Prädiktive Kartierung und Analyse
Abstracts
Gemäß der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel sollen Ergebnisse der Klima(folgen)forschung einschließlich deren Unsicherheiten im Sinne des Vorsorgeprinzips in Programmen und Instrumenten des Umwelt- und Naturschutzes stärker berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund wird eine Methode zur bundesweiten Kartierung klimabedingter Veränderungen von Wald- und Forstökosystemtypen vorgestellt. Als Grundlage wird das Klassifizierungs- und Typisierungssystem für Wald- und Forstökosysteme Deutschlands (Jenssen et al. 2013, 2015) verwendet. Der in dem vorliegenden Beitrag dargestellte Modellierungsansatz beruht auf Classification and Regression Trees (CART) und stützt sich auf flächendeckend verfügbare Geoinformationen zu Klima, Boden und vegetationskundlichen Merkmalen. Die Methode erlaubt großräumige Kartierungen in grober zeitlicher Auflösung (hier: Zeitfenster 1961–1990, 1991–2010, 2011–2040, 2041–2070). Möglichkeiten des Abgleichs der Ökosystemtypen mit Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und einer darauf aufbauenden Abschätzung der Veränderungsdisposition im Klimawandels werden aufgezeigt
Predictive mapping and evaluation of potential impacts induced by climate change in forest ecosystems. Integrity of ecosystems exposed to climate change and atmospheric nitrogen deposition – Part III
According to the principles of the German Strategy for Adaptation to Climate Change nature conservation programmes and instruments should take more account of the findings of climate research, including the relevant uncertainties. In this context, a method for mapping climate-induced changes of forest ecosystem types is presented. It is built on a classification system for forest ecosystems in Germany (JENSSEN et al. 2013). The modelling approach is based on Classification and Regression Trees (CART) and geographic information on climate, soil and vegetation features available with blanket coverage of Germany. This method allows users to produce nationwide maps in a coarse temporal resolution (here: 1961-90, 1991-2010, 2011-40, 2041-70). It is demonstrated how the allocation of the ecosystem types to Habitats Directive Annex I habitat types can be used to estimate potential hazards for the integrity of habitat types as a result of climate change.
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1 Einleitung
Gegenwärtige und zukünftige Auswirkungen des Klimawandels und atmosphärischer Stoffeinträge auf die Integrität von Ökosystemen (Matson et al. 1999, Phoenix et al. 2006, Walther et al. 2002) werden zunehmend auch im Hinblick auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege diskutiert (Balla et al. 2013, Korn et al. 2014). Dies entspricht u.a. dem Grundsatz der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (Die Bundesregierung 2008), die Ergebnisse der Klimaforschung einschließlich deren Unsicherheiten im Sinne des Vorsorgeprinzips in Programmen und Instrumenten des Umwelt- und Naturschutzes stärker zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang wurde eine Methode zur Analyse und Einstufung der Integrität von Ökosystemen unter dem Einfluss von Klimaveränderungen und atmosphärischen Stickstoffeinträgen entwickelt (Jenssen et al. 2013). Kernelement dieses Ansatzes ist ein Klassifikationssystem terrestrischer Ökosysteme, das bislang weitgehend auf Wald- und Forstökosysteme in Deutschland beschränkt ist und in Teil I dieser Artikelserie dargestellt wurde (Jenssen et al. 2015). Auf Basis einer strukturell wie funktional begründeten Ökosystemtypisierung wird nach deren Koppelung mit dynamischen Modellen eine standortbezogene Betrachtung klima- und immissionsbedingter Wirkungen auf Wald- und Forstökosysteme ermöglicht (Teil II dieser Artikelserie, Schröder et al. 2016). In Ergänzung hierzu soll der vorliegende Teil III zeigen, wie das Klassifikationssystem für Wald- und Forstökosysteme auch als Grundlage für kleinmaßstäbige Kartierungen klimabedingter Ökosystemveränderungen flächendeckend für Deutschland verwendet werden kann. Im Hinblick auf naturschutzfachliche Einstufungen werden zudem Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Klassifikationssystemen aufgezeigt, hier insbesondere den Lebensraumtypen (LRT) des Anhangs I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie).
