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Synoptische Auswertung zum Stand des Wissens

Vermeidungsmaßnahmen bei Planung, Bau und Betrieb von Windenergieanlagen

Abstracts

Mit dem beschleunigten Ausbau der Windenergie weltweit verstärkt sich auch die Notwendigkeit, Auswirkungen von Windenergieanlagen (WEA) auf die wildlebende Fauna mit Hilfe von Vorsorgemaßnahmen zu vermeiden, zu reduzieren sowie ggf. zu kompensieren, um gleichwohl die energiepolitischen Ausbauziele der Energiewende in Einklang mit den Umweltbelangen zu bringen. In diesem Beitrag wird eine zusammenfassende Übersicht zur Diskussion der Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb von WEA vorgestellt. Ziel ist es dabei, den derzeitigen Wissensstand der Forschung und Praxis abzubilden und für Projektentwickler, Gutachter und Genehmigungsbehörden eine Informationsgrundlage bereitzustellen, damit wirksame Artenschutzmaßnahmen besser verstanden werden können. Die kritische Betrachtung des aktuellen Wissenstands zeigt, für welche Maßnahmen bereits empirische Untersuchungen zu ihrer Wirksamkeit durchgeführt wurden und wo weiterer Forschungsbedarf besteht. Die auch bei diesem ­Thema verbleibenden Unsicherheiten sprechen schließlich dafür, möglichst das ganze Spektrum von Vermeidungsmaßnahmen in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase von Windparks bzw. WEA auszuschöpfen.

Mitigation measures during planning, construction, and operation of wind power plants – Synoptical analysis of the state of knowledge

The strong expansion of wind energy raised the need to avoid, mitigate or respectively compensate for conflicts with wildlife. This approach increases acceptance in renewable energies and tries to balance the policy objectives of energy transition with the environmental requirements.

The paper provides a first broad step discussing mitigation strategies collectively, aiming to identify the current state of knowledge and be a beneficial resource for land and wind facility developers and conservationists in understanding mitigating impacts on wildlife. A critical overview of the current state of knowledge helps to better understand the potential and ef­fectiveness of each major mitigation option through empirical evidence, or the lack thereof. The most crucial areas for further investigation have been identified to help continue the development of wind energy while reducing impacts on wildlife. From the remaining uncertainties the conclusion has been drawn that a multifaceted approach is required, combining the potential of macro- and micro-avoidance mitigation measures during the planning, construction and operation of wind farms.

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Abb. 1: Maßnahmen zur Minderung oder Vermeidung der Auswirkungen von WEA auf die wildlebende ­Fauna (verändert nach Gartman et al. 2016).<br />
Mitigation measures for avoiding or minimising wind energy impacts on wildlife (adapted from Gartman et al. 2016).
Abb. 1: Maßnahmen zur Minderung oder Vermeidung der Auswirkungen von WEA auf die wildlebende ­Fauna (verändert nach Gartman et al. 2016).
Mitigation measures for avoiding or minimising wind energy impacts on wildlife (adapted from Gartman et al. 2016).
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1 Einleitung

Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist der Ausbau der Windenergie als Teil der Energiewende eine vielversprechende, aber auch herausfordernde Aufgabe. Bei der Umsetzung gilt das Vorsorgeprinzip, wonach negative Auswirkungen der Windenergiegewinnung auf vulnerable Tiergruppen vermieden, vermindert und ggf. kompensiert werden müssen (Köppel et al. 2014a). Einige Vermeidungsmaßnahmen können sowohl auf landesweiter als auch regionaler Planungsebene herangezogen werden, während andere auf lokaler Ebene arten- und situationsspezifisch Anwendung finden. Bekanntlich stellt die Regionalplanung ein wesentliches Instrument zur Steuerung geeigneter Standorte von WEA dar, während beispielsweise Vergrämungsmaßnahmen auf lokaler Ebene beschrieben werden, um projektspezifische Konflikte mit der Tierwelt vermindern zu können (Mascarenhas et al. 2015). Nachdem viele Jahre vor allem die Auswirkungen der Windenergie auf die wildlebende Fauna untersucht wurden (Schuster et al. 2015), wendet sich die Aufmerksamkeit der internationalen und nationalen Fachgemeinschaft nun vermehrt auch Untersuchungen zur Beschreibung, Implementierung und Wirksamkeit von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen zu (z.B. May et al. 2015).

Deshalb wird im vorliegenden Artikel der aktuelle Stand der Anwendung und, soweit bekannt, der Effektivität von Vermeidungsmaßnahmen bei Auswirkungen von WEA auf die wildlebende Fauna zusammengefasst. Inwieweit die Wirksamkeit der Minderungsmaßnahmen empirisch belegt ist, stellte dabei einen wesentlichen Baustein bei der Literaturrecherche dar. Thematisch konzentriert sich der Überblick hierbei auf aktuelle Forschungsergebnisse zu Vermeidungsmaßnahmen für WEA an Land und auf See für die relevantesten Artengruppen wie Fledermäuse, Greif-, Zug- und Seevögel, marine Säuger sowie Fische und Benthos, soweit bereits untersucht. Der Beitrag zeigt also ebenfalls auf, wo Wissenslücken über die Wirksamkeit der Maßnahmen geschlossen werden sollten. Es handelt sich um die gekürzte und kompakte Wiedergabe einer synoptischen Studie, die international im Journal of Environmental Assessment Policy and Management publiziert wurde (Gartman et al. 2016).

Nach einer kurzen Vorgehensbeschreibung werden die in Abb. 1 vorgestellten Vermeidungsmaßnahmen eingeführt und hinsichtlich der folgenden Fragestellungen diskutiert: Welches Ziel wird mit der spezifischen Maßnahme angestrebt? Welcher Forschungs- und Wissensstand besteht über deren Wirkungsweise?

2 Methode

Um den aktuellen Wissens- und Entwicklungsstand über Vermeidungsmaßnahmen zu erfassen, wurden in einem breit angelegten qualitativen Literaturreview nationale und internationale Forschungsarbeiten zu Vermeidungsmaßnahmen im Bereich Windenergie analysiert. Hierzu wurden Literaturportale wie Web of Science, Science Direct sowie ergänzend Google Scholar und TETHYS ( http://tethys.pnnl.gov/ ) verwendet. Eine spezifische Literaturdatenbank stellt auch WILD ( https://wild.nrel.gov/ ) beim NREL (National Renewable Energy Laboratory) dar. Der Maßnahmenüberblick basiert auf über 150 Dokumenten: von wissenschaftlichen Berichten und Fachartikeln (peer-reviewed-Zeitschriften und Büchern), Leitfäden bis hin zu Beiträgen von internationalen Konferenzen, um die teilweise erhebliche Lücke zwischen der Präsentation von Erkenntnissen und ihrer Publikation zu verkürzen. Die Ausweitung der Literaturrecherche auf graue Literatur und nicht in Fachjournals veröffentlichte Berichte war erforderlich, um umfassende Untersuchungen aus mehrjährigen Forschungsvorhaben (z.B. Hötker et al. 2013b) nicht aus der Synopse auszuschließen. Die Betrachtung konzentriert sich dabei auf Publikationen bis Mitte des Jahres 2015.

Auf Grundlage der erfassten Literatur wurden Kategorien von Maßnahmentypen mit den zugehörigen Vermeidungsmaßnahmen differenziert (Abb. 1). Es wurden Maßnahmen in der Planungsphase, während des Baus und Betriebs sowie ggf. nach Laufzeitende berücksichtigt. In einem zweiten Schritt wurde die Literatur qualitativ zum aktuellen Forschungsstand bezüglich der Erfahrungen und der Wirksamkeit der Maßnahmen ausgewertet.

Ziel dieses Beitrags ist es, einen Überblick über die Maßnahmen zu geben, die im wissenschaftlichen Diskurs untersucht und diskutiert werden. Das schließt Quellen ein, die sehr heterogene Herangehensweisen und Ergebnisse haben. Beispielsweise sind empfehlende Forschungsergebnisse aufgeführt, wenn primär die Auswirkungen von WEA auf eine bestimmte Art bzw. Artengruppe untersucht wurden und infolgedessen lediglich eine Empfehlung einer bestimmten Maßnahme ausgesprochen wird, um die ermittelten Auswirkungen zu vermeiden oder zu reduzieren. Dies bedeutet, dass weder Kenntnisse über die unmittelbaren Auswirkungen der angesprochenen Maßnahmen für die Tierwelt noch empirische Daten über deren Wirksamkeit vorliegen. Ebenso wird Forschung einbezogen, im Rahmen derer die Wirksamkeit von Maßnahmen beobachtet wurde, weil die Ergebnisse tatsächlich die Reaktion von Arten auf eine Vermeidungsmaßnahme dokumentieren. Im Rahmen dieser gekürzten Version von Gartman et al. (2016) wird nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse wiedergegeben; die vollständige Übersicht über die Resultate und Aussagekraft der Quellen lässt sich im open-access-Anhang der Originalarbeit nachlesen. Da die dargestellten Maßnahmen oftmals art- und standortspezifisch und daher nicht per se auf jedes Windenergieprojekt anwendbar sind, bedarf es immer einer Differenzierung im Einzelfall.

