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Historische Parkanlagen und naturschutzrechtliche Kompensation

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<strong>Abb. 1: </strong>Die architektonischen, Weg begleitenden Baumreihen markieren den Wegverlauf, trennen die Wiesenmulde von dem Wiesenhang (linker Bildrand) und von den eigentlichen Wandkulissen. © Thomas M. Wegmann
Abb. 1: Die architektonischen, Weg begleitenden Baumreihen markieren den Wegverlauf, trennen die Wiesenmulde von dem Wiesenhang (linker Bildrand) und von den eigentlichen Wandkulissen. © Thomas M. WegmannZerstörungen von Teilen einer gartendenkmalschutzwürdigen Parkanlage der Ruhr-Universität Bochum
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Von Thomas M. Wegmann

In den Wiesenflächen des gut erhaltenen historischen Parkanlagenteils im Querforum Ost der Ruhr-Universität Bochum wurden auf engem Raum etwa 95 Großbäume als Kompensationsmaßnahme des Naturschutzes gepflanzt. Hierdurch wurde das Gestaltungskonzept der Gartenarchitekten Penker stark beeinträchtigt. Gründe für die fehlerhafte Kompensationsplanung sind unzureichendes historisches Wissen und eine unzulängliche Abwägung öffentlicher Interessen.

Der Park in der Querforen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) ist die zentrale Grünanlage der Ruhr-Universität Bochum. An dem etwa 700 m langen und bis 90 m breiten grünen Band reihen sich die dreizehn Hochhausscheiben der Universität mit ihren Haupteingängen auf. Der landschaftlich offen gestaltete Anlagenteil im Querforum Ost ist etwa 2,3 ha groß und wurde in den späten 1960er-Jahren von den Landschaftsarchitekten Rosemarie und Georg Penker geplant und entsprechend gebaut. Im Herbst des Jahres 2015 erfolgte die Eintragung der „denkmalwerten Anlagen“, einschließlich des Parks in den Querforen, in die Denkmalliste (Stadt Bochum briefl., 16.10.2015).

Entsprechend den Angaben in der Denkmalliste und der Erfordernisse von Denkmälern nach dem Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (DG NRW) ist das bedeutendste konstitutive Element bzw. Ziel der Penkerschen Gestaltung die Integration der Universität in die Landschaft. Um dieses zu erreichen, wurde die Oberflächengestaltung im Querforum Ost der umgebenden Landschaft angepasst (Penker1970: 32). Durch die Verwendung von Pflanzenmaterial, wie es im angrenzenden, naturnahen Forst zu finden ist, sollte ein in seiner Baumartenauswahl vergleichbares Vegetationsbild geschaffen werden (Petschnigg & Penker18.4.1969: 4).

Das zweite konstitutive Ziel ist die Schaffung einer fließenden Raumfolge. Dazu wurden die beiden Parkräume im Querforum Ost über eine Sichtachse miteinander verbunden (Petschnigg & Penker18.4.1969: 4). Als drittes Ziel ist der Gehölzaufbau zu nennen, der sich durch die Ausbildung vieler Gehölzgruppen auszeichnet, deren Ränder sich scheinbar auflösen. Baumindividuen treten aus diesen heraus und stellen ihre unbedrängten, naturnahen Wuchsformen aus.

Vorbereitung der Großbaum-Zusatzpflanzungen

Verschiedene Neubaumaßnahmen in den 2010er-Jahren erforderten das Fällen einer großen Zahl von Bäumen auf dem weiteren Universitätsgelände. Gemäß der kommunalen Baumschutzsatzung mussten diese ersetzt werden. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen, Außenstelle Dortmund (BLB NRW Dortmund), erstellte dazu ein „Pflanzkonzept für Ersatzbäume“. Das Umwelt- und Grünflächenamt bezog sich auf das Konzept und setzte schließlich die Pflanzung von 349 Großbäumen fest (Finanzministerium NRW, briefl. 6/2016: 1-2). Da es entsprechend große Kompensationsflächen auf dem Gelände der RUB nicht mehr gab, da viele von ihnen bereits als Ausgleichsflächen für andere Baumaßnahmen belegt waren, wurden 94 Großbäume im Jahr 2015 in den intakten, landschaftlich offen gestalteten Parkteil im Querforum Ost gepflanzt (Finanzministerium briefl. 6/2016). Verwendet wurde überwiegend 5 bis 8 (bis 10) m hohe Hochstamm-Baumschulware.

