Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Wirksamkeit des Vertragsnaturschutzes am Beispiel des LandkreisesRhön-Grabfeld (Bayern)

Erfolge beim Schutz der Segetalflora

Abstracts

Ackerwildkräuter gehören heute zu der am stärksten bedrohten Pflanzengruppe unserer Kulturlandschaft. Der dramatische Rückgang an Arten und Individuen der Segetalflora ist der heute praktizierten Landwirtschaft geschuldet. Erste Bemühungen zum Schutz dieser Pflanzengesellschaften in ihren angestammten Lebensräumen begannen in Deutschland in den 1970er Jahren, als man Landwirte für den Verzicht auf Dünger und Pflanzenschutzmaßnahmen am Ackerrand finanziell honorierte. Diese Ansätze markieren den Beginn des Vertragsnaturschutzes.

Bayern gehört zu den Vorreitern des Ackerwildkrautschutzes durch angepasste Bewirtschaftung. Das modular aufgebaute bayerische Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) für den Biotoptyp Acker hat sich als wirkungsvolles Instrument erwiesen, um die (Wieder-)Besiedelung geeigneter Standorte durch gefährdete Ackerwildkräuter zu fördern.

Beeindruckende Erfolge zeigt das VNP im Landkreis Rhön-Grabfeld: Seit dessen Einführung vor zwei Jahrzehnten haben sich die meisten Bestände der dort vorkommenden Rote-Liste-Arten stabilisiert; zudem gab es mehrere Neu- und Wiederfunde gefährdeter und stark gefährdeter Spezies.

Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über den Status quo der Ackerwildkräuter im Landkreis Rhön-Grabfeld. Durch die Befragung von Akteuren (d. h. beteiligter Landwirte und des zuständigen Naturschutzreferenten am Landratsamt) werden die Gründe für den Erfolg des VNP im Landkreis aufgezeigt und Empfehlungen für die Praxis ausgesprochen.

Successes in the protection of the segetal flora proving the effectiveness of the Bavarian contract-based conservation programme (CBCP) for arable fields

Wild herbs and flowers growing on arable fields are among the most seriously threatened plants of our human-shaped countryside. The dramatic decline in numbers of species and individuals has exclusively been caused by the current agricultural practice. Initial attempts to protect these plant communities were launched in the 1980s, taking place on the margins of cultivated fields. This marked the beginning of the “contract-based conservation programme” (CBCP).

With the CBCP in a modular structure Bavaria pioneered the protection of these habitat types. Requiring the adaptation of the cultivation it was specifically designed to be deployed in arable fields and has proven as a effective instrument to foster the (re-)settlement of endangered arable plants on suitable and selected sites.

The county Rhön-Grabfeld in Northern Bavaria holds one of most impressive successes of the CBCP. Two decades ago the programme has been launched. Meanwhile most stands of Red List species have been stabilised and additionally numerous endangered or highly endangered species have been newly found or rediscovered. The paper provides an overview of the current status of wild herbs on arable fields in the county and it outlines the main reasons for the success, based on interviews with the different participants.

Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Abb. 1: Der Landkreis Rhön-Grabfeld ist vielerorts geprägt durch eine kleinteilig strukturierte Kulturlandschaft mit trocken-mageren Standorten in den höheren und tiefgründigen Böden in den unteren Lagen. In many places, the county Rhön-Grabfeld is characterised by a small-scaled, diversely structured cultural landscape with dry and nutrient-poor sites in the higher areas and deep soils in the lower areas.
Abb. 1: Der Landkreis Rhön-Grabfeld ist vielerorts geprägt durch eine kleinteilig strukturierte Kulturlandschaft mit trocken-mageren Standorten in den höheren und tiefgründigen Böden in den unteren Lagen. In many places, the county Rhön-Grabfeld is characterised by a small-scaled, diversely structured cultural landscape with dry and nutrient-poor sites in the higher areas and deep soils in the lower areas.Bayerische Vermessungsverwaltung
Artikel teilen:

1 Einleitung

Kamille, Mohn und Kornblume sind den meisten Laien wenigstens dem Namen nach bekannt. Bei Erdkastanie, Finkensame, Lämmersalat und Venuskamm müssen dagegen selbst Kenner häufig passen. Denn diese früher vielerorts häufigen Blütenpflanzen sind fast gänzlich von unseren Feldern verschwunden. Einst als Beikräuter mit dem Getreideanbau nach Mitteleuropa eingewandert, gehören die Segetalarten – so nennt man sie, weil sie die Saat (lat. seges) der Getreidekulturen begleiten – heute zu den am stärksten bedrohten Pflanzen unserer Kulturlandschaft (Meyeret al. 2013a). Innerhalb der letzten 60 Jahre ist die Zahl der in Deutschland heimischen Ackerwildkräuter in einigen Regionen um fast ein Viertel zurückgegangen; die mittlere Artenzahl in 100 m2großen Vegetationsaufnahmen ist in dieser Zeit von 23 auf sieben Arten gesunken. Von zahlreichen einst charakteristischen Segetalarten existieren derzeit laut groben Hochrechnungen nur noch 1–5 % der 1950 im Feldinneren vorhandenen Populationen; viele dieser Restpopulationen zeichnen sich durch eine hohe genetische Isolation aus (Meyeret al. 2013c,Meyeret al. 2014a).