3 Ergebnisse

Durch die umfassende Auswertung der Literatur wurde deutlich, dass die Wirksamkeit implementierter Vermeidungsmaßnahmen kaum empirisch belegt ist. Dies ist auf mehrere Gründe zurückzuführen: Einer­seits liegt der Forschungsfokus oftmals noch nicht auf der Maßnahmenwirksamkeit, andererseits werden abweichende Untersuchungsmethoden verwendet, so dass die Ergebnisse häufig schwer vergleichbar sind. Im Folgenden wird versucht, einen synoptischen Überblick über den Forschungsstand zu ausgewählten Vermeidungsmaßnahmen sowie dem dazu vorliegenden Forschungs- und Erfahrungsstand zur Wirksamkeit der Maßnahme für die relevanten Artengruppen zu geben und darauf aufbauend Hinweise anzufügen, in welchen Bereichen besonders evidente Wissenslücken bestehen.

3.1 Standortwahl und räumliche Anordnung (Macro- und Micro-Siting)

Die Standortwahl von Windparks (Macro-Siting) und die räumliche Anordnung (Micro-Siting) von WEA können entscheidend zur Vermeidung negativer Effekte beitragen: Während der Planungsphase können Gebiete mit geringem Raumwiderstand als potenzielle Standorte gewählt (Positivplanung) und besonders sensible Gebiete von der Windenergie restriktiv freigehalten werden (Negativplanung) (Drewitt & Langston 2006). Sicherlich handelt es sich dabei in Deutschland durch die Ausweisung von Windkonzentrationszonen in den Regionalplänen bereits weitgehend um gängige Praxis. WEA-sensible Gebiete, z.B. Nahrungs- und Feuchtgebiete, Rastplätze (Abb. 2), Flugrouten oder Höhenrücken, können u.a. durch die ­Einführung von Zonierungskonzepten, ­Abstandsradien o.ä. dargestellt werden (Drewitt & Langston 2006, LAG VSW 2014, Ledec et al. 2011, TU Berlin et al. 2015).

Eine Untersuchung zu Bart- und Kapgeiern (Gypaetus barbatus und Gyps coprotheres) in Südafrika zeigte z.B., dass das Kollisionsrisiko reduziert wird, wenn Anlagen abseits von Kammlinien errichtet werden, da z.B. Thermiksegler die Aufwinde besonders nutzten (Rushworth & Krüger 2014). Für Fledermäuse wird u.a. auf die Bedeutung von Flussläufen und linearen Strukturen für wandernde Fledermäuse (Microchiroptera) verwiesen (Arnett & Baerwald 2013, Rodrigues et al. 2014). Auch wesentliche Schutzgebietskategorien und qualitativ höherwertige Landschaftselemente können planerisch restriktiv für die Nutzung der Windenergie ausgeschlossen und ergänzend mit einem zusätzlichen Schutzabstand versehen werden (MKULNV & LANUV 2013, Rodrigues et al. 2014, Turvey 2015).

Je geringer die Überlagerung des Aktionsraums eines Individuums bzw. Brutpaares mit dem Windpark ist, desto geringer ist auch das Kollisionsrisiko. Daher werden Abstandsempfehlungen meist auf Basis der artspezifischen Aktionsradien formuliert (so beispielsweise auch die der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, LAG VSW 2014). Folglich können die empfohlenen Mindestabstände zu Brutplätzen und weiteren sensiblen Gebieten räumlich, standortabhängig und vor allem tierartspezifisch stark variieren. Während Mammen et al. (2013) für den Rotmilan (Milvus milvus) Schutzradien von 1250 m empfehlen, folgert der U.S. Fish and Wildlife Service (2012) zu Brutplätzen des gefährdeten Präriehuhns (Tympanuchus cupido) 8000 m Abstand, da auch in diesem Bereich ­Auswirkungen belegt werden konnten (Winder et al. 2015). Gleichzeitig konnten Pfeiffer & Meyburg (2015) Korrelationen zwischen der Größe des Aktionsraums und der Nahrungsverfügbarkeit für den Rot­milan feststellen, so dass Abweichungen im Einzelfall nach oben und unten ziel­führend sein können.

Macro-Siting ist besonders für die Vermeidung von Konflikten von Zugvögeln mit WEA geeignet, welche stark von den Wetterbedingungen und der Topografie in ihrer Flugaktivität beeinflusst werden (z.B. Küstenlinien, Gebirgsketten etc.). Folglich sollten Rastgebiete und Hauptflugkorridore für die Errichtung von WEA ausgeschlossen werden (Liechti et al. 2013). Weitere Instrumente des Macro-Sitings können sogenannte Sensitivitätsraster darstellen (Liechti et al. 2013). Allinson (2015) z.B. entwickelte ein Sensitivity Mapping Tool für die bedeutenden Vogelzugkorridore im Nahen Osten (Israel, Ägypten etc.). Ähnliche Ansätze können in Deutschland im Rahmen der Ausweisung von Windkonzentrationszonen Anwendung finden, um die Gefahr von Kollisionen von Vögeln mit WEA standortspezifisch zu berücksichtigen (Geissler 2013, TU Berlin et al. 2015).

Zur Standortwahl finden sich also viele Empfehlungen, aber wenige Untersuchungen zur Wirksamkeit einer vorsorglichen Flächenauswahl, da diese stark standortabhängig und methodisch isoliert schwer zu erfassen ist (Marques et al. 2014). Auswirkungen von WEA auf die wildlebende Fauna werden bislang folglich vor allem aus grundlegenden Verhaltensweisen der entsprechenden Tierarten abgeleitet (TU Berlin et al. 2015). Tellería (2009) untersuchte so beispielsqweise das Wanderverhalten der Ringeltaube (Columba palumbus) in Spanien in Abhängigkeit zu bestehenden Windparks. Dabei zeigte sich, dass sich 50 % der Tauben in einem 50km breiten Korridor bewegten, in dem kaum WEA errichtet waren. Weitere 30 % der Tauben hielten sich jedoch dort auf, wo viele WEA errichtet worden waren. Hier zeigt sich die Bedeutung von Studien zu Artenvorkommen auf der Populationsebene, zu Habitatnutzung und Flugbewegungen sowie sensiblen topografischen Gebieten, damit diese in der Planung berücksichtigt werden können (Marques et al. 2014).

Derartige Untersuchungen im Vorfeld der Windparkerrichtung erfolgten in den letzten Jahren vor allem zu Offshore-Windparks. Die Festlegung bestimmter Gebiete ist hier schwierig, weil die Verbreitung sensibler Tierarten, ihre Anzahl und das zeitliche Auftreten dynamisch schwanken. Zudem ist die marine Fauna sehr mobil und viele Arten haben eine weite Verbreitung, wie etwa Schweinswale (Phocoenidae). Die Habitatnutzung in europäischen Gewässern wurde z.B. für Seevögel und Zugvögel (u.a. Bellebaum et al. 2010, Drewitt & Langston 2006, Loring et al. 2014), Schweinswale (u.a. Scheidat et al. 2012) sowie Seehunde (Phoca vitulina, u.a. Brasseur et al. 2012) untersucht, um eine Informationsbasis zur Standortwahl zu liefern. Für Wasser- und Zugvögel fordern Hill (2015) und Aumüller et al. (2013) das Freihalten großer Zugkorridore bzw. genügend Abstand zwischen den Windparks. Kubetzki et al. (2011) empfehlen das Freihalten von Küstengewässern und Meerengen, da die Flugintensität von Zugvögeln dort besonders hoch ist. Die oft intensive Begleitforschung bereits der ersten Offshore-Windparks liefert somit wichtige Daten für eine zukünftige Meeresraumplanung.

