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Editorial

Ökosystemleistungen – ein schwerer Weg von der Theorie zur Praxis

Öko … – was? Wieder so ein unverständlicher Modebegriff, mag man sagen. Wie etwa Nachhaltigkeit oder Biodiversität: Seit Jahren mühsam immer wieder (und immer wieder etwas anders) erklärt, doch jeder Einzelne versteht sie doch noch etwas anders. Mit der Folge, dass Biodiversität meist noch immer auf den Teil der Artenvielfalt reduziert wird.

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Gewiss, die Fachdiskussion um Ökosystemleistungen (abgekürzt ÖSL) hat etwas von „altem Wein in neuen Schläuchen“, wie es schon vor Jahren in unserer Zeitschrift stand. Landschaftsplanung versucht seit Jahrzehnten, die Landschaftsfunktionen zu beschreiben. Öko­systemleistungen leisten etwas Ähnliches, aber nicht Identisches: Die anthropozentrische Fokussierung und – wenn auch per definitionem nicht ausschließlich – die ökonomische Brille differenzieren die ÖSL von den wertneutral zu erfassenden Landschaftsfunktionen.

Leistung muss sich lohnen ...

Ökosystemdienstleistungen hieß es zuerst: Dienstleistungen, welche Ökosysteme für den Menschen erbringen. Nur von „Leistungen“ statt „Dienstleistungen“ zu sprechen, verkürzt das Wortungetüm ohne Bedeutungsverlust immerhin von 25 auf 19 Zeichen. Unter Leistungen kann sich die Leistungsgesellschaft etwas vorstellen: gute Noten in Schule oder Studium, Pferdestärken des Autos, hohe Umsätze in Unter­nehmen. Also: Ökosysteme, die etwas „leisten“, sind mehr wert – Leistung muss sich lohnen, also in (besseren) Schutz münden. So die Theorie.

Aber schon aus der Schule wissen wir, dass die Bewertung von Leistungen vielfach etwas sehr Subjektives ist. Ebenso verhält es sich mit der Bewertung von Ökosystemleistungen: Wie schwierig sich die Suche nach nationalen Indikatoren darstellt, zeigt sich im ersten Hauptbeitrag dieses Heftes. Gleiches gilt auf regionaler Ebene für die Biosphärenreservate, denn die UNESCO fordert neuerdings eine Beschreibung der ÖSL im Gebiet.

Pflicht zur Erfassung

Wenn es in Diskussion schwierig wird, lohnt sich meist, nach dem Ziel zu fragen: Warum wollen wir ÖSL bewerten, was ist das Ziel? Die bürokratische Antwort lautet: Weil wir es müssen. Alle EU-Mitgliedstaaten sind in der euro­päischen Biodiversitätsstrategie aufgefordert, bis 2020 die Ökosysteme und ihre Leistungen auf nationaler Ebene zu erfassen. Die forschende und – vereinzelt – die naturschützende Antwort dagegen könnte so ausfallen: Weil sich damit neue Chancen für eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung eröffnen. Wenn es gelingt, plakativ – besonders auch monetär – klarzumachen, welche Werte den Bach runtergehen, wenn der Ackerboden erodiert und das Meer düngt, könnte (sollte) es eher gelingen, wirksamen Erosionsschutz durchzusetzen. Man mag eine solche Ökonomisierung mit Recht kritisieren – aber warum nicht, wenn es hilft? Nur dürfen die Landschaftsfunktionen darüber nicht vergessen werden.

In die Politikumsetzung bringen

Es bleibt die Gefahr der Verzettelung: noch eine komplexe Größe mehr, die viel Arbeitskraft ­bindet. Damit fehlt Zeit der vergleichsweise wenigen Fachleute in Naturschutz und Landschaftsplanung, sich mit ihren anderen Auf­gaben zu befassen. Umso wichtiger ist, konzentriert besonders an dem Ziel der Umsetzung zu arbeiten, wie sie die Autoren in diesem Heft definieren: „Nationale ÖSL-Indikatoren dienen der strategischen Ausrichtung der Umwelt-, Naturschutz- und anderer sektoralen Politiken auf den Zustand und die Leistungen der Ökosysteme. Sie sollen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Ökosysteme beitragen und die Nationale Biodiversitätsstrategie unterstützen.“

Ein weiter Weg, zeigt exemplarisch die endlose Nationalpark-Diskussion im bayerischen Steigerwald: 800 ha Kerngebiet, als Notlösung vorerst als Geschützter Landschaftsbestandteil gesichert, wird wieder aufgehoben, um die alten Buchen – nur mangels wirksamen Schutzes nicht in das Welterbe aufgenommen – doch einschlagen zu können. Wenn sie dann weg sind, kommt der Nationalpark dann wohl doch (siehe Kellerwald-Edersee) – und es dauert Jahrhunderte, bis die kurzsichtig geschlagenen Wunden verheilt sind. Wie wäre es, vor der Säge die Bewertung der ÖSL einzusetzen? So könnte das theoretische Konzept sich vielen Unkenrufen zum Trotz doch als scharfes Schwert erweisen.

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