Der dramatische Rückgang an Arten und Individuen der Ackerbegleitflora ist vor allem durch eine im Mitteleinsatz zunehmend intensive Landwirtschaft bedingt (Kornecket al. 1998). Wesentliche Gründe liegen sowohl in der Nutzungsintensivierung als auch in der Aufgabe des Ackerbaus: Ein immer effektiverer Kulturpflanzenschutz – sei es mechanisch, thermisch oder chemisch –, ergänzt durch optimierte Saatgutreinigung, verbesserte Bodenbearbeitung und frühen Stoppelumbruch, dient der gezielten Bekämpfung der „Un“-Kräuter und -Gräser; verstärkte Mineraldüngung drängt die häufig konkurrenzschwachen Arten weiter zurück. Die Aufgabe wenig rentabler Äcker auf schlechteren Böden und deren Düngung, Kalkung oder Umwandlung in andere Lebensräume wie Forst oder Grünland entzieht den Ackerwildkräutern die letzten verbliebenen Lebensräume. Besonders in den Mittelgebirgen, aber auch auf ertragsarmen Sandstandorten des Tieflands, wurden und werden vermehrt Äcker stillgelegt – vor allem solche, die traditionell extensiv und ohne Einsatz von Pestiziden und mineralischem Dünger bewirtschaftet wurden und damit die letzten Rückzugsgebiete gefährdeter Ackerwildkräuter ausmachten. Als meist einjährige Pflanzen sind Segetalarten auf ein jährliches Umbrechen zur Schaffung von offenem Boden angewiesen. Wo der Acker nicht mehr bearbeitet wird, werden die einjährigen Wildkräuter von ausdauernden konkurrenzstarken Arten verdrängt. Mit dem Verschwinden der Ackerwildkräuter entfallen wertvolle Ressourcen für viele Insekten, Vögel und Kleinsäuger, die sich von den Pflanzen selbst oder von deren Nektar, Pollen und Samen ernähren (Meyeret al. 2013b).

2 Ackerwildkrautschutz in Deutschland

Der extreme Schwund der Ackerwildkräuter alarmierte Vegetationskundler bereits in den 1950er Jahren. Erste Schutzbemühungen umfassten Erhaltungskulturen ausgewählter Arten in Botanischen Gärten oder in kleinflächigen musealen Schaugärten. Um darüber hinaus auch ganze Segetalgesellschaften in ihren angestammten Lebensräumen zu erhalten, begannen Mitte der 1980er Jahre mehrere Bundesländer, spezielle Schutzprogramme anzubieten. Zu den Pionieren, die damals das Ackerrandstreifen-Programm einführten, zählen Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Durch den Verzicht auf Herbizide und Dünger sollten auf wenige Meter breiten Streifen am Ackerrand geeignete Bedingungen für Ackerwildkräuter erhalten oder geschaffen werden; wegen damit einhergehender Ertragsausfälle und Mehrarbeiten wurden betroffene Landwirte finanziell unterstützt. Dieses Konzept markiert den Beginn des deutschen Vertragsnaturschutzes, der sukzessive auf weitere bedrohte Arten, Artengruppen und Lebensräume ausgedehnt wurde. Nach anfänglichen Erfolgen im Ackerwildkrautschutz zeigten sich verschiedene Defizite dieses Schutzinstruments: Sie reichen vom Aufkommen unerwünschter „Problemunkräuter“ über die Missachtung von Auflagen seitens der Landwirte und schlechte Kontrollmöglichkeiten bis hin zur schwindenden Attraktivität der Programme infolge verschärfter EU-Vorgaben (Sommer2014).

Dessen ungeachtet konzentrieren verschiedene Bundesländer ihre Bemühungen zum Schutz der Ackerwildkräuter weiterhin auf Ackerrand- bzw. Ackerschonstreifen. In einigen anderen Bundesländern ist es mittlerweile zudem möglich, im Rahmen des Vertragsnaturschutzes (VNP) ganze Ackerflächen angepasst zu bewirtschaften. Auf ausgewählten Standorten soll so durch extensiven Anbau oder zeitweise Brachlegung die flächige (Wieder-)Ansiedelung von Ackerwildkräutern gefördert werden (Meyer2016). Parallel und teilweise flankiert von VNP wurde im Jahr 2007 unter dem Namen „100 Äcker für die Vielfalt“ mit dem Aufbau eines bundesweiten Netzwerkes von Schutzäckern für gefährdete Ackerwildkräuter begonnen (MeyerundLeuschner2015). Ziel ist der Erhalt vitaler Populationen besonders gefährdeter Arten sowie der naturschutzfachlich wichtigsten Ackerwildkrautgesellschaften in allen agrarischen Großräumen Deutschlands; sie sollen die genetische Vielfalt bedrohter Ackerwildkrautarten aufrechterhalten und als Samenreservoir zur Wiederbesiedelung künftig zu schaffender Flächen dienen (Meyeret al. 2014b). Bislang konnten im gesamten Bundesgebiet insgesamt 112 floristisch besonders wertvolle Ackerkomplexe mit einer Gesamtfläche von knapp 480 ha durch vertragliche Vereinbarungen langfristig gesichert werden. Naturschutzverbände begrüßen diesen Ansatz, fordern aber seine Ausweitung auf mindestens tausend Schutzäcker in Deutschland (Bund Naturschutz in Bayern 2015).

