das allgemeine Ziel der Richtlinie – die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung – nur erreicht wird, wenn ein günstiger Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten bewahrt oder gegebenenfalls wiederhergestellt werden kann. Hierfür sieht Art. 6 FFH-RL eine Reihe von Verpflichtungen und Verfahren vor, unter anderem die sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL).

Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL bedeutet, dass für das betreffende Gebiet vor der Genehmigung des Projekts unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte der Pläne oder Projekte zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können. Eine Genehmigung darf nur dann erteilt werden, wenn Gewissheit darüber herrscht, dass die Tätigkeit sich nicht nachteilig auf das Gebiet auswirkt. Das bedeutet, dass die Prüfung vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten muss, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der in dem betreffenden Schutzgebiet geplanten Arbeiten auszuräumen.

Damit ein Gebiet als solches nicht in seiner Eigenschaft als natürlicher Lebensraum beeinträchtigt wird, muss es in einem günstigen Erhaltungszustand erhalten werden. Daher müssen die natürlichen Lebensraumtypen, für die das Gebiet gemeldet wurde, dauerhaft erhalten werden. An diesen Erhaltungszielen orientiert sich auch die Reichweite der Prüfpflicht bezüglich der Auswirkungen auf das betreffende Gebiet.

Diese Pflichten treffen nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL die zuständige Behörde. Daraus folgt, dass diese Bestimmung von der zuständigen Behörde verlangt, vor der Erteilung der betreffenden Genehmigung sämtliche Gesichtspunkte eines Plans oder Projekts, die die Erhaltungsziele des geschützten Gebiets beeinträchtigen können, zu erfassen und zu prüfen.

Daher darf die Behörde zum Beispiel einen Plan oder ein Projekt, der bzw. das es dem Projektträger überlässt, bestimmte Parameter für die Bauphase, wie zum Beispiel die Lage des Baukomplexes und die Trassenführungen, später festzulegen, nur dann genehmigen, wenn feststeht, dass in der Genehmigung hinreichend strenge Bedingungen aufgestellt sind, die gewährleisten, dass die betreffenden Parameter das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen werden.

Das Fehlen einer vollständigen Erfassung sämtlicher Lebensräume und Arten, für die das Gebiet geschützt wurde, wäre somit nicht geeignet, um jeglichen vernünftigen Zweifel aus wissenschaftlicher Sicht am Nichtvorliegen nachteiliger Auswirkungen auf das geschützte Gebiet als solches auszuräumen.

Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ist deshalb dahin gehend auszulegen, dass eine „angemessene Prüfung“

· in vollem Umfang die Lebensraumtypen und Arten, für die ein Gebiet geschützt ist, erfassen muss;

· sowohl die Auswirkungen des vorgeschlagenen Projekts auf die in dem Gebiet vorkommenden Arten, für die das Gebiet nicht ausgewiesen wurde, als auch die Auswirkungen auf die außerhalb der Grenzen dieses Gebiets vorhandenen Lebensraumtypen und Arten nennen und erörtern muss, soweit diese Auswirkungen geeignet sind, die Erhaltungsziele des Gebiets zu beeinträchtigen.

Fehlen solche Feststellungen, die zur Ausräumung jeglichen vernünftigen Zweifels am Ausreichen der verfügbaren Informationen geeignet wären, kann die Prüfung nicht als „angemessen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL gelten.

Autoren

Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

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