Die Wahl der räumlichen Anordnung der WEA innerhalb eines Windparks ­(Micro-Siting) kann ebenfalls helfen, Kollisionen anlagenspezifisch zu vermeiden oder zu mindern. Dies wird beispielsweise angestrebt, indem WEA parallel zur Flugrichtung von Vögeln oder in Clustern und Reihen errichtet werden (Drewitt & Langston 2006, Hüppop et al. 2006, ­Larsen & Madsen 2000, Smallwood & Thelander 2005). Eine dichte Aufstellung wird gegenüber weit verteilten Anlagen teilweise bevorzugt (Krone et al. 2014, Smallwood & Thelander 2005), jedoch zuweilen auch kritisch gesehen (May et al. 2015), da die konzentrierten WEA keine bzw. nur eine eingeschränkte Durchlässigkeit erlauben. Larsen & Madsen (2000) zeigten etwa, dass der Meideeffekt von Kurzschnabelgänsen (Anser brachyrhynchus) bei einer Anlagenkonfiguration in Clustern höher ausfiel als bei linear angeordneten Anlagen. Auch die kleinräumige Freihaltung der Standorte am Ende von linearen Strukturen (so z.B. Waldsäume oder Hecken) kann eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz von Vogel- und Fledermausarten sein, da sich diese häufig an topografischen Leitstrukturen orientieren (Drewitt & Langston 2006, Heim et al. 2015, Kelm et al. 2014, Tellería 2009). Eine Platzierung der WEA am Ende dieser Strukturen kann einen sogenannten Trichtereffekt (funnel effect) bewirken, so dass sich die Tiere direkt auf die Anlagen zubewegen (TU Berlin et al. 2015), und sollte folglich vermieden werden.

Ähnlich wie beim Macro-Siting beruhen die meisten Erfahrungen beim Micro-Siting bislang auf Beobachtungen und weniger auf spezifischen Studien. Nach Smallwood & Thelander (2004) sind die für Vögel, z.B. Steinadler (Aquila chrysaetos) und Rotschwanzbussard (Buteo jamaicensis), gefährlichsten Anlagen allein stehende WEA oder solche, die sich am Ende einer An­lagengruppe befinden. Die kleinräumige Optimierung von WEA in Anlagengruppen stellt somit nach Smallwood & Thelander (2004) sowie Rasran et al. (2010) ein geringeres Kollisionsrisiko dar. Auch die Anzahl der WEA im Windpark und dessen Ausdehnung können einen Einfluss auf das Kollisionsrisiko haben. Die Anzahl der Totfunde pro WEA ist nach Rasran & Dürr (2013) umgekehrt proportional zur Windparkgröße. Bei der Datenauswertung regelmäßig kontrollierter Windparks konnten die Autoren so feststellen, dass eine WEA in einem Windpark mit bis zu fünf WEA eine höhere Kollisionsrate aufwies als einzelne Anlagen in einem Windpark mit insgesamt 20 WEA (Rasran & Dürr 2013).

Für Fledermäuse wurde in Alberta (Kanada) eine umfassende Studie durchgeführt, um die Einflüsse von Wetterbedingungen und Anlagenstandort besser zu verstehen. Bezüglich der räumlichen Anordnung war eine Reihenaufstellung nicht entscheidend besser, jedoch variierte die Opferzahl je nach Position, wobei in ankommender Flugrichtung die meisten Schlagopfer gefunden wurden (Baerwald & Barclay 2011). Dies macht die Ableitung von Vermeidungsmaßnahmen allerdings nicht leichter, da einzelne WEA immer am Rande eines Clusters oder einer Reihe positioniert sein werden. Eine Untersuchung zum Vogelzug auf der Insel Fehmarn zeigte, dass einzelne Vögel und kleinere Schwärme den Windpark durchflogen, wenn die Abstände zwischen den Anlagen groß genug waren (BioConsult SH & ARSU 2010). Größere Schwärme meiden Windparks jedoch häufig vollständig, was bei der Planung und Ausrichtung der Anlagen berücksichtigt werden muss und eher für ein deutliches Clustering der Anlagen spricht, da diese dann leichter zu erkennen und zu umfliegen sind (Masden et al. 2012).

3.2 Anlageneigenschaften

Eine Minderung der Auswirkungen von WEA kann mittels einer Anpassung der Anlageneigenschaften erreicht werden. Nicht nur die Wahl des Turmtyps (d.h. Gittermast oder Stahlrohrturm), sondern auch die Höhe einer WEA, die Größe des Rotordurchmessers und die Sichtbarkeit, etwa durch Beleuchtung, sind relevante Anlagenmerkmale. Ob die Anlagenhöhe ein Kollisionsrisiko birgt, ist stark vom artspezifischen Flugverhalten abhängig, so dass höhere Anlagen für einige Arten Vorteile, für andere jedoch Nachteile bringen können.

Grajetzky & Nehls (2013) kommen zu dem Schluss, dass die gestiegene Anlagenhöhe das Kollisionsrisiko für einige Vogelarten verringern kann. Insbesondere für die Wiesenweihe (Circus pygargus) sind demzufolge höhere Anlagen sicherer, weil ihre Flugbewegungen größtenteils unterhalb von 50 m, d.h. unterhalb des Rotorbereichs, liegen. Währenddessen zeigen Studien von Lucas et al. (2008) und Hötker et al. (2013b) für Greif- und Großvögel an WEA mit Nabenhöhen zwischen 10 und 14m, dass das Kollisionsrisiko mit zunehmenden Anlagendimensionen steigen kann. Die Betrachtung der Schlagopferzahlen in Abhängigkeit der installierten Leistung (Krijgsveld et al. 2009, Rasran & Dürr 2013) weist darauf hin, dass modernere Anlagen gleiche (Krijgsveld et al. 2009) bzw. geringere (Rasran & Dürr 2013) Kollisionsrelevanz für Vögel als ältere, niedrigere WEA haben. Demgegenüber zeigt die Studie von Grajetzky & Nehls (2013), dass das Kollisionsrisiko insbesondere für Thermiksegler (so z.B. Bussarde [Buteo] oder Milane [Milvus]) mit zunehmender Anlagenhöhe über 100 m steigen kann. Auch Rasran & Dürr (2014) zeigen mit einer Analyse der Datensätze aus der Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg eine gesteigerte Kollisionswahrscheinlichkeit für Greifvögel (Accipitriformes) an steigenden Naben­höhen. Systematische Langzeituntersuchungen zu den Auswirkungen von An­lagen neuerer Dimensionen im Vergleich zu Altanlagen stehen allerdings noch weitgehend aus.

Mit zunehmender Nabenhöhe steigt i.d.R. an Anlagen neuerer Bauweise der Rotordurchmesser, so dass der rotorfreie Bereich nicht unmittelbar zunimmt (Grajetzky & Nehls 2013, Lucas et al. 2008, Mammen et al. 2013, Rasran & Dürr 2013). Das Gefährdungspotenzial beispielsweise für den Rotmilan könnte jedoch potenziell durch eine Vergrößerung des rotorfreien Bereichs gesenkt werden, da sich Anlagen mit geringerem Abstand zwischen unterer Rotorspitze und dem Boden als problematischere Anlagen erwiesen (Zeller et al. 2007b). Einige Vogelarten könnten folglich leichter unterhalb des Rotorbereichs fliegen und sich aufgrund des größeren Abstands zwischen den einzelnen WEA leichter durch den Windpark be­wegen.

Auch an Offshore-Windparks wurden Untersuchungen zum Flugverhalten von Seevögeln in Korrelation zur Nabenhöhe durchgeführt. Johnston et al. (2014) zeigen, dass größere und dafür weniger Anlagen geeignet sein können, die Zahl der Vögel im Risikobereich zu vermindern. Viele Zugvögel fliegen unter guten Bedingungen häufig auch weit oberhalb der WEA – in 400 m Höhe bei Gegenwind und in bis zu 1000 m Höhe bei Rückenwind (Bellebaum et al. 2010).