Eine weitere Möglichkeit, Ackerwildkräuter zu fördern, sollte von der EU-weiten Einführung des Greenings ausgehen. Im Rahmen dieser Agrarumweltmaßnahme wurden die Landwirte verpflichtet, auf 5 % ihrer Felder Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) einzurichten, auf denen derzeit zehn mögliche Optionen der Bewirtschaftung gewählt werden können. Dem Artenschutz dienlich sind freilich nur drei dieser zehn Optionen, nämlich Brachen, Blühstreifen und Landschaftselemente (Pe´eret al. 2017). Tatsächlich werden aber gerade diese drei biodiversitätsfördernden Maßnahmen besonders selten umgesetzt, wie eine europaweite Datenanalyse aufzeigt: Sie werden innerhalb der EU lediglich auf 25 % der ÖVF und in Deutschland nur auf 20 % der ÖVF gewählt; Bayern liegt mit 14,2 % artenschutzrelevanter ÖVF-Maßnahmen sogar noch unter dem bundesweiten Durchschnitt. Zu den besonders häufig genutzten, aber für den Artenschutz irrelevanten Optionen gehört der Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten: Sie machen EU-weit 28 %, in Deutschland 68 % und in Bayern sogar 72 % der ÖVF aus (Pe´eret al. 2017). Für die Ackerwildkräuter ist diese Entwicklung fatal. Während selbst die drei effektiven ÖVF-Maßnahmen nur wenigen Segetalarten zugutekommen, beschleunigen die meist gewählten übrigen Maßnahmen sogar noch deren Rückgang. Experten mahnen daher für die kommende Agrarperiode die Einführung von spezifisch auf den Ackerwildkrautschutz abzielende ÖVF-Maßnahmen wie extensiven Getreideanbau, Ackerrandstreifen oder die Anlage von Lichtäckern an (Nitschet al. 2017).

3 Das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm für den Biotoptyp Acker

Seit Ende der 1990er Jahre werden in Bayern Ackerflächen im Rahmen des VNP bewirtschaftet. Damit gehört der Freistaat zu den Bundesländern mit besonders langer Erfahrung im spezifischen Ackerwildkrautschutz auf fachgerecht ausgewählten Vertragsäckern. Zudem zeichnet sich das bayerische VNP Acker durch ein bundesweit einzigartiges Baukastensystem aus (Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2018). Demnach dürfen die Landwirte auf den entsprechenden Flächen bestimmte Feldfrüchte wie Mais oder Zuckerrüben grundsätzlich nicht mehr anbauen; darüber hinaus müssen sie in drei von fünf Vertragsjahren Winterkulturen bestellen, die Aussaatdichte der Feldfrucht vermindern, jegliche chemische, mechanische und thermische Vernichtung der Beikräuter unterlassen sowie bestimmte Zeiträume der Bewirtschaftungsruhe einhalten. Je nach Standort und Arbeitskapazität haben sie aber die Wahl zwischen verschiedenen Modulen, die sich mit Zusatzleistungen kombinieren lassen: So bringt der Verzicht auf jeglichen Dünger eine höhere Prämie als die Beschränkung auf Festmist; eine Stoppelbrache nach der Ernte wird höher vergütet als die sofortige Bodenbearbeitung; Streuobstbäume auf dem Acker werden zusätzlich honoriert; und es können verschiedene Erschwernisstufen von 30 bis zu 220 Euro je ha in Anspruch genommen werden. Alternativ zur Bewirtschaftung nach diesen Vorgaben sieht das Bayerische VNP für den Biotoptyp Acker auch die Möglichkeit vor, die Flächen aus der Bewirtschaftung zu nehmen und die Brachen für fünf Jahre der Selbstbegrünung zu überlassen.

Der modulare Aufbau des bayerischen VNP Acker ermöglicht eine effektive und spezifische Förderung der heimischen Ackerwildkräuter. Das belegen Erfolgskontrollen, die das Bayerische Landesamt für Umwelt in den Vegetationsperioden 2009 und 2010 in Auftrag gegeben hat. Dazu wurden in neun ausgewählten Landkreisen insgesamt 232 Äcker aufgesucht; 75 dieser Flächen waren konventionell bewirtschaftet und dienten zum paarweisen Vergleich mit unmittelbar benachbarten Vertragsäckern (Pilotek2009, 2010). Diese umfangreichen Geländeerhebungen demonstrieren eindrucksvoll die Wirksamkeit der strikten VNP-Maßnahmen. Besonders die schwerpunktmäßig auf Sand- und Kalkscherbenäckern vorkommende Lämmersalat-Gesellschaft ( Teesdalio-Arnoseridetum) , die Sandmohn-Gesellschaft ( Papaveretum argemones) und die Adonisröschen-Gesellschaft ( Caucalido-Adonidetum) , aber auch weitere gefährdete Pflanzengesellschaften auf Ackerstandorten profitieren vom VNP Acker: Die Biodiversität auf Vertragsäckern ist in allen untersuchten Ackerwildkrautgesellschaften signifikant höher als auf den Kontrolläckern; bei der Adonisröschen-Gesellschaft ( Caucalido-Adonidetum) , der Ackerfrauenmantel-Kamillen-Gesellschaft ( Aphano-Matricarietum) und der Platterbsen-Ackerlichtnelken-Gesellschaft ( Lathyro-Silenetum) ist die Biodiversität auf VNP-Äckern sogar drei- bis viermal so hoch wie auf standörtlich gleichen, jedoch konventionell bewirtschafteten Kontrollflächen (Güthleret al. 2012).