2 Regionalisierung von Wald- und Forstökosystemtypen
Die bundesweite Kartierung von Wald- und Forstökosystemtypen nach Jenssen et al. (2013) stützt sich im Kern auf die Karte der potenziellen natürlichen Vegetation (pnV) Deutschlands (Suck et al. 2010, 2013). Diese enthält Informationen zur potenziellen Verbreitung von Komplexen natürlicher Vegetationseinheiten und deren Beschreibung im Hinblick auf die hochsteten Arten und deren Mengenentfaltung. Die Zuordnung dieser Vegetationskomplexe zu den innerhalb dieser Komplexe jeweils dominierenden Wald- und Forstökosystemtypen erfolgte unter Hinzuziehung der Vegetationsdatenbank des Waldkunde-Instituts Eberswalde (W.I.E.) mit derzeit 21600 Vegetationsanalysen aus ganz Deutschland. Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung der untersuchten Realsysteme zu einem Ökosystemtyp ist die Homogenität der Mengenentfaltung der vorkommenden Arten (Hofmann & Passarge 1964). Formal wird das Homogenitätskriterium anhand der prozentualen Ähnlichkeit nach Jenssen (2010) abgebildet (Teil I dieser Artikelserie):

Berechnet wird hierfür zunächst die mittlere Mengenentfaltung piO aller Arten aus der Gesamtheit der Vegetationsaufnahmen, die dem jeweiligen Ökosystemtyp zugeordnet wurden. Anschließend wird mit den Deckungswerten pi der Aufnahmeflächen die Ähnlichkeit der Vegetationszusammensetzung zwischen Aufnahmeflächen und Ökosystemtyp bestimmt. Schließlich erfolgt anhand der Informationen zur Stetigkeitsklasse und mittleren Mengenentfaltung die Zuordnung der pnV-Einheiten zu einem der natürlichen Ökosystemtypen (Tab. 1).
Aktuelle Naturnahe Ökosysteme (ANOEST) sind die unter gegenwärtiger Nutzung tatsächlich ausgebildeten Ökosystemtypen, die in spezifiziertem Ausmaß der pnV ähneln. Ihre Regionalisierung erfolgt, indem aus der pnV-Karte abgeleitete Potenzielle Natürliche Ökosystemtypen (PNOEST), d.h. unter heutigen Standort- und Umweltbedingungen in Selbstorganisation sich ausbildende naturnahe Ökosystemtypen, räumlich mit den Landnutzungsklassen der Corine Landcover (CLC 2000) und Informationen zur aktuellen Baumartenverteilung verknüpft werden. Ausgeschlossen werden Forsten mit nicht standortgerechter Bestockung. ANOEST werden nach den in Abb. 1 skizzierten Hauptregeln bestimmt.
Beispielsweise wird in einem Bereich mit potenziellem Vorkommen des Rohhumus-Traubeneichenwaldes (Ec-3n-B2) bei aktuellem Vorkommen von Pinus sylvestris der Rohhumus-Kiefern-Halbtrockenforst (Ec-2n-b1) als sekundäres halbnatürliches Ökosystem kartiert bzw. bei nicht standortgerechter Bestockung die Fläche als naturfern ausgegliedert.
Das Ergebnis der Regionalisierung der ANOEST Deutschlands zeigt Abb. 2 am Beispiel des Nationalparks Kellerwald-Edersee. Zu beachten ist, dass sich maßstabsbedingte Generalisierungseffekte, die vereinfachten Modellannahmen und die Qualität der Daten zur Baumartenverteilung und Landnutzung auf das Kartierungsergebnis erheblich auswirken können.
