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Neues aus Brüssel

Deutliche Signale zum Erhalt der Naturschutzrichtlinien

Wie in der letzten Kolumne berichtet, beschäftigt die Halbzeitbewertung der EU-Biodiversitätsstrategie und dabei zentral die Frage des Schicksals der Naturschutzrichtlinien auch Rat und Parlament. Am 22. Oktober, also zum genau richtigen Zeitpunkt vier Wochen vor der großen „Stakeholder“-Konferenz der EU-Kommission zum Fitness Check der Naturschutzrichtlinien am 20. November, organisierte das Bundesumweltministerium in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel eine hochrangig besetzte und gut besuchte Veranstaltung mit dem Titel „Halting biodiversity loss by 2020: Opportunities and challenges of the Fitness Check of the Nature Directives“.

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Bessere Umsetzung gefordert

Das Urteil von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ihrer luxemburgischen Amtskollegin Carole Diesch­bourg, derzeit Präsidentin des Umweltrates, hinsichtlich der Bedeutung der Naturschutzrichtlinien für die Erreichung der Biodiversitätsziele der EU bis zum Jahr 2020 war sehr klar, ebenso die Meinung der Teilnehmer einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern des EU-Parlamentes, der Industrie, der Naturschutzverbände und der EU-Kommission. Bundesregierung und Bundesländer träten nicht nur für eine bessere Umsetzung der Richtlinien ein. „Vielmehr lehnen die Bundesländer, ebenso wie Landwirtschaftsminister Schmidt und ich, jegliche Änderungen an den EU-Naturschutzrichtlinien ab!“, so Hendricks mit Verweis auf den gemeinsamen Brief von BMUB und BMEL an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella im Juli.

In ihrer Rede wies Hendricks u.a. auf den Wert der auf Basis der Richtlinien ausgewiesenen Natura-2000-Gebiete für die biologische Vielfalt, für das Klima und nicht zuletzt als Lebensgrundlage des Menschen hin. „Dieses Netzwerk erbringt jährlich Ökosystemleistungen in einer Größenordnung von 200 bis 300 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der jährlich rund sechs Milliarden Euro, die dem an Kosten gegenüberstehen“. Nicht zuletzt würde eine Öffnung der Richtlinien die für die Wirtschaft so wichtige Planungs- und Rechtssicherheit gefährden.

Carole Dieschbourg schloss sich diesem Votum an und kündigte für den letzten Umweltministerrat unter luxemburgischer Ratspräsidentschaft am 16. Dezember ein deutliches Signal an die EU-Kommission an, nicht die Richtlinien infrage zu stellen, sondern Vorschläge zur besseren Umsetzung und Finanzierung zu machen.

Neun Umweltminister einig

Nur wenige Tage später, am 26. Oktober, haben sich auf Initiative der Bundesumweltministerin neun Umweltminister in einem gemeinsamen Brief an Umweltkommissar Vella gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ausgesprochen und stattdessen deren bessere Umsetzung gefordert. Das Schreiben wurde auf dem EU-Umweltministerrat in Luxemburg unterzeichnet und an Vella übergeben. Die Allianz der Umweltminister umfasst neben Hendricks und ihrer luxemburgischen Amtskollegin auch die Umweltministerinnen und Umweltminister aus Frankreich, Spanien, Italien, Polen, Slowenien, Rumänien und Kroatien. Sie hat mit großen Staaten wie Deutschland und Frankreich erhebliches politisches Gewicht. Die Unterzeichnerländer vertreten immerhin 63% der Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu entsprechenden Ratsschlussfolgerungen im De­zember.

Unterstützung des ­Parlaments

Auch der Berichterstatter („rapporteur“) für den EP-Bericht zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie, Mark Demesmaeker (ECR-Fraktion, Belgien), und seine Co-Berichterstatter („shadows“) sind aktiv geworden. Am Rande der Plenartagung des EP am 27. Oktober wurde nicht nur der Entwurf des Berichts diskutiert, sondern auch ein gemeinsamer Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella und an den obersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, verabschiedet. Darin sprechen sich Demesmaeker und seine shadows von sieben der acht Fraktionen im EP, darunter die beiden größten Fraktionen EVP und S&D, ebenfalls sehr deutlich gegen eine Öffnung der Naturschutzrichtlinien aus.

„Opening the nature directives would jeopardise achieving the biodiversity strategy altogether, would create a long period of legal uncertainty and could potentially weaken the legislation“, mahnen Demesmaeker und Norbert Lins (Konservative/EVP bzw. CDU, Deutschland), Karin Kadenbach (Sozialdemokraten/S&D, Österreich), Catherine Bearder (Liberale/ALDE, Großbritan­nien), Lynn Boylan (Europäische Linke/GUE, Irland), Margrete Auken (Grüne/EFA, Dänemark) und Marco Affronte (Fraktion Europa der Freiheit/EFDD, Italien). Da der Bericht des EU-Parlaments erst zu Beginn des kommenden Jahres im Plenum verabschiedet wird, ist dieser Brief ein sehr wichtiges Signal an die EU-Kommission, dass sich auch die Volksvertreter gegen eine Öffnung der Richtlinien aussprechen.

Die EU-Kommission wollte auf einer „Stakeholder-Konferenz“ am 20. November in Brüssel erste Ergebnisse des Fitness Check vorlegen. Anfang 2016 will sie ihre Vorschläge zum weiteren Vorgehen vorstellen, Entscheidungen zwischen Kommission, Rat und Parlament werden für die zweite Jahreshälfte 2016 erwartet. Die Diskussion um die Zukunft der Naturschutzrichtlinien wird uns also noch mindestens ein weiteres Jahr intensiv beschäftigen!

Tipps und Links:

Am 12. November hat die EU-Kommission einen ersten Entwurf der bisherigen Ergebnisse des Fitness Check (Background document) für die Stakeholder-Konferenz online gestellt:

http://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/fitness _check/conference_en.htm

Die Kommissions-Website zum Fitness Check der Naturschutzrichtlinien findet sich hier: http://ec.europa.eu/envi ronment/nature/legislation/fit ness_check/index_en.htm

Im Blog Naturschätze.Retten berichten die Mitar­bei­ter­ (innen) des NABU in Berlin und Brüssel zeitnah über die Ereignisse rund um den Fitness Check, aber auch damit zusammenhängende wichtige nationale Themen: https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/

Kontakt

Claus Mayr ­arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige euro­päische Entwicklungen.

Claus.Mayr@NABU.de

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