Auffällig ist das vermehrte Vorkommen stark gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Arten auf VNP-Äckern; dort finden sich in allen untersuchten Ackerwildkrautgesellschaften im Mittel signifikant mehr Rote-Liste-Arten als auf den konventionell bewirtschafteten Kontrollflächen (Fischer&Michler2009). Die statistische Auswertung der Erfolgskontrollen deutet darauf hin, dass die Bestellung der Äcker nach den VNP-Vorgaben sich günstiger auf die konkurrenzschwachen Ackerwildkräuter auswirkt als das Brachlegen mit Selbstbegrünung. Anhand der jeweils vorgefundenen Arten wurde das Standortpotenzial der untersuchten VNP-Äcker eingeschätzt und auf 97 % der Flächen als mittel bis sehr hoch bewertet (Pilotek2010). Eine Beibehaltung und Ausweitung des VNP auf entsprechend fachlich ausgewählten Flächen kann demnach dem weiteren Verlust an Biodiversität erfolgreich entgegenwirken.

4 Ackerwildkrautschutz durch VNP im Landkreis Rhön-Grabfeld

Der Landkreis Rhön-Grabfeld hat innerhalb Bayerns und Deutschlands eine zentrale Bedeutung für die Förderung und Erhaltung seltener und gefährdeter Ackerwildkräuter. Dies liegt zum einen an den klimatischen und geologischen Besonderheiten des Naturraums: Das trocken-warme Klima im Regenschatten der Rhön schafft in Kombination mit den flachgründigen, nährstoffarmen Böden auf Gips- und Sandstein-Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein ideale Lebensräume für die meist konkurrenzschwachen Ackerwildkräuter. Dazu kommt ein kulturhistorischer Aspekt: Das hiesige Erbrecht – die fränkische Realteilung – sieht eine Aufteilung der Grundstücke auf alle Erben vor und bedingt so eine ausgeprägte Kleinteiligkeit der landwirtschaftlichen Flächen, die traditionell extensiv genutzt werden (Abb. 1). Damit sind im Landkreis Rhön-Grabfeld besonders günstige Voraussetzungen gegeben, um die gefährdete Segetalflora durch gezielte Bewirtschaftung geeigneter Standorte im Rahmen des VNP zu fördern und langfristig zu erhalten (Abb. 2).

Erste Anstrengungen zum Schutz der Ackerwildkräuter im Landkreis Rhön-Grabfeld unternahm die Regierung von Unterfranken ab 1985 im Rahmen des damals flächendeckend in ganz Bayern eingeführten Acker-Randstreifenprogramms (Helfrich1988). Mit 165 geförderten Ackerflächen erreichte dieses Programm in dem Landkreis 1987 seine maximale Umsetzung. Ende der 1990er Jahre wurden die verbliebenen Äcker in das neu ins Leben gerufene Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm überführt; ihr Gesamtbestand fiel im Jahr 2000 mit einer Fläche von 4 ha auf seinen tiefsten Stand – um anschließend stetig anzuwachsen: 2017 wurden 520 Feldstücke mit insgesamt 473 ha nach den Vorgaben des Acker-VNP extensiv bewirtschaftet. Damit stellt der Landkreis Rhön-Grabfeld rund 27 % der Gesamtfläche aller Vertragsäcker in Bayern.

