Nach „NatureLeaks“ und „Brexit“: EU-Kommission in Bedrängnis, Zeitplan unklar
Im Juni stieg der Druck auf die EU-Kommission zur Veröffentlichung der offiziellen Ergebnisse des „Fitness-Check“ der Naturschutzrichtlinien massiv an, nicht nur seitens der Naturschutzverbände. Insbesondere der am 15. Juni „geleakte“ Entwurf des Abschlussberichts zum Fitness Check befeuerte die Debatte.
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Nach den Abgeordneten des EP-Umweltausschusses (ENVI) hakten während der letzten Umweltministerkonferenz unter niederländischer Ratspräsidentschaft am 20. Juni auch die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg und Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter nach. Leider blieb Umweltkommissar Karmenu Vella ähnlich vage wie zuvor schon Frans Timmermans, ebenso ein hochrangiger Vertreter der Generaldirektion Umwelt bei einer weiteren Debatte zum Thema im ENVI am 21. Juni. Alle drei Kommissionsvertreter betonten, man sei sich der Bedeutung der Richtlinien und der Notwendigkeit der besseren Umsetzung bewusst, die „internen Diskussionen“ über die Ergebnisse des Fitness Checks seien aber noch nicht abgeschlossen, Empfehlungen der EU-Kommission wären daher erst „im Herbst“ zu erwarten. Auf der Homepage der Kommission zum Fitness Check ist nun „Letztes Quartal 2016“ zu lesen.
Gute Noten für Richtlinien
Am 05. Juli gab die EU-Kommission einem Antrag des WWF-Büros Brüssel statt und veröffentlichte den offiziellen Abschlussbericht der externen Gutachter vom März. Ein erster stichprobenhafter Vergleich der „geleakten“ Fassung vom 04. Januar und der Endversion vom März lässt keine wesentlichen Änderungen feststellen: Außer einigen strukturellen Modifikationen entspricht die von der EU-Kommission frei gegebene Fassung weitgehend dem Entwurf. Hinsichtlich aller bei einem Fitness Check zu prüfenden Kriterien (Effektivität, Effizienz, Kohärenz, Relevanz und EU-Mehrwert) erfüllen Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie die Anforderungen. Die Richtlinien sind „fit for purpose“ und zur Erreichung der von den Staats- und Regierungschefs im März 2010 beschlossenen Biodiversitätsziele bis 2020 unverzichtbar.
Besonders lesenswert ist Kapitel 10, in dem die Autoren der Studie der EU-Kommission sogar konkrete Vorschläge zur besseren Umsetzung der Richtlinien unterbreiten (10.4). Man darf also auf deren politische Schlussfolgerungen und Empfehlungen in dem geplanten „Staff Working Document“ (SWD) gespannt sein. In früheren Gesprächen war auch noch von einem weitergehenden Aktionsplan für die Erreichung der 2020-Ziele die Rede, aufbauend auf den Ergebnissen der Halbzeitbewertung (Midterm Review) der EU-Biodiversitätsstrategie vom Oktober 2015 (Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (11): 334). Bei den oben genannten Diskussionen haben sich die Kommissionsvertreter aber nicht näher zu ihren diesbezüglichen Planungen geäußert.
Wünschenswert wäre, dass die Vorschläge der EU-Kommission so frühzeitig vorliegen, dass sie noch in die Beratungen des Umweltministerrates zur Positionierung der EU auf der 13. Vertragsstaatenkonferenz (COP13) der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) im Dezember in Mexiko einfließen können. Ein Abschluss der Beratungen in Ministerrat und EU-Parlament sowie die Einigung über Schlussfolgerungen zur besseren Umsetzung der Richtlinien dürften sich aber mindestens bis in die erste Jahreshälfte 2017 hinziehen. Seit dem knappen, aber eindeutigen Ausgang des Brexit-Referendums in Großbritannien am 23. Juni kommen allerdings mehrere Unwägbarkeiten hinzu.
Folgenw des „Brexit“
Am 01. Juli hat die Slowakei die Ratspräsidentschaft von den Niederlanden übernommen. Zu dieser Dreier-Präsidentschaft („triple presidency“) zählt noch in der ersten Jahreshälfte 2017 Malta, bevor – nach dem bisherigen Zeitplan – mit Großbritannien in der zweiten Jahreshälfte 2017 die nächste triple presidency mit Estland und Bulgarien folgt. Das Vereinigte Königreich behält bis zum endgültigen Austritt aus der EU das Recht zum Ratsvorsitz. Das Parlament hat den Rat allerdings in seiner Brexit-Resolution vom 28. Juni aufgefordert, „die Reihenfolge der Vorsitze zu ändern, um zu verhindern, dass der Austritt das Management der täglichen Arbeit der Union gefährdet“.
Daher kann es sein, dass der Rat eine Änderung der Vorsitze vornimmt. Auch der Fahrplan der slowakischen Ratspräsidentschaft kann infolge des Brexit noch Änderungen erfahren. Die Erarbeitung von Ratsschlussfolgerungen für die COP13 der CBD ist für eine Sitzung des Umweltministerrates am 17. Oktober geplant. Dies würde für die EU-Kommission einen sehr ambitionierten Zeitplan zur Vorlage der oben genannten Empfehlungen bedeuten; Zeitverschiebungen sind also nicht ausgeschlossen.
Der Rücktritt des bisherigen britischen EU-Kommissars Lord Jonathan Hill löste die Frage nach dem Nachfolger und der Zuweisung eines Ressorts aus. Hills Finanz-Portfolio hat am 16. Juli der für diesen Bereich ohnehin zuständige Vize-Präsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, übernommen. Der noch von David Cameron vorgeschlagene neue britische Kommissar, Sir Julian King, wurde am 11. Juli von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker akzeptiert. Die Zuweisung eines Ressorts stand bis Redaktionsschluss allerdings noch aus; sicher ist nur, dass es ein für die Austrittsverhandlungen „unbedeutender“ Bereich sein soll. Camerons Vorschlag, King das Umwelt-Ressort zu übertragen, stieß bei Europaabgeordneten und Umweltverbänden auf große Skepsis, da ein Kommissar „auf Abruf“ (bis zum Austritt 2018) der Bedeutung des Umweltressorts nicht gerecht würde und die EU auf internationalen Umweltkonferenzen kaum überzeugend vertreten könne. Juncker will bis Ende Juli seine Ressort-Entscheidung treffen; das EU-Parlament wird King nach der Sommerpause anhören („grillen“) und entscheiden.
Links
Website der EU-Kommission zum Fitness Check: http://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/fitness_check/index_en.htm
Links zum Abschlussbericht:
https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/fitnesscheck-final/
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