Großbritannien muss auch nach dem Brexit Umweltgesetze befolgen
Endspurt der Online-Konsultation zur Gemeinsamen Agrarpolitik: Die von der EU-Kommission am 02. Februar gestartete Online-Konsultation zur Verbesserung der Beiträge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zum Klimaschutz und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der EU ( Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (3): 82f.) geht in die Schlussrunde. Noch bis zum 02. Mai können Bürgerinnen und Bürger sich für eine bessere, umwelt- und verbraucherfreundlichere Agrarpolitik sowie eine fairere Verteilung der Agrarsubventionen aussprechen.
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Erste Resultate im Juni?
Voraussichtlich noch im Rahmen der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft wird die EU-Kommission erste Ergebnisse der Konsultation vorstellen. Zwischenzeitlich hat die EU-Kommission schon mehrere Vorschläge unterbreitet, wie kurzfristig zumindest kleine Verbesserungen der GAP erreicht werden können.
Unter anderem hat Agrarkommissar Phil Hogan im April ein Verbot mehrerer bienenschädlicher Gifte aus der Gruppe der Neonicotinoide vorgeschlagen, die künftig nur noch in geschlossenen Gewächshäusern angewendet werden sollen. Die Hersteller wehren sich noch gegen diesen Plan, ebenso einige Bauernverbände, weil ihrer Ansicht nach letzte schlüssige Beweise für die Bienenschädlichkeit der Mittel fehlen. Im Ministerrat und im EU-Parlament stößt der Plan dagegen überwiegend auf Zustimmung. Befürworter verweisen darauf, dass in der EU seit dem ersten gemeinschaftlichen Umweltaktionsprogramm im Jahr 1973 das Vorsorgeprinzip gilt, nach dem der Schutz von Mensch und Natur Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben sollte.
Ein anderer Vorschlag der EU-Kommission bezieht sich auf die Halbzeitbewertung der sogenannten „Greening"-Flächen oder „Ökologischen Vorrangflächen" (ÖVF), die bislang kaum positive Wirkungen für die biologische Vielfalt zeigen ( Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (3): 82f.). Die Kommission schlägt keine Erhöhung der Flächenanteile von derzeit fünf auf sieben Prozent, sondern ein generelles Verbot von Pestiziden auf diesen Flächen vor. Aus dem Agrarministerrat am 03. April kamen zu diesem Vorstoß keine Gegenstimmen. Allerdings versuchen zwei Agrarpolitiker im EU-Parlament, der CSU-Abgeordnete Albert Deß und der britische Abgeordnete John Stuart Agnew von der UKIP, die den „Brexit" forciert hat, diesen kleinen Fortschritt zu blockieren.
Umweltstandards trotz Brexit
Das Verhalten Agnews steht in der Tradition der „Brexiteers", die gerade bei Landwirten, Landbesitzern und Fischern vor dem Referendum im Juni 2016 damit geworben hatten, endlich die „Vorschriften aus Brüssel" loszuwerden. Eine Entschließung des EP, die am 05. April, also nur wenige Tage nach Einreichung des Austrittsgesuches Großbritanniens am 29. März, dürfte diese „Hoffnungen" allerdings zerstreuen. Das Papier, das mit einer großen Mehrheit von 516 Stimmen in Straßburg angenommen wurde, schreibt die Prioritäten des Parlaments für die Verhandlungen über eine Austrittsvereinbarung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich fest. Diese kann nicht ohne die Zustimmung des EP geschlossen werden.
In seiner Entschließung lehnt das EP, wie zuvor schon der Europäische Rat, jegliche „Rosinenpickerei" seitens Großbritannien ab. Für alle Vereinbarungen mit der EU seien die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes – freier Warenverkehr, Kapitalverkehr, Dienstleistungsverkehr und Personenverkehr – anzuerkennen, zudem die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger. Zudem weist das EP darauf hin, dass das Vereinigte Königreich bis zum offiziellen Austritt EU-Mitglied bleibt, mit allen Rechten und Pflichten, einschließlich seiner finanziellen Verpflichtungen, die auch über das Austrittsdatum hinausgehen können.
Großbritannien erhält also auch künftig nur Zugang zum Binnenmarkt, wenn es sich an die Standards der EU in der Umwelt-, Klima-, Sozial- und Steuerpolitik hält. Das EP behält sich zudem vor, im weiteren Verlauf der Verhandlungen zusätzliche Forderungen für einzelne Sektoren zu erheben.
Die Forderungen des EP korrespondieren auch mit denen der EU-Kommission. Am 22. März hat Michel Barnier, der EU-Chefunterhändler für den Brexit, in einer Rede vor dem Ausschuss der Regionen (AdR) Großbritannien davor gewarnt, die Umweltstandards im Zuge der Verhandlungen auszuhöhlen. Ein ehrgeiziges Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien setze die Beibehaltung hoher Sozial-, Steuer-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards voraus. Als ehemaliger EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen (2009-2014) betonte er vor allem, auf welche Geldmengen Großbritannien in Zukunft verzichten müsse, insbesondere der Subventionen im Agrar- und Fischereibereich oder der Regional- und Sozialfonds der EU.
Sondergipfel des Rats
Für den 29. April ist ein Sondergipfel des Europäischen Rates zum EU-Austritt Großbritanniens geplant. Die 27 Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten werden voraussichtlich ebenfalls Leitlinien für die Austrittsverhandlungen beschließen. Es wird erwartet, dass sie dabei im Wesentlichen den Vorschlägen des EP und der EU-Kommission folgen werden. Trotz „Brexit" dürfte die Umwelt daher auch jenseits des Ärmelkanals nicht unter die Räder kommen!
Link zur „LivingLand"-Kampagne: living-land.de/
Link zur Rede von Michel Barnier im AdR (deutsche Fassung):
europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-17-723_de. htm
Pressemeldung des EP vom 6. April 2017: tinyurl.com/ EP-Brexit
Kontakt
Claus Mayr arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige europäische Entwicklungen.
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