Im Rahmen der vom Landesamt für Umwelt beauftragten Erfolgskontrolle wurden auch im Landkreis Rhön-Grabfeld insgesamt 154 Vertragsflächen, die zwischen 2005 und 2009 über VNP gefördert wurden, hinsichtlich ihrer Zusammensetzung der Segetalflora erfasst. Dabei konnten 156 Ackerwildkraut-Arten identifiziert werden, darunter eine „vom Aussterben bedrohte“ sowie je sieben „gefährdete“ und „stark gefährdete“ Arten (Pilotek2009). Nach einer weiteren Erhebung im Folgejahr, die zusätzliche Flächen berücksichtigte, zog der ausführende Botaniker folgendes Fazit (Elsner2010): „Es war schwierig überhaupt noch seltenere Ackerwildkräuter aufzufinden, obwohl eine große Fläche von Ackerstandorten untersucht wurde. Selbst ubiquistische Arten, sogenannte Problemunkräuter, fehlten auf besonders intensiv genutzten Äckern. Nur wenige und schwierig zu bekämpfende Arten, wie die Roggen-Trespe, Kletten-Labkraut oder der Acker-Fuchsschwanz waren über weite Strecken vorhanden und gelangten an einzelnen Lokalitäten auch zur Dominanz. Bei den Ackerstandorten, bei denen bemerkenswerte Ackerunkräuter aufgefunden wurden, handelt es sich in den meisten Fällen um Vertragsflächen des VNP. In wenigen Fällen (oft biologischer Landbau) konnten neue Nachweise seltener Ackerwildkräuter geführt werden. Weitere Vorkommen bedrohter Arten auf konventionellen Ackerflächen sind äußerst selten geworden und oft nur Produkt zufälliger Begebenheiten.“ Dennoch brachte die Erhebung insgesamt 29 Arten der Roten Liste Bayerns (Scheuerer & Ahlmer2003) zutage, wobei der Anteil der „vom Aussterben bedrohten“ und der „stark gefährdeten“ Arten mit 7 respektive 17 % überdurchschnittlich hoch war (Abb. 3). Mit dem Acker-Quellkraut ( Montia chondrosperma ) auf einem Acker bei Schönau gelang damals der Erstnachweis dieser „stark gefährdeten“ Art für den Landkreis Rhön-Grabfeld.

Zusätzlich zu diesen systematischen vegetationskundlichen Aufnahmen werden sämtliche Vertragsäcker während der fünfjährigen Vertragslaufzeit mindestens einmal, oft auch mehrmals im Rahmen von Erfolgskontrollen inspiziert. Bei diesen Begehungen wurden in den Jahren 2008–2017 von den zuständigen Fachreferenten der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhön-Grabfeld – Thomas Stumpf, Michael Krämer, Dieter Weisenburger und Thomas Glinka – die vorkommenden Ackerwildkräuter erfasst und dokumentiert. In Summe konnten 74 Arten der Roten Liste Bayern nachgewiesen werden (Tab. 1) – das sind 65 % aller gelisteten Arten; dazu kommen 24 der insgesamt 26 einheimischen Arten der Vorwarnliste (Tab. 2). Erwähnenswert ist das Vorkommen des Ackerkohls ( Conringia orientalis ), der deutschlandweit zu den am stärksten gefährdeten Ackerwildkräutern gehört. Weiter finden sich hier 3 Spezies, für deren Erhalt Deutschland eine große bis sehr große Verantwortung hat, namentlich Kleinfrüchtiger Ackerfrauenmantel ( Aphanes australis ), Glanzloser Ehrenpreis ( Veronica opaca ) und Früher Ehrenpreis ( Veronica praecox ). Besonders erfreulich sind mehrere Neu- und Wiederfunde: So ist 2014 der Acker-Schwarzkümmel Nigella arvensis (Abb. 4) – er wurde zuletzt vor 30 Jahren in Bayern nachgewiesen – spontan auf einem Acker ausgekeimt, unweit seines ehemals letzten bekannten und wohl seit den 1970er Jahren erloschenen Standorts. Drei weitere Arten – Bauernsenf ( Teesdalia nudicaulis ), Kahles Ferkelkraut ( Hypochoeris glabra ) und Lämmersalat ( Arnoseris minima , Abb. 5) – wurden erstmals nach 40 Jahren wieder im Landkreis nachgewiesen. Der Gewöhnliche Igelsame ( Lappula squarrosa ) – die Art hielt sich in Bayern bislang nur vereinzelt in Weinbergen und wird selbst in alten Floren nicht mehr aufgeführt – konnte 2016 bereits im ersten Jahr nach extensiver VNP-Bewirtschaftung auf einem Acker dokumentiert werden.

Jenseits dieser spektakulären Neu- und Wiederfunde haben sich auch die Vorkommen der übrigen Rote-Liste-Arten stabilisiert; bei rund 90 % aller gelisteten Arten, die im Landkreis nachgewiesen wurden, haben sich die Bestände nach Einschätzung des Naturschutzreferenten Thomas Stumpf deutlich verbessert; einige einst seltene Arten wie das Sommer-Adonisröschen ( Adonis aestivalis ), das Rundblättrige Hasenohr ( Bupleurum rotundifolium ) und der vom Aussterben bedrohte Kleine Frauenspiegel ( Legousia hybrida ) sind heute auf bis zu 15 Standorten mit hunderten oder gar weit über tausend Exemplaren vertreten. Damit sind auch die Grundlagen für den Samenerhalt wertvoller Segetalarten für die nächsten Jahrzehnte gelegt. Tatsächlich erlaubt die wiedererlangte Populationsgröße vormals rarer Ackerwildkräuter eine Samenernte zur gezielten Vermehrung ausgewählter Arten; sie werden im Rahmen des Projekts „Ackerwildkräuter für Bayerns Kulturlandschaft“ geerntet und vermehrt, um sie auf geeigneten landwirtschaftlichen Flächen wieder anzusiedeln und produktionsintegriert zu erhalten (Bayerische KulturLandStiftung 2016). Diese überaus positive Entwicklung unterstreicht die Sonderrolle des Landkreises Rhön-Grabfeld für den langfristigen Erhalt seltener und gefährdeter Ackerwildkräuter und bestätigt die Wirksamkeit der angepassten Ackerbewirtschaftung nach den Vorgaben des bayerischen VNP.