Auch Studien zu Auswirkungen von WEA auf die Fledermausfauna mögen nahelegen, dass niedrigere WEA Vorteile zur Minderung von Kollisionen haben können (Arnett et al. 2008, Barclay et al. 2007, Northrup & Wittemyer 2013). Da in diesen Untersuchungen jedoch vergleichsweise niedrige, weniger leistungsfähigere WEA (Gesamthöhen von 37–65m) im nordamerikanischen Raum betrachtet wurden, lassen die Ergebnisse keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Auswirkungen moderner WEA (mit Nabenhöhen über 116m) in anderen Luft- und Naturräumen zu. Dabei ist zu beachten, dass aktuelle Anlagen also mehr als doppelt so große Dimensionen haben können wie in den nordamerikanischen Studien, so dass die Gefahr für Fledermäuse neu bewertet werden sollte. Die einzige Untersuchung aus dem deutschsprachigen Raum analysierte die Schlagopferzahlen von Fledermäusen an WEA mit Gesamthöhen zwischen 59 und 149m (Zeller et al. 2007a). Die höchsten Mortalitätsraten konnten von den Autoren an WEA mit einer Gesamt­höhe von 111–120 m und einem Rotordurchmesser von 61– 70 m festgestellt werden. Die meisten Schlagopfer wurden an WEA mit geringem rotorfreien Bereich gefunden, d.h. einem geringen Abstand zwischen unterer Rotorblattspitze und Boden. Ähnlich wie bei Vogelarten scheint sich auch bei Fledermäusen die Größe des rotorfreien Bereichs als ausschlaggebender Parameter herauszustellen (TU Berlin et al. 2015).

Ein weiterer Maßnahmentyp ist die verbesserte Sichtbarkeit der WEA für Vögel, da auch die Art und die Intensität der Befeuerung einer Anlage (s. Abschnitt 3.4) sowie die farbliche Hinderniskennzeichnung Auswirkungen auf das Kollisionsrisiko haben können. Allerdings fehlt es weitgehend an wissenschaftlichen Belegen z.B. zum effizienten Einsatz von Mustern oder Farben an WEA, um die Avifauna von WEA fernzuhalten. Diskutiert wurden bereits unterschiedliche Schwarz-weiß-Muster an den Rotorblättern (Hodos 2003, Hodos et al. 2001), stark kontrastierende Muster (Dai et al. 2015, Drewitt & Langston 2006) und UV-reflektierende Farbe (Cook et al. 2011, Curry & Kerlinger 2000, Johnson et al. 2007, Young et al. 2003). Young et al. (2003) beobachteten jedoch keinen signifikanten Unterschied bei Anlagen mit und ohne UV-Anstrich, so dass die Wirksamkeit bislang ungeklärt ist.

In Deutschland geht Dürr (2011) von einem erhöhten Kollisionsrisiko für Hühnervögel (Galliformes) und Kleinvögel am Mastfuß aus. Die nicht-systematisch erfassten Datensätze (2001–2013) aus der Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg zeigen eine höhere Kollisionsrate an weißen als an farblich abgesetzten (z.B. grün angestrichenen) Masten (Abb. 3). Die Farbe der unteren Turmsegmente kann also relevant sein, insbesondere für Wiesenbrüter, die beim Auffliegen die hellen Anlagen nicht als Hindernis wahrnehmen oder sogar häufig in Richtung hellerer Strukturen fliegen (Dürr 2011). Empirische Daten über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen sind weiterhin erforderlich.

3.3 Vermeidung während der ­Bauphase

Die Errichtung und der Transport der Anlagenteile führen i.d.R. zu Lärmimmissionen und Flächeninanspruchnahme sowie zur Störung oder zumindest temporären Verdrängung von Arten. Vorbeugende Maßnahmen sind beispielsweise Bauzeitenbeschränkungen (Drewitt & Langston 2006) oder die Errichtung von temporären Sichtschutzzäunen für Offenlandarten (Pearce-Higgins et al. 2012).

Vogelpopulationen in der Nähe von 18 Windparks in Großbritannien waren während der Bauphase z.T. nachhaltig betroffen, da sie durch die Störung aus ihrem ursprünglichen Habitat verdrängt wurden. Insbesondere die Brutzeit sollte folglich als Bauzeit gemieden werden (Pearce-Higgins et al. 2012). Für den Bau eines Windparks in Wales (Großbritannien) wurde zur Vermeidung von Störungen der Nachtschwalben (Caprimulgidae) u.a. mit Hilfe von Telemetrie ein standortspezifisches Maßnahmenkonzept entwickelt (Shewring et al. 2015). Es definierte die lokalisierten Brutstandorte als Ausschlusszonen und konnte daher während der Bauzeit zur Vermeidung von Störungen und Gelegeschäden beitragen. Auch für Fledermäuse liegen Leitfäden wie von EUROBATS vor (Rodrigues et al. 2014), die Empfehlungen für Bauzeitenbeschränkungen während der aktiven Zeiten und des Winterschlafs umfassen. Sollten Niststätten verloren gehen oder während der Bauzeit nicht genutzt werden können, sind alternative Niststätten einzurichten (Rodrigues et al. 2006).

Für die marine Fauna zeigen Forschungsergebnisse, dass während der Bauphase von Offshore-Windparks aufgrund der Pfahlrammarbeiten in den Meeresboden die Auswirkungen am erheblichsten sind (Scheidat et al. 2011, Russell et al. 2015, Verfuss 2014). Für den Schutz von Meeressäugern kommen einerseits primäre (Vergrämungs-)Maßnahmen (beispielsweise das sogenannte soft-start-Verfahren, Bergström et al. 2014, Lucke et al. 2011) und Befahrungsverbote für bestimmte Gebiete (Simmonds & Brown 2010), jedoch auch sekundäre Maßnahmen wie die Errichtung von Lärmbarrieren (z.B. Blasenschleier, Bellmann et al. 2015) zum Einsatz. Das BMUB hat ein Schallschutzkonzept zum Schutz der Schweinswale ent­wickelt, das Maßnahmen zur Vermeidung der Zugriffsverbote nach § 44 BNatSchG (Tötung und Störung) umfasst. Es ist demnach beispielsweise untersagt, in der sensiblen Aufzuchtzeit von Mai bis August zu bauen. Auch außerhalb dieser Zeit muss eine Schallschutzzone eingerichtet werden und es dürfen sich maximal 10 % der Fläche der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) innerhalb der Störradien von in Errichtung befindlichen Windparks befinden (BMUB 2013).

Als primäre Schallschutzmaßnahmen sind verschiedene Methoden im Einsatz, beispielsweise das soft-start-Verfahren. Hierbei beginnen die Rammarbeiten mit verminderter Schlagenergie, so dass die Geräuschintensität langsam zunimmt, um den marinen Säugern Zeit zu geben, das Gebiet zu verlassen (Bailey et al. 2014, Teilmann & Carstensen 2012, Tougaard et al. 2012). Russell et al. (2015) beobachteten jedoch auch eine Verzögerung der Flucht von Seehunden (Phoca vitulina), so dass die Maßnahme nicht hinreichend wirksam werden konnte. Weiter kann durch das Einlegen einer elastischen Zwischenlage (etwa eines Stahlseils) eine Impulsdauerverlängerung (d.h. Verlängerung der Kontaktzeit zwischen hydraulischem Hammer und Gründungspfahl) erzeugt werden (Verfuss 2014), wodurch geringere Energiespitzen des Schlagimpulses bewirkt werden (BMUB 2013).

Empfohlen wird auch die Unterstützung der Schallschutzmaßnahmen mittels passiver akustischer Überwachung oder Meeresbiologen und -beobachtern (Bailey et al. 2014, Thompson et al. 2010), die die Tiere in Echtzeit erfassen und den Betreiber alarmieren können. Ein Beispiel passiver akustischer Methoden ist die Anwendung von funkbasierten WDS- (wireless detection system) Bojen vor Beginn der lärmintensiven Bauphase zur Erfassung und Vergrämung von Schweinswalen in Echtzeit (Höschle et al. 2015). Als Alternative zur ­hy­draulischen Rammtechnologie können zu Beginn der Rammarbeiten auch Schwinghammer eingesetzt werden, um den Fundamentpfahl (Monopile mit einem Durchmesser von bis zu 6,5 m) bis zu 30 m in den Meeresboden zu vibrieren, bevor ein hy­draulischer Hammer eingesetzt wird (Verfuss 2014).