3 Prädiktive Kartierung von Waldökosystemtypen
Bei einer prädiktiven Kartierung wird die räumliche Verteilung einer Zielgröße durch Anwendung eines empirisch-statistischen Modells aus vorhandenen Daten geschätzt (Schröder et al. 2006, 2007; Schröder & Pesch 2007). Die nachfolgend erläuterte prädiktive Kartierung der Ökosystemtypen fußt auf Berechnungen mit Classification and Regression Trees (CART). CART ermittelt diejenigen Ausprägungen von Objektmerkmalen, welche die statistische Verteilung der Objekte in den Stufen einer Zielvariablen durch eine Folge von Teilungen der jeweiligen Objektmenge in zwei Untergruppen Schritt für Schritt homogener werden lässt (Breiman et al. 1984). Das in der vorliegenden Untersuchung berechnete Entscheidungsbaummodell stützt sich auf bundesweit vorliegende Daten zu Klima, Orografie und Bodentextur und bildet das statistische Modell für die räumlich explizite Prädiktion (Kartierung) der ANOEST für die vier Zeitfenster 1961–90 (Referenzzustand), 1991–2010 (aktueller Zustand) sowie 2011–40 und 2041–70. Als Prädiktoren für die Zielvariable ANOEST wurden verwendet:
mittleres monatliche Temperaturminimum, -maximum und -mittel, mittlere monatliche relative Luftfeuchte, mittlere monatliche Evapotranspiration, mittlere monatliche Niederschlagssumme, aggregiert über die Jahre 1961–90 in einer räumlichen Auflösung von 10 x 10 km; diese wurden mit Werten aus dem STAtistical Regional model STAR II (Orlowsky et al. 2008) parametrisiert;
orografische Höhe in einer räumlichen Auflösung von 50 x 50 m;
Bodenart (BÜK 1000).
Auf der Grundlage einer Verschneidung der raumbezogenen Daten zu den gewählten Prädiktoren mit der Karte der ANOEST (Abschnitt 2) ergab die Entscheidungsbaumanalyse ein CART-Modell mit 44 Raumklassen auf neun Ebenen mit einer Klassifikationsgüte von ca. 43 % (= Anteil der korrekt klassifizierten Objekte im Verhältnis zum gesamten Trainingsdatensatz). Dabei entspricht jede der Klassen des Entscheidungsbaumes einer Mischung verschiedener Ökosystemtypen mit jeweils einem dominant auftretenden, dem Modalwert der Verteilung in dem jeweiligen Endknoten entsprechenden ANOEST. Eine ausführliche Beschreibung der 44 Raumklassen anhand der gewählten Prädiktoren findet sich bei Jenssen et al. (2013).
Die Anwendung des CART-Modells auf die bis zum Jahr 2070 berechneten STAR II-Klimadaten ergibt die in Abb. 3 dargestellten Veränderungen der biogeografischen Raummuster der ANOEST. Grundlage des Klimaszenarios ist das RCP 8.5 (Representative Concentration Pathways) mit einem Strahlungsantrieb von 8,5 W/m² zwischen den Jahren 1850 und 2100 und einer Treibhausgaskonzentration von 1370 ppm CO2-äq. im Jahr 2100.
Die sozioökonomischen Annahmen der RCP-Szenarien berücksichtigen u.a. die Bevölkerungszunahme, das Bruttosozialprodukt und den Energieverbrauch. RCP 8.5 geht von 12 Mrd. Menschen auf der Erde im Jahr 2100 aus. Der Primärenergieverbrauch beträgt das Dreifache des heutigen Wertes. Die CO2-Emissionen steigen in RCP 8.5 von rund 10 Gt C/Jahr in der Gegenwart auf nahezu 30 Gt C/Jahr am Ende des Jahrhunderts. Von den untersuchten Klimaszenarien wurde mit dem RCP 8.5 der Worst-Case möglicher Klimaerwärmungen gewählt, da sich die Emissionen von 2000 bis 2012 bislang genau entlang der Hochemissionsszenarien des RCP 8.5 bewegt haben (Le Quéré et al. 2013).
Gruppiert man die ANOEST entsprechend ihrer regionalen hypsometrischen und horizontalen Zuordnung (Ziffer 1 des Ökosystem-Codes in Tab. 1), ergeben sich aus dem prozentualen Auftreten dieser Ökosystemgruppen in den 44 Raumklassen und dem Flächenanteil der Raumklassen in Deutschland die in Tab. 2 aufgezeigten Veränderungen. Demnach nehmen entlang des Höhengradienten die Ökosystemtypen der subalpinen Krummholzlagen, Hochbergwaldlagen und Bergwaldlagen von 1961–1990 bis 2041–2070 deutlich ab (von 20,3 auf 13,6 %), die Ökosystemtypen der Tief- bis unteren Bergwaldlagen entsprechend zu (von 79,7 auf 86,5 %). Auffällig ist, dass die standörtlichen Potenziale für die nordeuropäisch, subkontinental und zentraleuropäisch geprägten Ökosystemtypen (En, Ec, Ed) gegen diesen Trend abnehmen, d.h. die Tief- bis unteren Bergwaldlagen eine (nach heutiger Klassifikation) zunehmend atlantisch bis subatlantische Klimatönung erfahren. Diese Trends zeigen sich nach Mann-Kendall meist als statistisch signifikant (p<0,1).