5 Warum ist der Ackerwildkrautschutz im Landkreis Rhön-Grabfeld so erfolgreich?

Wie oben ausgeführt, liefern die klimatischen und geologischen Besonderheiten der Naturräume Rhön und Grabfeld in Kombination mit der historisch bedingten Kleinteiligkeit der landwirtschaftlichen Flächen äußerst günstige Voraussetzungen für einen extensiven Ackerbau und den Erhalt einer artenreichen Segetalvegetation. Doch auch eine ideale Kulisse muss – um im Bild zu bleiben – von engagierten Akteuren bespielt werden, damit eine gelungene Vorstellung zustande kommt. Wie also erklärt es sich, dass gerade hier vergleichsweise viele und zusehends mehr Landwirte am VNP teilnehmen und den Landkreis zum bayerischen Spitzenreiter hinsichtlich Zahl und Fläche der Vertragsäcker gemacht haben? Antworten liefern Gespräche mit dem zuständigen Fachreferenten der Unteren Naturschutzbehörde, Thomas Stumpf, sowie mit den Landwirten Eugen Hippeli aus Nordheim vor der Rhön und Gert Urban aus Ostheim vor der Rhön.

Als wichtigste Voraussetzungen, sich – freiwillig! – für bestimmte Bewirtschaftungsformen zum Zwecke des Natur- und Artenschutzes zu verpflichten, werden übereinstimmend Verlässlichkeit und Kontinuität genannt. „Ich muss mich darauf verlassen können, dass die Verträge langfristig laufen, mit der Option auf Verlängerung“, betont Eugen Hippeli. Diese Voraussetzung ist im Landkreis Rhön-Grabfeld durch die lange Geschichte des VNP gegeben: Sie nahm bereits in den 1980er Jahren mit einem durch EU-Gelder geförderten Pflege- und Naturschutzprogramm für Wiesenbrüter und zum Erhalt wertvoller Magerrasen auf den Hochflächen der Rhön ihren Anfang. „Ich hatte da oben einige Grünflächen, die ich nach dem VNP bewirtschaftet habe. Später hat mich dann der Herr Stumpf angesprochen, dass es jetzt auch ein VNP für den Acker gibt. So bin ich dazugekommen“, erinnert sich Eugen Hippeli. Der Landwirt hat mit 5 ha angefangen und laufend mehr dazu genommen. Heute stehen rund 20 ha auf insgesamt 20 Feldstücken von 19 Ar bis 2,5 ha im VNP.

Gert Urban macht ebenfalls schon sehr lange beim VNP Acker mit und bewirtschaftet derzeit 15 % seiner Gesamtfläche nach den Vorgaben des Ackerwildkrautschutzes. 2014 wurde einer seiner Äcker mit dem 1. Preis beim Wettbewerb „Blühende Ackerwildkräuter“ ausgezeichnet. Die prämierte Fläche wurde damals bereits 15 Jahre lang nach VNP-Vorgaben extensiv bewirtschaftet und gehört damit zu den ältesten Vertragsäckern im Landkreis. „Ich bin vor 11 Jahren dazugekommen, weil ich diesen Acker von meinem Kollegen Dieter Schmidt in Ostheim übernommen habe. Ich habe am VNP Gefallen gefunden und bin dabeigeblieben. Dann hab ich die Flächen immer mehr ausgeweitet auf aktuell 11 Feldstücke zwischen 35 Ar und mehreren ha, die zusammen auf rund 30 ha kommen. Das sind vor allem Flächen, die sich aufgrund des mageren Standorts angeboten haben“, berichtet Gert Urban.

Nur ein kleiner Teil der Vertragsäcker im Landkreis Rhön-Grabfeld wird von Biobauern bewirtschaftet. Wie Eugen Hippeli und Gert Urban betreiben die meisten Landwirte auf ihren guten Böden konventionellen Ackerbau und wirtschaften nur auf den schwächeren Standorten extensiv nach VNP-Vorgaben. Das ist eine Win-win-Situation für die Landwirte und den Naturschutz: Denn gerade die besonders gefährdeten Ackerwildkräuter profitieren mehr von mageren als von guten Böden; außerdem können sich dort unerwünschte Arten wie Acker-Kratzdistel oder Acker-Fuchsschwanz nicht so leicht durchsetzen wie auf tiefgründigen Äckern. „Wir wollen wirklich nur die konkurrenzschwachen Ackerwildkräuter fördern und uns keinesfalls Problem-Unkräuter und -Gräser einhandeln. Das sind unsere gemeinsamen Feinde, da ziehen wir mit den Landwirten an einem Strang“, betont Thomas Stumpf. „Unsere Landwirte bekommen solche unerwünschten Beikräuter in der Regel gut in den Griff. Wenn es trotzdem zu massiven Problemen kommt, dann können wir im Einzelfall Ausnahmegenehmigungen zum Ausmähen der Disteln erteilen“, betont Behördenvertreter Stumpf. Die enge Abstimmung zwischen den amtlichen Naturschützern und Landwirten sowie die wohl durchdachte Auswahl der Vertragsäcker ist unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg des Ackerwildkrautschutzes. Hier gilt es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und gemeinsam Lösungen für auftretende Probleme zu finden.