Weiter helfen sekundäre Lärmschutztechnologien, die Lärmauswirkungen direkt am Rammpfahl zu reduzieren. Hierzu zählen der große und kleine Blasenschleier (big and small bubble curtains), Hydroschalldämpfer (d.h. über den Rammpfahl gestülpte und bis zum Meeresboden abgesenkte mit Luft gefüllte ballonförmige Körper mit dünner, hochelastischer Hülle; BMUB 2013), Hüllrohre (z.B. doppel- oder einwandige Schallschutzrohre) und Kofferdamm-Applikationen (Bellmann et al. 2015, Verfuss 2014). Zahlreiche Untersuchungen belegen die Effektivität des Blasenschleiers (Koschinski & Lüdemann 2013, Lucke et al. 2011, Matuschek & Betke 2009, Schubert et al. 2015, Wilke et al. 2012). So zeigten bspw. Schubert et al. (2015), dass ein großer Blasenschleier den Störbereich um 90 % reduziert, von 700km2 auf nur 70km2. Bellmann et al. (2015) und Philipp (2015) untersuchten die Effektivität der verschiedenen Technologien und fanden heraus, dass die Kombination eines doppelwandigen Schallschutzmantels (IHC Noise Mitigation System und BeKa-Schale) mit einem großen Blasenschleier am wirkungsvollsten ist. Für andere marine Tiergruppen fehlt es demgegenüber weitgehend an spezifischen Vermeidungsstudien, nicht zuletzt weil auch positive Effekte (z.B. der künstliche Riffeffekt, artifical reef) für Fische angenommen werden (vgl. Bauer & Köppel 2017, in diesem Heft).

Ein vordringlich zu beachtender Punkt bleibt die Vermeidung von kumulativen Auswirkungen auf Meerestiere, da vor allem beim Bau mehrerer Windparks durch die Rammarbeiten kumuliert Lärmimmissionen auftreten können, welche für die Meeresorganismen stark gehörschädigend sein können (Pine et al. 2014, van Opzeeland 2014). Hier könnten Minderungsmaßnahmen verbessert umgesetzt werden, doch fehlen immer noch einheitliche EU-Standards für Lärmminderungsmaß­nahmen beim Bau von Windparks auf See (Müller & Zerbs 2013).

3.4 Vermeidung von Anlockung

Vermeidungsmaßnahmen können auch das Ziel haben, Arten von WEA fern zu halten, um ein Kollisionsrisiko mit den Rotorblättern zu vermeiden. Eine zeitlich und räumlich koordinierte Flächenbewirtschaftung zur Minderung der Nahrungsverfügbarkeit sowie eine Anpassung der Befeuerungsintensität und -farbe an WEA können dazu beitragen (TU Berlin et al. 2015). Bei der Flächenbewirtschaftung ist es wichtig, zwischen Maßnahmen zu unterscheiden, die entweder den Raum unterhalb der Anlage und der Rotorblätter oder das umgebende Habitat adressieren (TU Berlin et al. 2015). Die Maßnahmen sind am effektivsten, wenn das Verhalten und die Verbreitung, etwa auch von Zugvögeln, besser bekannt ist (Liechti et al. 2013).

Zur Vermeidung des Kollisionsrisikos des Rotmilans mit WEA zeigte eine Untersuchung von Mammen et al. (2014), dass die Vegetation in der Umgebung brach bleiben (d.h. kein Anbau von Kulturpflanzen) und landwirtschaftliche Tätigkeiten wie Mahd oder Umbruch bis Mitte Juli ausbleiben sollten, um die Attraktivität des Gebietes zu senken. Rotmilane suchen gezielt Flächen auf, auf denen sie Nahrung erwarten (TU Berlin et al. 2015), wie bewirtschaftete oder frisch umgebrochene Ackerflächen. Hierzu sollten Absprachen mit Landwirten getroffen werden, um z.B. den Anbau von attraktiven Kulturen im direkten Anlagenumfeld zu vermeiden (TU Berlin et al. 2015). Zum Schutz der Wiesenweihe sprechen sich Grajetzky & Nehls (2013) gegen den Anbau von Wintergerste und Weizen in der unmittelbaren Umgebung von WEA aus, da die Autoren eine tendenzielle Präferenz der Wiesenweihe für diese Kulturen zeigen konnten. Weiter empfehlen Hötker et al. (2013a), mit Ernte oder Mahd im Windpark erst dann zu beginnen, wenn bereits andere Flächen im Umland abgeerntet wurden, so dass Greifvögel auf diese Flächen abgelenkt werden. Auch die Beseitigung künstlicher Steinhaufen (Smallwood & Neher 2009) sowie die dichte Bepflanzung der unmittelbaren Umgebung der WEA (Cordeiro et al. 2013) können das direkte Anlagenumfeld unattraktiv für Greifvögel machen, da sie die Ansiedelung von Beutetieren mindern und die Fläche für Prädatoren schlechter einsehbar machen. Hier stellt sich dennoch die Frage, ob diese Maßnahmen weitere Eingriffe darstellen und folglich einer gesonderten Betrachtung be­dürfen.

Daneben kann die Befeuerung einer Anlage insbesondere Vögel anlocken (offshore) oder vergrämen bzw. zu ihrer Desorientierung beitragen. Zur Minderung des Kollisionsrisikos wird daher empfohlen, permanente rote Befeuerung zu entfernen (Gehring et al. 2009 für Sendemasten) und auf stroboskopische Beleuchtung (Blitzleuchten) zu verzichten (Johnson et al. 2007). Kerlinger et al. (2010) zeigten, dass permanentes rotes Licht an WEA Zugvögel anzieht, pulsierendes jedoch nicht. Da nachts ziehende Vögel besonders von rotem Licht angezogen werden, empfehlen einige Autoren die Intensitätsminderung von rot pulsierendem Licht (Hötker et al. 2005, Johnson et al. 2007, Manville 2005, U.S. Fish and Wildlife Service 2012). Hierbei empfehlen sich relativ kurze Leuchtphasen und lange Dunkelintervalle (Arizona Game and Fish Department 2009, U.S. Fish and Wildlife Service 2012), da pulsierendes (d.h. unterbrochenes) Licht es Vögeln ermöglicht, sich vom Lichtstrahl zu lösen (Ballasus et al. 2009).

Für Fledermäuse gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kolli­sionsraten an WEA mit und ohne Beleuchtung (Bennett & Hale 2014, Erickson et al. 2004, Fiedler et al. 2007, Johnson et al. 2004), jedoch kann eine indirekte Korrelation zwischen nächtlicher Befeuerung der WEA und dem Kollisionsrisiko für Fledermäuse nicht ausgeschlossen werden (Schuster et al. 2015): Wirbellose Beutetiere können von Lichtquellen angelockt werden, wodurch dieses verbesserte Nahrungsangebot die Attraktivität der Anlage für Fledermäuse und damit das Konfliktpotenzial insgesamt erhöhen kann (Arizona Game and Fish Department 2009, Cryan & Barclay 2009, Horn et al. 2008).

Die vorliegenden Studien liefern folglich kein eindeutiges Ergebnis, es kann jedoch zusammengefasst werden, dass künstliche Lichtquellen an WEA eine Gefahr für Vögel und Fledermäuse darstellen und die Beleuchtungsintensität folglich reduziert werden sollte (Ballasus et al. 2009). Allerdings müssen bei einer Veränderung der Beleuchtungsintensität die Vorschriften zur Luftfahrtsicherung und für die Sicherheit in der Schifffahrt beachtet werden.

Der Einfluss der Beleuchtung von Offshore-Windparks auf das Zug- und Seevogelverhalten ist derzeit noch wenig gesichert bekannt; beispielsweise zu der Frage, ob die Anlagen dadurch als Hindernis wahrgenommen und umflogen werden, ob und inwiefern die Tiere orientierungslos oder vom Licht gebannt werden oder ob sie angezogen werden und auf den Anlagen landen (Blew et al. 2013b, Hüppop et al. 2006, Johnson et al. 2007). Hötker (2006) empfiehlt, die pulsierenden roten Warnleuchten auf ein Minimum zu reduzieren und die Intervalle zu vergrößern. Poot et al. (2008) haben den Einfluss nächtlicher Beleuchtung auf Zugvögel untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass rotes und weißes Licht in über 50 % der Fälle zu Desorientierung und Anziehung der Vögel führt. Es wird daher empfohlen so wenig Beleuchtung (Dauer und Intensität) wie möglich einzusetzen und ggf. auf bedarfsgerechte Befeuerung zurückzugreifen (Blew et al. 2013b), die an Land bereits zur Akzeptanzsteigerung eingesetzt wird (Herrholz 2015).

Maßnahmen zur Attraktivitätssenkung von WEA bieten ein nennenswertes Anwendungspotenzial, welches zunehmend erprobt und insbesondere zum Schutz von (Greif-)Vögeln bereits angewandt wird. Dennoch widersprechen sich z.T. die Erkenntnisse aus den Studien untereinander und es ist wenig über den Einfluss weiterer Faktoren (z.B. Sicht- und Witterungsverhältnisse) auf die Kollisionswahrscheinlichkeit von Vögeln bekannt (vgl. z.B. Kerns & Kerlinger 2004, Poot et al. 2008). Folglich bedarf es weiterer Forschung der Kollisionsumstände von Vögeln und Fledermäusen an WEA.

