Bulgarische EU-Ratspräsidentschaft – Fehlanzeige für Naturschutz
Bulgarien hat am 01. Januar 2018 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Es ist Teil der sogenannten „Triple presidency“ mit Estland und nachfolgend Österreich. Nach dem Programm für die Ratspräsidentschaft und den Äußerungen des bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow zu schließen, scheinen Umweltthemen für Sofia keine Priorität zu haben. Im Mittelpunkt sollen die Sicherung der EU-Außengrenzen, Wirtschaftswachstum und Kohäsion, Digitalisierung und der Anschluss der Westbalkan-Staaten an die EU stehen, ebenso der Brextit.
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Kontra Emissionsminderung
Als wichtigen Aspekt für die Stabilität der EU sieht Sofia auch die EU-Energiepolitik an. Daher will die Ratspräsidentschaft die Umsetzung des sogenannten Winterpakets vorantreiben, das die EU-Kommission Ende November 2016 veröffentlicht hatte. In welche Richtung das gehen soll, machte Bulgarien allerdings auch schon deutlich: Das Land kündigte an, die Klage Polens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die im April 2017 von den EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich, allerdings gegen die Stimmen einiger „Kohleländer“, beschlossenen neuen EU-Grenzwerte für Quecksilber-, Stickoxid- und Feinstaubemissionen aus Kraftwerken zu unterstützen. Die ab 2021 geltenden strengeren Grenzwerte könnten die – teure – Nachrüstung oder vorzeitige Stilllegung insbesondere alter Braunkohlekraftwerke zur Folge haben. Im August letzten Jahres hatten auch die Ministerpräsidenten der vier „Braunkohle“-Länder Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, gestützt auf ein Papier des deutschen Braunkohleverbandes, die Bundesregierung zu einer solchen Klage aufgefordert, der diese aber nicht gefolgt war.
Natura-2000-Gebiete unter Druck
Auch im Naturschutz zeigt sich Bulgarien ähnlich ablehnend gegenüber dem EU-Recht wie Polen. Während dort die massiven Abholzungen im Natura-2000-Gebiet Bia owiez a trotz Verfügungen des EuGH im Sommer 2017 und im Herbst angedrohter Zwangsgelder zumindest bis Jahresende offenbar fortgesetzt wurden, hat Bulgarien im Dezember einen neuen Managementplan für das Natura-2000-Gebiet und Nationalpark Pirin beschlossen. Dieser sieht eine Ausweitung der Bebauung und des Skitourismus vor. Es bleibt abzuwarten, wie die EU-Kommission mit diesem „Fall“ umgeht, da sie ja im Rahmen des „Aktionsplanes“ der EU-Naturschutzrichtlinien eine konsequentere Umsetzung des EU-Rechtes zugesagt hatte.
Nach diesen im Klima- und Naturschutz desillusionierenden Entscheidungen der neuen Ratspräsidentschaft muss natürlich auch ihre Verhandlungsführung hinsichtlich der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) nach 2020 genau beobachtet werden. Beide Themen wurden von Sofia auch als wichtige Themen des ersten Halbjahres 2018 benannt. Zum Thema GAP hat die Ratspräsidentschaft immerhin neun Beratungstermine sowie Ministerräte bis Mitte Juni angesetzt.
Beginn der MFR-Beratungen
Am 08. und 09. Januar gab EU-Haushaltskommissar Günter Oettinger mit einer großen, hochrangig besetzten Konferenz in Brüssel den offiziellen Startschuss für die MFR-Beratungen zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU. Die Beiträge blieben allerdings sehr vage. Auch der des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel, der lediglich eine Erhöhung der deutschen Beiträge versprach, hinsichtlich Höhe und Anteile einzelner Budgetlinien aber keine Aussagen machte. Oettinger ließ immerhin erkennen, dass „maßvolle“ Kürzungen des EU-Haushaltes angesichts des Brexit unerlässlich seien und diese vor allem die größten Haushaltsposten GAP und Kohäsionsfonds betreffen würden.
Nach den Beratungen in der Kommissarsrunde („college“) am 10. Januar gab Oettinger weitere Details bekannt. Die Haushaltslücke durch den Brexit bezifferte er mit jährlich 12 bis 15 Mrd. Euro. Daher seien in allen rund 60 EU-Programmen Einsparungen erforderlich, nicht nur bei GAP und Regionalförderung. Lediglich in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Jugend solle nicht gekürzt werden.
Kritik insbesondere der Umweltverbände bei dem für Nachhaltigkeit zuständigen obersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, und Oettinger zeigte Erfolg: Oettinger versprach, Nachhaltigkeit als vierte Priorität des künftigen MFR einzuführen, neben Sicherheit und Stabilität, Wirtschaftskraft und Wettbewerb sowie Solidarität. Zudem schlug er vor, eine Plastiksteuer einzuführen und die Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel dem EU-Haushalt zuzuführen. Inwieweit er hierfür Mehrheiten bei den Mitgliedstaaten findet, denen das Geld aus dem Zertifikatehandel bislang zufließt, bleibt allerdings abzuwarten.
Am 10. Januar begannen auch die öffentlichen Konsultationen zum MFR, die sich auf sechs „prioritäre“ Teilbereiche erstrecken. Alle Konsultationen laufen bis zum 08. März. Im Mai soll der offizielle MFR-Vorschlag der EU-Kommission vorgelegt werden, während des Sommers dann die Legislativvorschläge für alle Teilbudgets (etwa 60).
Oettinger drängt darauf, den neuen MFR noch vor den Europawahlen im Juni 2019 zu beschließen. Der Europäische Rat der Staatschefs will bereits am 23. Februar in einer informellen Debatte die politischen Prioritäten des MFR festlegen; die EU-Umweltminister beraten am 05. März vor ihrer Ratssitzung.
Besonders wichtige Termine dürften auch noch eine Konferenz zur Zukunft der GAP am 03. Juni in Sofia sowie eine Tagung zur künftigen Kohäsionspolitik am 08. Juni zum Ende der bulgarischen Ratspräsidentschaft sein, bevor am 01. Juli Österreich übernimmt.
Links:
Programm der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft:
Programm und Reden der MFR-Konferenz „Shaping our future – Designing next Multiannual financial framework“:
https://tinyurl.com/MFR-Konferenz
öffentliche Konsultationen zu EU-Budgetlinien (alle bis 08. März):
https://ec.europa.eu/info/consultations_en
Kontakt
Claus Mayr arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige europäische Entwicklungen.
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