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Editorial

Pro und kontra Windkraft – der ganzheitliche Blick auf die Kulturlandschaftsdynamik fehlt

Der nutzende Mensch prägt die Kulturlandschaft. Seine Ansprüche an die Landschaft ­verändern sich im Laufe der Zeit – und entsprechend verändert er die Landschaft. Die in der Kulturlandschaft lebenden Arten und Biozönosen haben sich daran angepasst: Landnutzung hat schon immer Gewinner und Verlierer pro­duziert.

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Ist also der starke Zubau an Windkraftanlagen gar kein Problem? Werden sich die Arten­gemeinschaften der Energielandschaften daran anpassen? Ja klar, sie passen sich an, doch die Entwicklung ist aus dreierlei Gründen eine andere als im historischen Wandel der Kulturlandschaft.

Drei neue Fakten

Erstens: Windkraft bringt eine völlig neue Dimen­sion in die Landschaft. An Land hatte im ersten Halbjahr 2016 die durchschnittliche neu gebaute Anlage einen Rotordurchmesser von 109m und eine Nabenhöhe von 120m. Bis über 200m hohe Bauwerke, einerseits konzentriert in einzelnen Windparks, andererseits aber räumlich relativ wenig gesteuert als „Schrotschuss“ über Deutschland verteilt, verändern das Landschaftsbild für uns Menschen (Stichworte Landschaftsästhetik und Erholungsfunktion) noch einmal ganz anders als bisher gewohnte Baumaßnahmen und die Landnutzung. Das könnte das Anpassungsvermögen des Menschen ebenso wie sensibler Tierarten überfordern.

Zweitens: Aus naturschutzfachlicher Sicht finden wir kaum Gewinner, sondern fast nur Verlierer. Ob das für einzelne Arten populationsrelevant und für ihren Fortbestand wirksam ist, bleibt in vielen Fällen ungewiss. Bei historischen Landnutzungsänderungen dagegen gab es stets auch Profiteure – mit einem Maximum an Artenvielfalt um 1850.

Drittens: Derzeit läuft ein multifaktorieller Landschaftswandel, welcher an Geschwindigkeit wie Intensität bisher in der Landschaftsentwicklung völlig unbekannt war. Der Ausbau der Windkraftnutzung fällt zusammen mit rapiden Entwicklungen: einer Verdichtung der Verkehrsinfrastruktur und Erhöhung der Verkehrsdichte, des Siedlungswachstums, der Inten­sivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, des Klimawandels. D.h. es tritt eine kumulative Wirkung vielfältiger Landschaftsveränderungen auf. Allein monokausal die Wirkungen der Windkraft auf die Fauna zu analysieren, ist daher zu kurz gesprungen.

Ein ganzheitlicher Blick

Und doch schaffen es Naturschutzpraxis und auch Wissenschaft bisher nicht, den so dringend nötigen ganzheitlichen Blick auf die Entwicklungsdynamik der Kulturlandschaften zu operationalisieren. Und so thematisiert das vorliegende Themenheft beileibe nicht zum ersten Mal die Konflikte zwischen Windkraft und Naturschutz – auch sektoral betrachtet ist das nach wie vor ein schwieriges Feld. Aus wissenschaftlicher Sicht – aber mit hoher Relevanz für die Planungs- und Naturschutzpraxis – fasst es synoptisch anhand der Analyse von fast 470 Veröffentlichungen in der Fachliteratur den aktuellen Kenntnisstand zusammen: zu Auswirkungen der Windenergie auf Tierarten (on- und offshore), zu Vermeidungsmaßnahmen und zum methodischen Ansatz des „Adaptive Management“.

26561 Windräder mit 43544 MW Leistung waren am 30. Juni 2016 in Deutschland onshore in Betrieb, offshore weitere 835 Anlagen mit 3552MW Leistung. Ende Dezember 2015 trug Windkraft 13,3% zur deutschen Stromproduk­tion bei – bis zu einer vollständigen Decarbo­nisierung der Energiewirtschaft wird also noch ein erhebliches weiteres Konfliktpotenzial mit dem Naturschutz und der Bevölkerung hinzukommen.

Akzeptanz durch Teilhabe

Die Energiewende spaltet die Nation und auch die Disziplin des Naturschutzes. Klimawandel verändert die Biodiversität weit stärker als der Ausbau der Windkraft. Doch hilft es nicht weiter, hier Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ohne Windenergie gelingt die Energiewende nicht. Und die benötigt der Naturschutz zwingend. Es kommt deshalb darauf an, nach bestem Stand des Wissens, zusammengefasst in diesem Themenheft, die negativen Auswirkungen der WEA-Ausbaus zu reduzieren. Dazu zählt ganz besonders eine bewusste Standortwahl: kein Schrotschuss über die Landschaft, sondern eine Konzentration auf die konfliktärmsten Standorte.

Und noch eines: Nachhaltigkeit – und diese reklamieren die Vertreter der Erneuerbaren Energien für sich – hat auch eine soziale Dimension. Wer Akzeptanz für Windkraft in der Bevölkerung wünscht, darf die Gewinne nicht wenigen Inverstoren (wer hat, dem wird gegeben ...) überlassen, sondern sollte diese gerecht verteilen. Dafür gibt es probate genossenschaftliche Modelle.

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