3.5 Weglockung

Eine Weglockung empfindlicher Arten von WEA kann mittels eines abgestimmten Habitatmanagements abseits der WEA angestrebt werden. Beispiele hierfür sind die Schaffung von Teichgewässern für Fledermäuse (Peste et al. 2015), die Erhöhung von Beute oder Nahrungsressourcen außerhalb des Windparks und der durch eine WEA betroffenen Umgebung (Paula et al. 2011), entsprechende Bewirtschaftungsvereinbarungen für benachbarte landwirtschaftliche Nutzflächen oder gar durch den Anbau attraktiver Kulturen (Mammen et al. 2014), um Vögel aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu locken.

Solche Maßnahmen können mit der Attraktivitätssenkung der WEA einhergehen und wurden bislang vornehmlich für Greifvögel formuliert (Mammen et al. 2011, Paula et al. 2011, Robson 2011, Walker et al. 2005). Ein Ersatz des Habitats kann mit der Schaffung von Nist- und Schlafplätzen einhergehen oder wird andernorts mittels Fütterungsstationen vornehmlich für aasfressende Vögel erfolgreich praktiziert, wie die sogenannten „Geier-Restaurants“ in den USA (Cortés-Avizanda et al. 2010) und Spanien (Camiña 2011a, Camiña 2011b). Für den Rotmilan wurden in Deutschland eingezäunte Fütterungsgebiete empfohlen (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 2014). Ausgleichsflächen, die bessere Nahrungsmöglichkeiten oder Jagdhabitate bieten, werden in der Praxis häufig angewendet; nähere Untersuchungen müssen die Effektivität der Maßnahme jedoch noch belegen. Für Fledermäuse wird die Kompensation in Form von Brachen für Langohrfledermäuse (Plecotus) und Mausohren (Myotis) sowie Heckenreihen für Zwergfledermäuse (Pipistrellus), Breitflügelfledermäuse (Eptesicus) sowie Abendsegler (Nyctalus) als neue Jagdhabitate, insbesondere in landwirtschaftlich geprägten Gebieten, von Millon et al. (2015) als erfolgreich beschrieben. Deutlich häufiger sind Fledermauskästen anzutreffen (Peste et al. 2015).

Da Weglockungsmaßnahmen immer art- und habitatspezifisch formuliert werden müssen, sollte von Beginn der Planung an ein Konzept zum Habitatmanagement aufgestellt werden. Es ist dabei bedeutend, dass sich die Aufwertung und der Ersatz von Habitaten auf beide Maßnahmentypen, einerseits die Verbesserung von Jagdhabitaten und andererseits das Management von Beutepopulationen, konzentrieren sollten (Paula 2015). Lokales Wissen und vor Ort agierende Interessensvertreter sind bei der Aufstellung von geeigneten Maßnahmen mit einzubeziehen und ein Adaptive Management zur stetigen Anpassung an auftretende Konflikte mit dem Artenschutz einzusetzen (Paula 2015).

Offshore konzentriert sich die Dar­stellung von Habitataufwertung auf den Bereich der Anlagenfundamente. Pearce et al. (2014) zeigten in ihrer Unter­suchung, dass Windparks durch die Riffbildung am Mastfuß sich quasi zu marinen Schutz­gebieten entwickeln können. Durch die erhöhte Nahrungsverfügbarkeit und den verringerten Schiffsverkehr konnte außerdem in einzelnen Studien ein er­höhtes Vorkommen von Fischen und Benthos (Reubens et al. 2011a) sowie von marinen Säugetieren wie dem Schweinswal (Scheidat et al. 2011) nachgewiesen werden. Allerdings sind hier eine Reihe sekundärer und überlagernder Effekte zu beachten, so fehlt es insbesondere an hinreichend langen Untersuchungsreihen, um etwa schon gesichert von künstlichen Riffen (artifical reefs) als Ausgleichs- oder Kompensationsmaßnahmen sprechen zu können (vgl. Bauer & Köppel 2017, in diesem Heft).

3.6 Vergrämung

Die Vergrämung von Fledermäusen und Vögeln, die einer WEA zu nahe kommen und damit kollisionsgefährdet sind, kann grundsätzlich mittels akustischer Signale, elektromagnetischer Felder oder visueller Impulse erfolgen. Zu den Maßnahmen liegen nur wenige, sehr unterschiedlich umfassende Untersuchungsergebnisse vor, die in einzelnen Pilotvorhaben allerdings zeigen, dass die Mortalität durch Vergrämung gesenkt werden kann. An den Einsatz von Vergrämungsmaßnahmen sind jedoch sehr hohe Anforderungen zu stellen, damit betroffene Tiergruppen und -arten dabei nicht geschädigt werden und auch keine unerwünschten Nebeneffekte für Menschen auftreten. Letztlich gilt es zu klären, inwiefern Vergrämungsmaßnahmen tatsächlich einen neuen Störtatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellen bzw. ob das Vergrämen sonst möglichen Kollisionen von Individuen nicht letztlich vorgezogen werden sollte.

Zunächst kann akustische Vergrämung unter der Voraussetzung, dass kurze Lärm­intervalle implementiert werden, besonders für Vögel wirkungsvoll sein: Hörbare, insbesondere bio-akustische Vergrämungsgeräusche z.B. durch Warnrufe wurden bereits als effektiv eingestuft (Gilsdorf et al. 2002, May et al. 2015). Indessen gilt die Reaktion von Vögeln auf künstliche Knallgeräusche, so z.B. durch Pyrotechnik, Munition o.ä. sowie auf Ultraschall als unsicherer (Bishop et al. 2003, Gilsdorf et al. 2002). Auch das Ausmaß der Gewöhnung der Vögel an das akustische Signal ist noch nicht abschließend untersucht (May et al. 2015).

Für die Vergrämung von Fledermäusen scheint nach ersten Erkenntnissen aus den USA der Einsatz von Ultraschall geeignet; es besteht aber weiterhin Entwicklungsbedarf bzgl. der Ausweitung der räumlichen Reichweite der Technologien (angepasst an steigende Rotordurchmesser) und der serienmäßigen Anwendung (Arnett et al. 2013b, Arnett 2015, Hein 2014).

Die Nutzung von elektromagnetischen Feldern scheint zwar auch Vergrämungseffekte auf jagende Fledermäuse zu haben, doch aufgrund gesundheitlicher Risiken, insbesondere Hyperthermie, Stress und der Maskierung der Echoortung für Fledermäuse (Nicholls & Racey 2009), sowie weiterer Risiken für die menschliche Gesundheit und andere wildlebende Fauna wird von diesem Ansatz abgeraten (Harris & Davis 1998, May et al. 2015, Voigt et al. 2015). Auch eine visuelle Vergrämung mittels pulsierenden, stroboskopischen Lichtern oder Suchscheinwerfern ist bisweilen kaum untersucht (lediglich in Bezug auf Flughäfen) und kann im Sinne seiner Wirkung temporär nachteilige Auswirkungen wie Blendeffekte und Desorientierung für Vögel zur Folge haben (Harris & Davis 1998).

3.7 Betriebsregulierung

Die Betriebsregulierung von WEA in Form von Abschaltungen während bestimmter Risikozeiträume gilt für gefährdete Arten unstrittig als besonders wirkungsvoll. Das kurzzeitige Stilllegen einer WEA aufgrund von verhaltensbiologisch naheliegenden oder ermittelten Aktivitätsschwerpunkten von Arten kann eine Kollision mit den Rotorblättern verhindern. Es gibt verschiedene Herangehensweisen, um diese Zeiträume zu ermitteln: Zunächst kann eine Abschaltung dabei etwa einem saisonal- oder witterungsbedingt hohen Artenvorkommen folgen (Behr et al. 2011b, Hein 2014, Hüppop et al. 2006, Manville 2005, Liechti et al. 2013,). Darüber hinaus kann diese Art der Betriebsregulierung (shut-down on demand) bei tatsächlicher Anwesenheit und Gefährdung einzelner Individuen oder aber als Folge eines anthropogenen Einflusses, z.B. Mahdereignis und erhöhte (Greif-)Vogelaktivität, Anwendung finden.

Insgesamt gilt, dass sich Abschaltungen für jede Region – auch Offshore – und insbesondere zu Zeiten von Massenzugbewegungen [z.B. Zugereignisse von Kranichvögeln (Gruiformes) im Frühjahr und Herbst] eignen. Allerdings erfordert dies verstärkten Forschungsbedarf hinsichtlich des Verhaltens von Zugvögeln gegenüber WEA Offshore und für Zugkorridore an Land. Zugvögel passen sich in ihrem Verhalten den Witterungsbedingungen an und ziehen an nur wenigen Tagen oder Nächten im Jahr (Aschwanden et al. 2013), so dass ein Abschalten zu diesen Zeiten die Kollisionsgefahr deutlich verringern könnte (Liechti et al. 2013). Darüber hinaus fehlen Studien über die jeweiligen Ertragseinbußen, lediglich Faustzahlen und Schätzungen für Einzelfälle liegen vor.

Es liegen zahlreiche Forschungsergebnisse zur Entwicklung von Abschaltalgorithmen für Fledermäuse vor (Abb. 4), etwa ausgehend von jahreszeitlicher Aktivität (Behr et al. 2011a, Hurst et al. 2013), Temperatur (Arnett et al. 2006), Windgeschwindigkeit (Voigt et al. 2015) oder Luftfeuchtigkeit (Behr et al. 2011a). In Deutschland werden auf Basis von Brinkmann et al. (2011) in den meisten artenschutzbezogenen Windenergieleitfäden Abschaltzeiten empfohlen. Die praktische Anwendung reicht über das gesamte Bundesgebiet und wird inzwischen weitgehend praktiziert (Abb. 5). Die Abschaltzeiten reichen i.d.R. von April bis Oktober von 1h vor Sonnenuntergang bis -aufgang bei ­einer Windgeschwindigkeit <6m/s (Hurst et al. 2015, TU Berlin et al. 2015).

Andere, v.a. US-amerikanische Praktiken arbeiten mit einer Erhöhung der Anlaufwindgeschwindigkeit (cut-in speed) von WEA sowie einer Blattwinkelverstellung (pitchen). Mit dem pitchen kann neben der mechanischen oder elektrischen Abschaltung der WEA auch durch eine Verdrehung des Rotorblatts um seine Längsachse der Anstellwinkel und damit eine Verringerung der Antriebskräfte erzielt werden (Gasch & Twele 2016), so dass ein Anlagenstopp erfolgt. Anlagen, die erst bei einer höheren Windgeschwindigkeit [d.h. Windgeschwindigkeiten >5m/s nach Arnett et al. (2011b) bzw. 5,5m/s bei Baerwald & ­Barclay (2009)] anlaufen, führen nachweislich zu einer signifikanten Minderung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen (Arnett 2015, Arnett et al. 2011b, Behr et al. 2011a, Hurst et al. 2013). Eine Erhöhung der Anlaufwindgeschwindigkeit auf >6m/s konnte die Fledermaus-Schlagopferzahl um 60–80 % reduzieren ­(Arnett et al. 2013a, Baerwald et al. 2009), da Fledermäuse unterhalb der Schwelle von 6m/s auf Gondelhöhe deutlich aktiver sind (Hein 2014, Manville 2005). Zur Vermeidung durch größere Anlaufwindgeschwindigkeiten liegen bereits über zehn empirisch belegte Studien vor (u.a. Arnett et al. 2011b, Hein 2014, Lagrange et al. 2013), die alle eine Reduzierung der Mortalitätsrate um etwa 50 % nachweisen, wenn die Anlaufwindgeschwindigkeit 1,5–3,0 m/s über der üblichen (von 3,5–4,0 m/s) liegt (Arnett et al. 2013a).

Betriebsregulierungen für Greifvögel wurden z.B. in Tarifa (Spanien) entlang der Zugroute über Gibraltar untersucht, an der an einer engen Stelle des Vogelzugkorridors WEA errichtet worden waren. Es wurden Abschaltungen zu bestimmten Zeiten und an einzelnen besonders auf­fälligen WEA vorgenommen, was die Mortalitätsrate gegenüber dem Vergleichsjahr um mehr als 50 % reduzierte (Lucas et al. 2012a).

Für shut-down on demand gibt es bereits verschiedene Technologien wie SCADA/DeTect für Vögel (Davenport et al. 2011) und DTBird für Vögel und Fledermäuse (Riopérez & Puente 2013), wobei jedoch in Deutschland bislang kein nennenswerter Einsatz zu verzeichnen ist. Diese Kontrolltechnologien erfassen Tiere in Echtzeit über Radargeräte oder Kameras und können einen Abschaltvorgang (ebenfalls in Echtzeit) auslösen. Bekannt sind ermutigende, internationale Berichte von shut-down on demand Erprobungen: Tomé et al. (2015) erzielten dabei für ziehende Geierarten (Accipitridae) und Schwarzstörche (Ciconia nigra) in Portugal nicht nur komplette Erfolge zur Vermeidung von Kollisionsopfern, sondern konnte auch zeigen, wie in den Jahren der (radargestützten und visuellen) Erprobung die Reaktions- und Abschaltzeiten und somit Stromerzeugungsverluste der WEA auf ein sehr geringes Maß reduziert werden konnten. Ein weiteres Beispiel aus der Region Gabal el Zait an der Westküste des Golfs von Suez (Ägypten) zeigt die Planung und Installation eines 200-MW-Windparks, der mithilfe eines radargestützten Kontroll­systems zur Identifikation von sensiblen (Zug-)Vögeln sowie ggf. Abschaltung individueller WEA umweltverträglich betrieben werden soll ( http://www.kfw.de/nachhaltigkeit/News/News-Details_337152.html ). Da diese innovativen Technologien noch relativ jung sind und bisher primär große Objekte erkennen können, bedarf es weiterer Forschung, um sie für den breiten Markt und ggf. auch für weitere Arten einsetzbar zu machen. Aktuell wurde beispielsweise ein Evaluationsvorhaben zur Wirksamkeit der DTBird-Technologien zur Detektion und Kollisionsrisikosenkung von Adlerarten (Aquilinae) in den USA be­willigt.

Während und unmittelbar nach landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen werden diverse Vogelarten durch die verbesserte Sicht auf Beutetiere auf die entsprechenden Flächen gelockt (Hötker et al. 2013b, Trierweiler 2010). Um dem dadurch entstandenen erhöhten Kollisionsrisiko entgegenzuwirken, können die WEA in den betroffenen Zeiträumen abgestellt werden. Diese Herangehensweise wird in Deutschland bereits in Einzelfällen angewandt (TU Berlin et al. 2015). Die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen und Publikationen sowie die darauf folgende breite Anwendung der Abschaltalgorithmen zeigen das Potenzial dieser Vermeidungsmaßnahme. Nun fehlen vor allem noch Belege über die (wirtschaftlichen) Ertragseinbußen, um womöglich auch Orientierungen zur Zumutbarkeit sondieren zu können.

3.8 Repowering und Rückbau

Innovative und stetig effizientere Technologien in der Windenergieindustrie haben zu einer nennenswerten Vergrößerung des Rotordurchmessers und der Nabenhöhe geführt (durchschnittliche Rotordurchmesser von 105m und Nabenhöhe von 123m in Deutschland, Deutsche WindGuard GmbH 2016). Durchschnittlich war 2014 der deutsche WEA-Bestand zehn Jahre in Betrieb, so dass das Thema Repowering jetzt erst durch den Rückbau der ersten Anlagengeneration in größerem Ausmaß relevant wird (FA Wind 2016b). Für den Anlagenbetreiber ist das Repowering v.a. mit einer erhöhten Stromerzeugung und Effektivität von WEA verbunden, da größere Anlagen auch bei schlechteren Windbedingungen mehr Strom generieren. Doch auch für den Artenschutz eröffnet sich die Möglichkeit, dass die Anzahl der WEA reduziert sowie durch eine dann verbesserte Standort- und Anlagenplatzierung die Mortalität vieler Arten gesenkt werden kann (Smallwood 2015, Turvey 2015). Neuere Studien aus dem nordamerikanischen Raum zeigen eine Reduzierung der Schlagopferraten um ca. 80–90 % an repowerten Anlagen im Altamont Pass Windpark (Smallwood 2015). Während die Vogelopferanzahl sogar sank, erhöhten sich die Schlagopferzahlen von Fledermäusen jedoch um ein Vielfaches (Smallwood 2010).