Durch seinen außergewöhnlichen Einsatz für die Ackerwildkräuter hat Thomas Stumpf über Jahre das Vertrauen der Landwirte gewonnen. „Am Anfang ging das total schleppend, weil das Verständnis und die Akzeptanz für die Ackerwildkräuter völlig gefehlt haben. Da hörte man Sätze wie ‚mein Vater erschlägt mich, wenn ich den Acker nicht mehr spritz und sauber halt‘“, erinnert sich der Naturschutzreferent, und weiter: „Doch irgendwann habe ich dann einige von den großen Landwirten unter Vertrag gehabt, und dann ging’s exponentiell nach oben. Dann wurde das beim Frühschoppen in der Wirtschaft weitergetragen, und ab 2007 war dann der Knoten geplatzt. Jetzt ist der VNP bei der Masse angekommen.“ Nach seinem Erfolgskonzept befragt, verweist Thomas Stumpf auf die enge Zusammenarbeit im Landratsamt Rhön-Grabfeld: „Ich konnte jedes Jahr während der sechs Wochen, in denen die neuen Verträge abgeschlossen werden, direkt bei den Kollegen im Landwirtschaftsamt sitzen und für den Naturschutz werben. Dadurch habe ich zu vielen Landwirten einen guten Zugang bekommen und konnte nach und nach einen sehr großen Kundenstamm aufbauen.“

Tatsächlich entschließen sich jedes Jahr neue Landwirte zum Abschluss von Verträgen. Und wer einmal dabei ist, verlängert in der Regel nach Ablauf der Vertragszeit oder bringt gar weitere Flächen ein. „Dass immer mehr mitmachen, liegt auch daran, dass sich die Prämien seit der letzten EU-Förderperiode ab 2015 verbessert haben. Vorher waren sie deutlich geringer und damit oft nicht wirtschaftlich“, sagt Gert Urban. Zuvor waren die Ausgleichszahlungen an die Güte der Äcker gekoppelt: Für Böden mit hoher Ertragsmesszahl (EMZ) gab es mehr Geld als für schwache Böden. Die aktuelle EMZ-unabhängige Prämie ist höher als jene, die zuvor für Böden mit besonders niedriger EMZ anfiel. Derzeit rechnet sich ein extensiver Anbau also besonders auf jenen Flächen, deren konventionelle Bewirtschaftung ohnehin wenig einbringt.

Damit ist das Acker-VNP gerade in der Rhön für viele Landwirte eine echte Option: „Wir haben in Unterfranken sehr oft eine Vorsommer-Trockenheit. Wenn da vier oder sechs Wochen lang kein Regen kommt, dann verdorrt das Getreide am stehenden Halm. Da ist die VNP-Prämie ein Stück Sicherheit und Risikominimierung“, erklärt Eugen Hippeli und macht folgende Rechnung auf: „Natürlich ist mein Ertrag auf den Vertragsäckern mit 10–20 Doppelzentnern extrem niedrig. Aber dafür bekomme ich als Ausgleich jedes Jahr dieselbe feste Prämie und spare außerdem die Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel.“ Diese Kosten belaufen sich beim konventionellen Anbau auf mehrere hundert Euro pro ha – und fallen unabhängig vom Ertrag an: „In trockenen Jahren ernte ich auf meinen guten Äckern gerade mal 30 statt 50 Doppelzentner. Das ist zwar immer noch mehr als auf dem Vertragsacker, aber die Fixkosten stehen dann in einem Missverhältnis zum Ertrag und bringen mich finanziell an die Grenzen. Für meine Betriebsstruktur ist die Mischung aus konventionellem und extensivem Anbau ein Vorteil.“ Unter dem Strich fahren die Landwirte mit der extensiven Bewirtschaftung ihrer schwachen Böden nicht schlechter als mit einem konventionellen Anbau. Aber eben auch nicht besser. „Man muss das schon aus Überzeugung machen“, sagt Eugen Hippeli und bekennt: „Für mich liegt der Gewinn woanders. Denn es gefällt mir einfach, wenn ich sehe, wie viele Wildkräuter da auf einmal wieder wachsen können. Wenn mein Acker so bläulich schimmert vom Rittersporn, das find ich herrlich!“

6 Wie viel Vertragsnaturschutz brauchen unsere Ackerwildkräuter?

Experten sind sich einig, dass das Überleben zahlreicher Segetalarten nur durch die angepasste Nutzung ausgewählter Standorte mit geeigneter Struktur und entsprechendem Nährstoffangebot gewährleistet werden kann (Meyeret al. 2013a). Das VNP Acker ist dafür ein wirkungsvolles Instrument; das gilt in besonderem Maße für stark gefährdete Arten, die auf spezielle Böden und Bewirtschaftungszyklen angewiesen sind. Im Landkreis Rhön-Grabfeld wird das VNP Acker in vorbildlicher Weise praktiziert und erzielt beeindruckende Erfolge – die sich jedoch nur durch die langfristige Beibehaltung der extensiven Wirtschaftsweise aufrechterhalten lassen.