Zerstörungen und ihre Bewertungen

Durch die Pflanzung von Bäumen in einem Wiesenhang geht das Bildmotiv des offenen Hanges verloren. Andere Großbaum-Zusatzpflanzungen verdecken die Mittelgebirgsbachanlage, Baumsolitäre mit ihrem naturnahen Wuchs und offene Gehölzgruppen. Weitere Pflanzungen verengen das Lichtraumprofil von Fußwegen. Die zentrale Wiesenmulde wird durch die hinzu gepflanzte doppelte Baumreihe, die dem zentralen Fußweg folgt, vom Wiesenhang und von ihren kulissenhaft aufgestellten Grünanlagenaußenwänden getrennt.

Wohl aufgrund ihres frühjährlichen Blütenaspektes setzen sich die Baumreihen in besonderem Maße aus den Arten Prunus avium und Sorbus aucuparia zusammen. Im Frühjahr verstärkt ihr weißer Blütentraum die trennende Wirkung der Raumwand. Im Herbst stört der orangegelbe Fruchtbehang der Vogelbeerbäume die zurückhaltende Farbgebung der Anlage durch die heimischen Waldbäume.

Mit den Baumreihen führten die Grünplaner des BLB NRW Dortmund ein architektonisches Gestaltungselement ein, welches Penker nicht verwendete. Die Zusatzplanzungen veränderten weitreichend das Penkersche Konzept offener Parkräume und fließender Raumfolgen. Die Baumreihen zerteilen den Wiesenraum und gestalten geschlossene Grünanlageninnenräume. Die Sichtachse zwischen den zentralen Wiesenräumen wurde durch Großbaum-Zusatzpflanzungen unterbrochen. Lücken in den Grünanlagenaußenwänden wurden zugepflanzt. Es entstand eine nach außen abgeschlossene Grünanlage.

Die Großbaum-Zusatzpflanzungen wirken sich nachteilig auf das für den Denkmalschutz konstitutive Element und das Ziel der Integration der Universität in die Landschaft aus. Sie beeinträchtigen die Erfahrbarkeit der Oberflächengestaltung und die Gestaltungsprinzipien der Verfestigung der Formen und der differenzierenden Dominanzen. Das zweite Gestaltungsziel, die Bildung fließender, offener Raumfolgen, wird durch Baumpflanzungen in den Sichtachsen vereitelt. Schließlich wird das Ziel der Ausgestaltung charakteristischer, offener Gehölzgruppen durch Großbaumvor- und Großbaumbeipflanzungen beeinträchtigt.

Von den beeinträchtigten konstitutionellen Elementen werden verschiedene, mit ihnen zusammenhängende wissenschaftliche Gründe, die nach dem DG NRW zu benennen sind, betroffen. Von dem Penkerschen Ziel der Verbindung von Landschaft und Universität wird der städtebaulich, wissenschaftliche Grund der Integration von Städten und Wohnsiedlungen in die Landschaft durch Grünverbindungen berührt, wie sie von vielen Autoren in den 1950er- und 1960er-Jahren modellhaft gefordert und beschrieben wurde (Wegmann2017: 213). Da dieses Modell an der RUB umgesetzt wurde, werden auch gartengeschichtswissenschaftliche Interessen betroffen. Diese stehen in Zusammenhang mit der Verwendung standortgerechter, heimischer Baumarten und Sträucher, deren Auswahl auf der Grundlage pflanzensoziologischer Vegetationsuntersuchungen, zum Teil unter Verwendung des Planungsinstruments der potenziellen natürlichen Vegetation nach Tüxen, erfolgte (Tüxen1956). Zugleich berücksichtigten die Gestalter Naturschutzbelange. In der Parkanlage der Querforen drücken sich die drei Planungsziele in der häufigen Verwendung standortgerechter heimischer Bäume und in der Förderung der Tierwelt durch die Anlage kleinräumiger Biotope aus.

Ein weiteres berührtes denkmalpflegerisches Interesse ergibt sich aus künstlerischen Gründen. Dabei sind die künstlerischen Qualitäten des Parks, entsprechend der Bewertung des Penkerschen Wettbewerbsbeitrages, das gelungene gestalterische Abbilden und Vereinfachen landschaftlicher Strukturen, die Großräumigkeit und die Ruhe der Gestaltung. Hinzuzufügen wäre noch der narrative Charakter mancher Gestaltungsformen. Durch den landschaftlich offenen Charakter auch im verdichtet bebauten Bereich der Stadt weicht die Parkgestaltung Penkers von zeitgenössischen, vergleichbaren Gestaltungen deutlich ab (Wegmann2017: 215-217). Der materielle Wert dieses Parkdenkmals für die wissenschaftliche Forschung ergibt sich aus seinem guten Erhaltungszustand und dem hohen Grad der Vollständigkeit seiner erhaltenen Bausubstanz, zumal hierzu auch der Pflanzenbestand gehört (Schmidt2012: 86).

