Start der Online-Befragung zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
Die EU-Kommission hat am 02. Februar die seit langem erwartete öffentliche Online-Konsultation zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 gestartet, an der sich alle Bürgerinnen und Bürger der EU bis zum 20. Mai beteiligen können. Zu Recht, denn die offenkundigen Probleme konnten mit der bisherigen Politik nicht gelöst werden, wie die EU-Kommission selber in mehreren Studien bereits 2015 feststellte.
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Hauptverursacher des Artensterbens
Hier sei insbesondere an den Bericht „State of Nature in the EU“ im Mai 2015 und an den Halbzeitbericht zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie im Oktober 2015 erinnert (Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (11): 334), außerdem an den Endbericht des „Fitness Checks“ der EU-Naturschutzrichtlinien. Sie alle kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Die intensive Landwirtschaft ist immer noch, trotz der bisherigen Reformen seit 2003, eine der Hauptursache des Artensterbens und trägt erheblich zur Belastung des Klimas, der Böden und der Gewässer bei.
Zudem wurden selbst zaghafte Regelungen für eine naturverträglichere Landwirtschaft wie das „Greening“, bei dem die Zahlung eines Teils der Subventionen an Umweltauflagen gekoppelt ist, bislang nur zögerlich umgesetzt. Aktuelle Untersuchungen, etwa des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) vom November 2016 und eines vom UFZ Leipzig koordinierten EU-weiten Forscherverbunds vom Januar 2017, zeigen, dass auch die in einem mühsamen Kompromiss zwischen Ministerrat und EU-Parlament gefundene derzeitige Form des „Greening“ vollständig versagt hat. Die bisherige Politik hat auch nicht zur Verbesserung der Situation der bäuerlichen Betriebe geführt, ihre Zahl ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Allein in Deutschland hat sich die Zahl der Milchviehbetriebe in den letzten 15 Jahren halbiert, junge Landwirte sehen kaum noch eine Perspektive.
EU-Agrarkommissar Phil Hogan machte bei Vorstellung der Online-Konsultation deutlich, dass eine Reform der EU-Agrarpolitik auch notwendig sei, um die in Paris vereinbarten Klimaziele und die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu erreichen, zu deren Umsetzung sich auch die EU und ihre Mitgliedstaaten im Herbst 2015 verpflichtet haben. Umweltverbände wie der NABU begrüßten zwar, dass die EU-Kommission mit der öffentlichen Konsultation die Agrarpolitik aus der Lobby-Nische hole, kritisierten allerdings, wie einige Europaabgeordnete auch, dass der Fragebogen bereits die „Fingerabdrücke der Agrarlobby“ trage, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke. So würden teilweise verschiedene Umweltziele wie Artenschutz, Klimaschutz oder Luftreinhaltung gegeneinander ausgespielt; zudem gebe es keine Chance, sich für eine geringere Exportorientierung der EU-Landwirtschaft auszusprechen.
Fortschrittsbericht Umweltrecht
Auch der am 06. Februar vorgestellte Fortschrittsbericht zur Umsetzung des Umweltrechts in der EU (Environmental Impact Review, EIR, COM(2017) 63 final) kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Der EIR ist ein neuer Prozess, in dem die EU-Kommission die Fortschritte der Umsetzung des gemeinsam beschlossenen Unionsrechtes untersucht und künftig alle zwei Jahre veröffentlicht. Schwerpunkte sind die Umsetzung der gemeinschaftlichen Vorgaben für Luft- und Wasserqualität, Naturschutz und biologische Vielfalt sowie Kreislaufwirtschaft und Abfallmanagement.
Den Bericht ergänzen 28 Länderberichte und sogenannte „factsheets“ für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist es aber nicht nur, die Umsetzungsdefizite aufzuzeigen, sondern auch, wie EU-Umweltkommissar Karmenu Vella bei der Vorstellung betonte, mit den Mitgliedsländern gemeinsame Lösungen zur Verbesserung der Umweltsituation zu erarbeiten. Nach Berechnungen der EU-Kommission könne die Wirtschaft durch eine konsequente Umsetzung der Gesetze insgesamt etwa 50 Mrd.€ sparen. Defizite sieht die EU-Kommission vor allem hinsichtlich der Abfallvermeidung, zudem werden in 23 von 28 EU-Staaten die Grenzwerte für die Luftqualität weiterhin überschritten. Auch die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien muss nach Auffassung der Kommission verbessert werden, obwohl es „lokale Erfolge“ gebe.
Lob für Deutschland
Deutschland schneidet Im Kommissionsbericht relativ gut ab. Insbesondere die deutsche Umweltpolitik und Umweltgesetzgebung werden überwiegend gelobt. Dank hoher Recyclingquoten, fortschrittlicher Technologien und guter öko-innovativer Leistungen befinde sich Deutschland „auf gutem Weg bei der Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft“. Nachholbedarf gebe es aber nicht nur beim Naturschutz, sondern auch bei der Luftverschmutzung, insbesondere durch Stickoxide und Feinstaub, sowie bei den hohen Nitratgehalten im Wasser, wozu ja seit 2013 ein EU-Vertragsverletzungsverfahren anhängig ist (2013/2199), ebenso wie seit 2014 zur unzureichenden Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (2014/ 2262).
Im „factsheet“ heißt es dazu kurz und knapp, aber deutlich: „Der Naturschutz in Deutschland fällt in den Zuständigkeitsbereich der 16 Bundesländer. Insgesamt muss Deutschland erhebliche Anstrengungen unternehmen, das Ausweisungsverfahren im Rahmen von Natura 2000 abzuschließen, Erhaltungsziele festzulegen und die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Belastungen durch die Landwirtschaft sind nach wie vor ein großes Problem für die Natura-Gebiete“.
Bleibt der Bauernverband im „Postfaktischen“ stecken?
Den Druck der Agrarlobby bekam zeitgleich mit der Veröffentlichung der EU-Konsultation Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zu spüren. Sie hatte es „gewagt“, mit humorvollen Sprüchen im Stile alter „Bauernregeln“ auf die Probleme der intensiven Landwirtschaft hinzuweisen und das Thema so in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Also da, wo es hingehört, allein schon wegen der 60 Mrd. € Subventionen aus Steuermitteln, die im Rahmen der GAP jährlich verteilt werden. Dies stieß allerdings beim Deutschen Bauernverband (DBV) und seinen Landesverbänden auf wenig Humor: Bereits zwei Stunden nach Veröffentlichung der Bauern-Reime des BMUB im Internet twitterte der DBV seinen Protest in die Welt. Nur einen Tag später bekam die Umweltministerin auch den geballten Unmut der Agrarlobby und von Agrarpolitikern aus CDU und CSU zu spüren. Auf einer Demonstration in Hendricks Heimatwahlkreis am Niederrhein am 09. Februar waren sogar Schilder mit Hendricks Foto und Sprüchen wie „Bauernsterben hat ein Gesicht“ zu sehen. Darauf nahm das BMUB die Bauernsprüche von der Homepage und ersetzte sie durch eine Dialogplattform.
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) kritisierte darauf das „rückwärtsgewandte Kartell aus Agrarlobby und Politik“, das sich der notwendigen öffentlichen Diskussion verweigere. Darauf setzte die Agrarlobby im Internetprotal „top agrar“ dem Ganzen die Trumpsche Krone auf. Nach den DBV-Tweets ab dem 02. Februar und zahlreichen Pressestatements, unter anderem von DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken am 03. Februar, behauptete das Blatt nunmehr allen Ernstes, der DBV habe mit den Protesten nichts zu tun und sich außerdem erst am 08. Februar zu Wort gemeldet. Pressestatements vom 03. Februar verschwanden wie von Zauberhand von den Websites. Eine Meldung des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes (RLV) vom 03. Februar wurde auf den 08. Februar umdatiert. Wir lernen daraus: „Alternative Fakten“ gibt es nicht nur in der amerikanischen Politik und eine faktenbasierte Diskussion der GAP wird nicht einfach werden!
Website der EU-Kommission mit kurzer Begründung, weshalb eine Reform der EU-Agrarpolitik notwendig ist:
http://ec.europa.eu/agriculture/consultations/cap-moderni sing/2017_de
Link zum Environmental Impact Review (nur in Englisch):
http://ec.europa.eu/environment/eir/index_en.htm
Link zum Länderbericht:
http://ec.europa.eu/environment/eir/pdf/report_de_de.pdf
Link zum factsheet:
http://ec.europa.eu/environment/eir/pdf/factsheet_de_de.pdf
Studie des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP, November 2016):
http://www.ieep.eu/assets/2156/IEEP2016_EFA_impacts_biodiversity.pdf
Pressemeldung des UFZ zur Studie vom Januar 2017:
http://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=1/2017
Kontakt
Claus Mayr arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige europäische Entwicklungen.
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