Bezogen auf die gesamte landwirtschaftliche Fläche, ist der Anteil der Vertragsäcker allerdings marginal. In Bayern wurden im Jahr 2016 insgesamt 2 082 400 ha Ackerland bewirtschaftet (Bayerisches Landesamt für Statistik 2016). Davon fallen im Jahr 2017 ganze 1938 ha – das sind nicht einmal 0,1 % – unter die Vorgaben des VNP. Eine Potenzialanalyse im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz schlug als fachliches Ziel zum Erhalt der Ackerwildkräuter eine Ausweitung des VNP auf 10 000 bis 20 000 ha Ackerfläche vor (Bayerisches Landesamt für Umwelt 2010). Zwar trägt auch der Ökolandbau zum Erhalt einer artenreichen Segetalvegetation bei, sofern die nichtchemische Regulierung der Beikräuter moderat betrieben wird; als Schutzkonzept reicht er jedoch wegen des nach wie vor geringen Flächenanteils und der teilweise sehr speziellen Ansprüche vieler hoch gefährdeter Arten nicht aus. Zusätzlich oder alternativ zur Ausweitung des VNP Acker bietet sich die Aufnahme entsprechender Zielvorgaben für den Ackerwildkrautschutz in den Maßnahmenkatalog des „Greenings“ an. Nach Berechnungen vonHampicke(2014) sind bundesweit Extensivierungen auf 150 000 ha notwendig – das entspräche etwa fünf Flächenprozent der rund 3 Mio. ha ackerbaulichen Grenzertragslagen in Deutschland –, um die von der Bundesregierung im Jahr 2007 beschlossenen Ziele der nationalen Biodiversitätsstrategie (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007) im Bereich des Ackerwildkrautschutzes zu erreichen.

Dank

Der Beitrag ist unter Mitarbeit des Fachreferenten der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Rhön-Grabfeld, Thomas Stumpf, sowie mit fachlicher Unterstützung durch Dr. Stefan Meyer, Abteilung Ökologie und Ökosystemforschung der Universität Göttingen, entstanden.

Literatur

Aus Umfangsgründen steht das ausführliche Literaturverzeichnis unter www.nul-online.de (Webcode 2231) zur Verfügung.

Fazit für die Praxis

  • Das modular aufgebaute bayerische Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) für den Biotopschutz Acker hat sich als äußerst wirkungsvolles Instrument zum Schutz der Segetalflora bewährt.
  • Wo noch keimfähige Samen im Boden ruhen, können auch auf vormals intensiv bewirtschafteten Äckern schon wenige Jahre nach Aufnahme in das VNP seltene Ackerwildkräuter auflaufen und – bei langfristig beibehaltener extensiver Bewirtschaftung – zum Aufbau großer und stabiler Bestände führen.
  • Um die (Wieder)-Ansiedelung artenreicher Segetalgesellschaften zu fördern, müssen deutlich mehr geeignete Ackerflächen über lange Zeiträume hinweg nach den Vorgaben des VNP bewirtschaftet werden.
  • Schwachgründige Böden eignen sich sowohl aus naturschutzfachlichen Gründen als auch aus Sicht der Landwirte besonders gut. Denn ihre extensive Bewirtschaftung begünstigt viele der am stärksten bedrohten konkurrenzschwachen Ackerwildkräuter; zugleich wird hier der Ertragsausfall durch die Ausgleichsprämien eher kompensiert als auf guten Böden.
  • Der extensive Ackerbau ist gegenüber der Brachlegung mit Selbstbegründung zu bevorzugen, weil die angepasste Nutzung besonders die seltenen und am stärksten gefährdeten Beikräuter fördert.

Thomas Stumpf ist seit 1999 Fachreferent für Naturschutz im Landkreis Rhön-Grabfeld, Schwerpunkte Vertragsnaturschutzprogramm, Landschaftspflege und Artenschutz. Ausgebildeter Landschaftsgärtner, Studium zum Dipl.-Ing. (FH), Fachrichtung Landschaftsarchitektur und Umweltplanung in Höxter, währenddessen Mitarbeit im bayerischen Teil des Biosphärenreservates Rhön und im Planungsbüro Grebe, Nürnberg. Freiberufliche Tätigkeit u. a. für IVL Erlangen (floristische und avifaunistische Kartierungen).

Kontakt

Dr. Monika Offenberger hat an der LMU München Biologie studiert. Sie forschte zur biologischen Kontrolle vorratsschädlicher Insekten am MPI für Verhaltensphysiologie in Seewiesen und promovierte über Brutsubstrate heimischer Drosophiliden an der LMU München. Seit 30 Jahren schreibt sie als freie Wissenschaftsjournalistin über Themen aus Umwelt, Naturschutz und Lebenswissenschaften.

monika.offenberger@mnet-mail.de

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren