Artenschutzrechtliches Tötungs- und Verletzungsverbot gilt auch für Entwicklungsformen
§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet es, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG) nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Dieses Zugriffsverbot gilt unabhängig vom Beweggrund oder von der Motivation des Handelnden (Kratsch, in: Schumacher/ Fischer-Hüftle, BNatSchG 2. Aufl., § 44 Rdnr. 9), sodass es unerheblich ist, ob eine Handlung absichtlich, vorsätzlich, fahrlässig oder ohne Sorgfaltsverstoß durchgeführt wird (Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 44 Rdnr. 6).
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Der Gesetzgeber schließt in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ausdrücklich Entwicklungsformen (Eier, Larven, Puppen etc.) in den Schutz ein. So darf z. B. das Gelege eines Vogels nicht aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden. Auch Frösche und Kaulquappen dürfen nicht ohne Weiteres aus einem Gartenteich entfernt werden.
Vom Verbot erfasst ist neben dem unmittelbaren Zugriff auf die geschützten Tiere oder ihre Entwicklungsformen auch jede andere Handlung, die eine Zerstörung oder Beschädigung von Entwicklungsformen oder deren Entnahme aus der Natur beziehungsweise den Tod oder die Verletzung eines Tieres zur Folge hat (Gellermann/Schreiber , Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in staatlichen Planungs- und Zulassungsverfahren, S. 37). Beispielsweise können auch Störungen brütender Vögel geeignet sein, den Verbotstatbestand zu erfüllen, wenn infolge dieser Störungen der Brutplatz aufgegeben oder das Brutgeschäft unterbrochen wird, sodass die Eier abkühlen und die Brut erfolglos bleibt. Gleiches gilt, falls die Brut störungsbedingt aufgegeben wird, wenn die Jungen bereits geschlüpft, aber noch auf die Versorgung durch die Elternvögel angewiesen sind oder die Jungen in ihrer Brutstätte verhungern, weil die Altvögel die Küken aufgrund der Störungen nicht ausreichend füttern können.
Für Eingriffe und Vorhaben regelt § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG, dass ein Verstoß gegen das Verbot nicht vorliegt, wenn sich das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und die Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann.
Die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft verstößt nach § 44 Abs. 4 BNatSchG dann nicht gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG, wenn sie den Anforderungen an die gute fachliche Praxis entspricht, selbst wenn Tiere oder ihre Entwicklungsformen dabei zu Schaden kommen. Für Anhang-IV-Arten der FFH-Richtlinie, europäische Vogelarten sowie für die durch die BArtSchV gleichgestellten Arten (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) gilt jedoch, dass sich durch die Bewirtschaftung der Erhaltungszustand der lokalen Population nicht verschlechtern darf.
Autoren
Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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