Der ökologische Schaden für den Naturschutz entspricht den entgangenen ökologischen Wirkungen, welche diese Großbaumzusatzpflanzungen in einem geeigneten Lebensraum hätten entfalten können. Er beläuft sich auf einen Baumschulkatalogwert etwa 120 000 € (von Ehren2016).

Schlussfolgerungen

Die Ursachenforschung zeigt, dass den Planern des BLB NRW Dortmund zum Zeitpunkt der Erstellung ihres Pflanzkonzeptes keine Bepflanzungspläne vorlagen (BLB NRW Dortmund briefl., 14.07.2014). Ohne ausreichende Kenntnis über die Gestaltungsvorstellungen und die Bepflanzungsplanung der Landschaftsarchitekten sind Fehlplanungen vorprogrammiert. Dabei hätten die Fehler vermieden werden können. Nach längerer Suche im Universitätsarchiv in den Jahren 2015 und 2016 konnte schließlich ein kompletter Satz Bepflanzungspläne gehoben werden. Die Suche nach Originalbepflanzungsplänen oder deren Rekonstruktion ist in jedem Fall notwendig.

Eine weitere, systematisch auftretende Planungsfehlerursache liegt im firmenkulturellen BLB-Planungsverständnis über die Herangehensweise an die Planung von naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen begründet. Wenn ökologisch aufwertbare Kompensationsflächen am Ort des Eingriffs oder in dessen Nähe nicht mehr vorhanden sind, hätten die BLB-Planer ihre Planungen für Kompensationsmaßnahmen andernorts lokalisieren müssen. Sie hätten erkennen müssen, dass aufgrund der vielfältigen öffentlichen Interessen Kompensationspflanzungen im Querforum-Ost nicht durchgeführt werden dürfen. Spätestens die Vertreter der Unteren Landschaftsbehörde hätten das BLB-Baugesuch ablehnen müssen.

In dieser Verantwortung steht auch die BLB NRW-Zentrale. So hat der BLB NRW bei seinen immobilienunternehmerischen Geschäften die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten (BLBG 12.12.2000: § 2 (1)). Zu ihnen gehört die Bewahrung des baukulturellen Erbes und seiner Baudenkmäler, wozu auch die Außenanlagen gehören (MSW2015: 28, 31). Die Verantwortung der BLB NRW-Zentrale ergibt sich durch die interne BLB-Aufgabenverteilung. Demnach „ [...] ist im Wesentlichen die Zentrale zuständig für: [...] strategische Leitentscheidungen und Entwicklung von Qualitätsstandards im Geschäftsbereich Planen und Bauen“ (Finanzministerium 2015: 16). Sieht es in anderen Landesbauverwaltungen und landeseigenen Betrieben besser aus?

Literatur

BLBG (Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen“), 12.12.2000, Düsseldorf.

Ehren, L. von: Baumschulkatalog. Internet-Zugriff am 24.10.2016.

Finanzministerium NRW, MSWKS (Ministerium für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalen) (2015): Neuorganisation der Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen ... In: Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (Hartmut Gustmann), Grundlagen des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, Düsseldorf, 8-17.

MSWKS (Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport)(2015): Bekanntmachung der baupolitischen Ziele des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf, 19.10.2002. In: Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (Hartmut Gustmann), Grundlagen des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, Düsseldorf, 28.

Penker, R., Penker, G.(1970): Landschaftsplanung Ruhrstausee. Ref.: Auszüge aus dem Erläuterungsbericht des ersten Preisträgers. In: BDGA, Hrsg., Universitätsgrünplanung, VIII Kolloquium, Bonn, 23-29.

Petschniggund Partner, Penker(1969): Baubeschreibung. Querforum Ost, Bochum, Bestand: Universitätsarchiv Bochum, Depositum des Staatlichen Hochbauamtes für die Universität Bochum, Akte 77, 18.04.1969.

Schmidt, E. (2012): Die Charta von Florenz nach dreißig Jahren kritisch betrachtet. Denkmalpflege in Bremen, 89-91.

Tüxen, R.(1956): Die heutige potentielle natürliche Vegetation als Gegenstand der Vegetationskartierung. Stolzenau.

Wegmann, T.M. (2017): Historische Parkanlagen und Naturschutz-Kompensationsmaßnahmen sind nicht immer „Gute Freunde“. Die Gartenkunst (1), 205-223.

Kontakt

Dr. Thomas M. Wegmann , Münster

ThomasWegmann@gmx.net

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