Ähnliche Ergebnisse werden bei Krijgsveld et al. (2009) vorgestellt, wobei betont wird, dass das allgemeine Risiko in Rela­tion zur Energieproduktion (d.h. Schlag­opfer je MW) gesunken ist. Wie schon in Abschnitt 2 erwähnt, können Ergebnisse aus anderen Natur- und Lufträumen sowie mit anderen Anlagendimensionen nicht unmittelbar auf Einzelsituationen übertragen werden. Ermittlungen von Grajetzky & Nehls (2013) zeigen ein potenziell vermindertes Kollisionsrisiko für die Wiesenweihe in Deutschland, sollten Repowering-Anlagen größere rotorfreie Bereiche haben, Anlagen mit vielen Kollisionen zurückgebaut werden und es so insgesamt zu einer Verringerung der installierten Anlagenzahl käme. Für den Rotmilan erwarten Mammen et al. (2013) eine Senkung der Kollisionsrelevanz während Flugaktivitäten in 25–50 m Höhe, welche bei WEA mit derzeit 70 m Nabenhöhe und 70–90 m Rotordurchmesser kollisionsgefährdend sind. Eine signifikante Reduktion des Kollisionsrisikos durch Repoweringmaßnahmen erwarten Mammen et al. (2011) für den Rotmilan jedoch nicht. Auch andere Ziel­tierarten, wie Bussarde oder Milane, können auch in einer Höhe über 100 m artspezifisch stärker gefährdet werden, da sie z.B. Thermik nutzen und in große Höhen aufsteigen (Rasran & Dürr 2013). Umfassende Studien mit Vorher-Nachher-Analysen zu Repowering sind jedoch erst noch zu erstellen.

Untersuchungen von Gaedicke et al. (2013) zu Greifvögeln an repowerten WEA zeigen, dass zwar die Kollisionsgefahr aufgrund des größeren Rotordurchmessers steigt, die Kollisionswahrscheinlichkeit aber aufgrund der verlangsamten Rotorgeschwindigkeit und der größeren Nabenhöhe sinken kann. Zu dem gleichen Ergebnis kamen auch Johnson et al. (2007) in ihrer Auswertung zahlreicher Studien. Womöglich deutet sich so an, dass sich die Bedenken von Greifvögeln zu Fledermäusen und nächtlich ziehenden Vögeln (auch in noch unbekanntem Ausmaß) etwas verschieben könnten (Rydell et al. 2010a).

Grundsätzlich gilt es, die Vermeidungsmaßnahmen an die neuen Anlageneigenschaften anzupassen und den Repowering-Prozess weiterhin mit Forschung zu begleiten. Das gewonnene Wissen der letzten Jahre kann bei der Neuplanung und -errichtung angewendet werden und gegebenenfalls erfolgreiche Maßnahmen wie die Erhöhung der Sichtbarkeit, bio-akustische Vergrämung und Betriebsregulierung von Beginn an eingesetzt werden (Dahl et al. 2015).

Das Versetzen von besonders gefährlichen WEA wiederum wurde bislang nur wenig behandelt, dabei wird es durchaus empfohlen, um das Kollisionsrisiko effektiv zu reduzieren (Drewitt & Langston 2006, Smallwood 2008). Ein Praxisbeispiel aus Uruguay zeigt den phasenweisen Ausbau während der Planungsphase. Während zunächst nur eine oder wenige WEA installiert und die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht werden, können zu einem späteren Zeitpunkt – bei sich als beherrschbar zeigenden Umweltauswirkungen und finanzieller Effizienz – weitere WEA an diesem Standort errichtet werden (Ledec et al. 2011).

Das Repowering von Windparks ermöglicht es, die Verhaltensweisen der Fauna auf die neuen WEA zu untersuchen, um Einblick in die veränderten Effekte und womöglich sich ergebende Minderung gegenüber den Altanlagen zu erhalten, sofern auf die bestehende Datengrundlage zurückgegriffen werden kann (Lovich & ­Ennen 2013). Denn auch im Falle einer angepassten Platzierung der WEA ist es nötig, die Minderungsmaßnahmen während des allmählichen Rückbaus der Altanlagen eines Windparks mit dem Versatz der WEA langfristig abzustimmen. Im günstigen Fall ergänzen sich die Minderungsmaßnahmen und setzen derart größtmöglich die Kollisionswahrscheinlichkeit und Mortalität infolge einer fehlerhaften Standortwahl für viele Arten herab.

Allerdings setzt die Untersuchung der eintretenden Veränderungen der Auswirkungen im Falle eines Repowerings auch hohe Anforderungen an ein geeignetes Erhebungsdesign. Sie muss bereits im noch laufenden ­Betriebszustand der Altanlagen für eine Vorher-Nachher-Betrachtung einsetzen, um einen Vergleich zu ermöglichen (Smallwood 2015).

4 Ausblick und Zwischenfazit

Zwar werden die Auswirkungen von WEA auf die Tierwelt in der Regel detailliert untersucht und mit weitreichender Wahrscheinlichkeit lassen sich schon allein ­aufgrund des Vorsorgeprinzips in Frage kommende Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen ableiten und anwenden. Der Überblick über das derzeitige Spektrum implementierter Vermeidungsmaßnahmen und solcher, die in Pilotvorhaben getestet werden (wie Vergrämungsmaßnahmen), lässt gleichzeitig erkennen, dass weitere empirische Belege zur Wirksamkeit eingesetzter Maßnahmen notwendig sind. Insbesondere auch hinsichtlich multifaktorieller Effekte bedarf es weiterer Analysen; so wird der Einfluss verschiedener WEA-Parameter, Witterungsbedingungen oder Landnutzung auf das Kollisionsrisiko zwar in der Literatur erwähnt, doch bestehen auch hier noch evidente Wissenslücken.

Allerdings ist hervorzuheben, dass immer häufiger verhaltensbiologische Mechanismen untersucht werden, welche wertvolle Hinweise für den optimalen Einsatz von Vermeidungsmaßnahmen liefern können. Einen wertvollen Beitrag hierzu können auch „Vorher-Nachher-Studien zu Auswirkungen“ (Before-After Control-Impact Studies, BACI) leisten (Stewart-­Oaten et al. 1986). Darüber hinaus wird ein kontinuierliches und in den Ergebnissen zugängliches Langzeitmonitoring für zumindest einige WEA benötigt, damit die tatsächliche Wirksamkeit von implementierten Vermeidungsmaßnahmen besser verstanden werden kann.

Unterschätzt wird womöglich auch, wie Vaissière et al. (2014) es für Offshore-Windparks aufgezeigt haben (vgl. Lüdeke et al. 2014), dass die verbleibenden Unsicherheiten eigentlich dafür sprechen, stets auch darüber hinaus an erforderliche (echte, FCS-)Kompensationsmaßnahmen zu denken. Dass dies bislang eher selten zu geschehen scheint (empirische Übersichten dazu fehlen jedoch), hat womöglich auch mit dem Artenschutzrecht und dem vor FCS-Maßnahmen stehenden Verzicht auf Ausnahmeverfahren zu tun – sowie einem eventuell überschätzten Vertrauen in die Wirksamkeit von CEF-Maßnahmen (d.h. vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen). Allerdings lässt sich gerade auch bzgl. ­deren Wirksamkeit derzeit i.d.R. nur auf Experteneinschätzungen zurückgreifen (z.B. MKULNV 2013). Zur Feststellung der Wirksamkeit von Vermeidungsmaßnahmen ist nicht zuletzt den relevanten Länderbehörden eine wichtige Rolle zuzusprechen, denn Windparkbetreiber möchten sich auf betreffende Empfehlungen und Hinweise in Länderleitfäden verlassen ­können.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Ungewissheiten bzgl. der Wirksamkeit von Vermeidungsmaßnahmen keineswegs ausgeschlossen werden können. Dies spricht aber gerade dafür, im Einzelfall möglichst sinnvoll das ganze Spektrum an Vermeidungsmaßnahmen der Planungs-, Bau- und Betriebsphase von Windparks bzw. WEA zu prüfen und ggf. zu kombinieren. Die bestehenden Wissenslücken zur Wirksamkeit von Vermeidungsmaßnahmen erfordern eine Kontrolle der angewandten Maßnahmen sowie ggf. eine Anpassung des Maßnahmenregimes. Immer wenn wie hier nennenswert Unsicherheiten im Spiel sind, spricht im Übrigen vieles für Ansätze des Adaptive Management (Köppel et al. 2014a; s.a. Bulling & Köppel 2017 in diesem Heft).

Literatur

siehe beitragsübergreifende Bibliographie unter http://www.nul-online.de, Webcode 2231

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