Einschränkungen der Vorhersage ergeben sich aufgrund der mittels STAR für die Zeitfenster 2011–2040 und 2041–2070 projizierten Temperatur-, Luftfeuchte-, Evapotranspirations- und Niederschlagswerte, die sich für weite Teile Deutschlands außerhalb der für die ANOEST dokumentierten Werteintervalle befinden. Abb. 3 veranschaulicht die Bereiche außerhalb der Extremwerte der im Zeitraum 1961–1990 beobachteten Prädiktoren entsprechend einem Flächenanteil von 9,4 % (2011–40) sowie 52,7 % (2041–70). Hier ist ein zumindest für Deutschland qualitativ neuartiges Klima zu erwarten, das auch zu neuen Vegetationsformen und Ökosystemtypen führt. Schaut man auf die europäische Ebene, so findet man eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Klimaszenarien für die norddeutsche Tiefebene mit dem heutigen Klima z.B. in kollinen und submontanen Gebieten des französischen Zentralmassivs. In der dortigen potenziellen natürlichen Vegetation wird Fagus sylvatica aufgrund der Sommertrockenheit zurückgedrängt und Quercus petraea nimmt einen höheren Anteil in Buchenmischwäldern ein, ähnlich wie in den zentraleuropäischen Buchenmischwäldern. Zu deren Einbeziehung wären weitere Untersuchungen z.B. auf der Basis der pnV Europas (Bohn & Neuhäusl 2000/2003, Bohn et al. 2005) sinnvoll.
4 Naturschutzfachliche Beurteilung
Als Grundlage für eine naturschutzfachliche Beurteilung der in Abschnitt 3 dargestellten klimawandelbedingten Veränderungen der ANOEST-Flächenanteile wurden Möglichkeiten und Grenzen der Zuordnung der Ökosystemtypen zu den Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie geprüft (Tab. 1). Viele der ANOEST korrespondieren mit dem Klassifikationssystem der FFH-Richtlinie wie beispielsweise der C3-6d-B2 mit Lebensraumtyp (LRT) 9110 „Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum)“. Nicht immer jedoch ist eine eindeutige Zuordnung möglich, da innerhalb der FFH-Lebensraumtypen deutliche Variationen in Bezug auf Boden- und Feuchteeigenschaften auftreten können, die zu unterschiedlichen ökologischen Funktionen und Reaktionen auf Umweltveränderungen führen. Der entscheidende Vorzug der Ökosystemtypisierung ist die vergleichsweise höhere innere Homogenität der Einheiten in wesentlichen Merkmalen der Struktur, der wuchsbestimmenden ökologischen Faktoren und der in den Ökosystemen ablaufenden Prozesse.
Gruppiert man die ANOEST in den CART-Raumklassen anhand der zugeordneten FFH-Lebensraumtypen, ergeben sich die in Tab. 3 aufgezeigten Veränderungen des für diese LRT charakteristischen naturräumlichen Potenzials. So resultieren hieraus bis zum Jahr 2070 deutliche Arealveränderungen für den prioritären Lebensraumtyp *4070 „Buschvegetation mit Pinus mugo und Rhododendron hirsutum (Mugo-Rhododendretum hirsuti)“ sowie den LRT 9410 „Montane bis alpine bodensaure Fichtenwälder (Vaccinio-Piceetea)“. Dieser negative Trend entspricht den durch Tab. 2 verdeutlichten Entwicklungen in den subalpinen Krummholzlagen und Hochbergwaldlagen. Der Rückgang des LRT *91G0 „Pannonische Wälder mit Quercus petraea und Carpinus betulus (Tilio-Carpinetum) überrascht zunächst, ist doch der typische Standort durch trockene bis wechseltrockene Böden in wärmebegünstigten Lagen gekennzeichnet (Ssymank et al. 1998). Besonderheiten ergeben sich hier v.a. durch den Wechsel der Raumklassen 18, 29 und 65 zur Raumklasse 9. Neben dem nicht unerwarteten Anstieg der mittleren Lufttemperatur erhöht sich hier insbesondere auch die mittlere Niederschlagshöhe von 549–576 auf 779mm (Zunahme um 202–230mm). Dies entspricht dem in Tab. 2 aufgezeigten Wandel von den subkontinentalen Lagen mit relativ geringen Niederschlägen zu den eher atlantisch bis subatlantisch geprägten Klimatönungen.
