Ist das FFH-relevant – oder kann das weg?
Mehlschwalbe und Segelfalter: Zwei von vielen Menschen als besonders „schön“ empfundene Tierarten, die im Fokus von zwei Beiträgen in diesem Heft stehen. Und doch spielen sie im europäischem Naturschutzrecht eine nachrangige bzw. keine Rolle: Beide sind nicht in den Anhängen von Vogelschutz- bzw. FFH-Richtlinie gelistet.
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Was heißt das für den behördlichen Naturschutz-Vollzug? Ganz klar: Sie erfahren im Verwaltungs-Alltag keine Priorität, wenn nicht gar Missachtung. Und das beruht gar nicht auf Kurzsichtigkeit oder vorsätzlichem Handeln: Die meisten Naturschutzbehörden sind bei immer stärker gewachsenem Aufgabenspektrum und dessen Komplexität lediglich in der Lage, sich um das zu kümmern, was als am wichtigsten erachtet wird: einerseits das Reagieren auf aktuelle Planungen, zu denen sie als Träger öffentlicher Belange (TÖB) Stellung beziehen müssen, andererseits das Umsetzen der europäischen Naturschutz-Richtlinien. „Ist das FFH-relevant – oder kann das weg?“ könnte man mit böser Zuge fragen ...
Mehr Stellen nötig
Mit dieser verallgemeinernden Kurzanalyse soll nicht am fundierten und verantwortungsvollen Handeln der Behörden im konkreten Einzelfall gezweifelt werden. Fakt aber ist, dass die Naturschutzbehörden chronisch unterbesetzt sind. Streichung statt Neuschaffung von Stellen dominiert. Da bleibt in vielen Fällen beim besten Willen nur Zeit für die Pflicht, aber nicht für die Kür – das vorausschauende Entwickeln und Umsetzen von Projekten. Nicht mangelnde Finanzmittel, sondern mangelndes Personal ist vielfach das Nadelöhr.
Baden-Württemberg hat die dringende Not erkannt und bisher am weitesten gehend reagiert: Nach dem Aufbau von Landschaftserhaltungsverbänden in mittlerweile fast allen Landkreisen sieht die Landesregierung im Doppelhaushalt 2018/19 zusätzliche 225 Stellen für den Erhalt der Lebensgrundlagen vor. Peinliches passiert dagegen im Südosten der Republik: Das bayerische Kabinett hat insgesamt acht neue Stellen für die unteren Naturschutzbehörden beschlossen – und sieht sich Protesten mehrerer CSU-Abgeordneter ausgesetzt. Christliche Schöpfungsverantwortung und soziale Politik – denn auch diese sollte den Erhalt der Schutzgüter für nachfolgende Generationen sein – scheint diesen Parlamentariern ein Fremdwort zu sein.
Hoffnung keimt
Die gute Wirtschaftslage in Deutschland sowie gesellschaftliche Sensibilisierung für Themen des Naturschutzes lassen dennoch Hoffnung keimen: für mehr Geld, mehr qualifiziertes Personal, höhere Prioritäten für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Verschiedene große Stellschrauben könnten in den nächsten Monaten positiv verändert werden, allen voran die Gemeinsame Agrarpolitik und eine mögliche eigene EU-Naturschutzfinanzierung. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle eine künftige Bundesregierung hierbei spielt – als Motor oder Bremsklotz. Indes: Zu häufig schon wurden Hoffnungen bitter enttäuscht. Naturschutz bleibt ein Feld, auf dem man nur mit hoher Frustrationstoleranz bestehen kann – und mit am Leben erhaltener Begeisterung etwa für die Mehlschwalben-Kolonie oder den vorbei segelnden ähnlich einem Zebra gestreiften Segelfalter.
Begeisterung wecken
Diese Begeisterung für einzelnen Pflanzen- und Tierarten bei möglichst vielen Menschen zu wecken und zu fördern, bleibt ein wichtiges Ziel des Naturschutzes. Vor allem Naturschutzverbände nehmen diese Aufgabe wahr. Die Zugänge aber wandeln sich, wie das soziale Netzwerk von naturgucker.de verdeutlicht: Vor zehn Jahren entstand dieses Projekt aus einer privaten Initiative. Heute geben mehr als 42 000 Menschen hier ihre Naturbeobachtungen ein – eine beeindruckende Online-Community. Mit- und voneinander lernen ist hier gelebte Praxis. Oft werden aus jungen Artenkennern später die engagierten Naturschützer in Behörden und Verbänden – eine Investition in die Zukunft. Sympathieträger wie Vögel und Tagfalter können viele Menschen motivieren. Auch deshalb dürfen Nicht-FFH-Arten nicht der Aufmerksamkeit entgehen.
Übrigens: Alle in Europa vorkommenden Vogelarten sind durch die Vogelschutz-Richtlinie geschützt, nicht allein die in Anhang I und in Art. 4 Abs. 2 genannten Vogelarten – darauf haben wir schon mehrfach hingewiesen. Ergo dokumentiert der erste Hauptbeitrag ein auch rechtlich kritisches Versagen des Naturschutzes: Trotz Ersatz-Brutstätten für die Mehlschwalbe erlitt eine mit 50 Brutpaaren besiedelte, regional bedeutsame Kolonie einen Totalverlust.
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