Für die LRT 9110 „Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum)“ und LRT 9130 „Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum) resultieren aus der prädiktiven Kartierung bis zum Jahr 2070 deutliche Arealgewinne. Die Abnahme der Braunmull-Tannen-Buchen-Bergwälder (D2-6d-D1), Braunmull-Tannen-Buchen-Feuchtbergwälder (D2-7n-D1) und Braunmull-Fichten-Tannen-Buchen-Hochbergwälder (C2-6d-D1) in den Raumklassen von 2,6 % (1961–1990), 2,2 % (1991–2010), 2,2 % (2011–2040) zu 0,7 % (2041–2070) deutet allerdings auch auf einen negativen Trend naturschutzfachlich bedeutsamer Ausprägungen des LRT 9130 hin. Dies gilt etwa für den Rundblattlabkraut-Tannen-Wald (Galio rotundifolii-Abietetum), einer als gefährdet (RL 3) eingestuften Pflanzengesellschaft der oberen Bergwald- und Hochbergwaldlagen (Rennwald 2000).
Die Veränderungsanalyse der CART-Raumklassen zwischen den Zeitfenstern 1961–1990 und 2041–2070 ermöglicht schließlich auch eine Lokalisierung der Veränderungsdispositionen für bestimmte FFH-Lebensraumtypen (Abb. 4). Hierfür werden Arealverluste zwischen 1961–90 und 2041–70 von >80 % als starke Veränderungen und Arealverluste von > 40 bis 80 % als mittlere Veränderungen des LRT-spezifischen Standortpotenzials eingestuft. Der Vergleich mit bekannten Verbreitungsarealen der LRT (Ssymank et al. 1998) ermöglicht die Kartierung der zu erwartenden Veränderungen. Abb. 4 zeigt hierzu die tatsächlichen Haupt- und Nebenvorkommen der o.g. LRT in den naturräumlichen Einheiten nach Ssymank et al. (1998) überlagert mit den Veränderungen des natürlichen Standortpotenzials für diese LRT, woran deren spezifische Dispositionen erkennbar werden. Demnach liefert die prädiktive Kartierung ein deutliches Signal für den Rückgang des LRT *4070 in den Naturräumen Alpen und Voralpen. Mittlere klimabedingte Potenzialänderungen für den LRT 9410 ergeben sich im Schwarzwald, Oberpfälzer und Bayerischen Wald, Thüringisch-Fränkischen Mittelgebirge, Sächsischen Mittelgebirge sowie Harz. Starke Potenzialveränderungen sind bis 2070 über Abb. 3 hinaus auch im Verbreitungsschwerpunkt des LRT *91G0 (Unteres Odertal und Nördliches Mittelmärkisches Plattenland) zu erwarten.
Die Prädiktionsergebnisse verdeutlichen den Verlust an Höhenzonierung und die Zunahme atlantischer Klimaelemente mit submediterraner Tönung. Letztere ist vor allem eine Folge der Zunahme von Intensität und Dauer sommertrockener Phasen, während abnehmende Kontinentalität des Klimas durch Zunahme von Wintermilde und Winterniederschlägen angezeigt wird. Angesichts der Grobschnittigkeit und relativ geringen Klassifikationsgüte des Entscheidungsbaummodells von 43 %, aber flächenkonkreten Abschätzbarkeit der Folgen von Klimaverschiebungen für FFH-Waldlebensraumtypen kann das hier vorgestellte Entscheidungsbaummodell insbesondere als Zwischenschritt zu vertiefenden standörtlichen Betrachtungen mit dynamischen Modellen des Wasser- und Stoffhaushalts (Jenssen et al. 2013, Schröder et al. 2016 – Teil II dieser Artikelserie) z.B. im Rahmen des FFH-Monitorings (Sachteleben & Behrens 2010) dienen.
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