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Konzeptionelle Überlegungen und Umsetzungserfahrungen

Vernetzung von Offenlandbiotopen in der ­Lüneburger Heide

Abstracts

Die hohe naturschutzfachliche Bedeutung magerer Offenlandbiotope bei gleichzeitig sehr hohem Waldanteil erfordert in der Lüneburger Heide Strategien zur Vernetzung des mageren Offenlandes. Solche Konzepte wurden zunächst für das Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“, den größten Sandheiden Deutschlands außerhalb militärischer Übungsflächen, entwickelt und dann im Rahmen der Neuaufstellung des Landschaftsrahmenplans für den Landkreis Heidekreis auf die regionale Ebene übertragen. Hierzu werden als vernetzende Elemente Wälder aus Lichtbaumarten mit möglichst vielen lichten Strukturen entwickelt. Besonders förderlich wirkt die Waldweide.

Linking open habitats in the ‘Lüneburger Heide’ – conceptual considerations and experiences from implementation

Since the nature reserve ‘Lüneburger Heide’ includes both valuable nutrient-poor open biotopes and a large share of forests, it is necessary to develop strategies to link these open habitats, particularly in view of their importance for nature conservation. Initially developed for the nature reserve ‘Lüneburger Heide’ these strategies have been transferred onto regional level within the establishment of the ‘landscape framework plan’ for the county. Major linking structures are forests of light demanding trees and the largest possible share of open structures.

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1 Problemstellung

Das nordwestdeutsche Tiefland war vor gut 200 Jahren von ausgedehnten Sandheiden, Magerrasen und Mooren bedeckt. Es ist überschlägig von einer ehemaligen Flächen­ausdehnung von deutlich über 1 Mio. ha auszugehen, während gegenwärtig mit 42000 bis 47000 ha nur noch weniger als 5 % der früheren mageren Offenlandbiotope vorhanden sind (Kaiser & Keienburg 2004).

Neben der Überführung des mageren Offenlands in Grünland und Ackerland spielte schon frühzeitig mit dem Wandel der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, der die frühere Heidebauernwirtschaft nicht mehr rentabel machte, die Aufforstung der Flächen eine große Rolle (Peters 1862). Dadurch hat sich in den letzten 200 Jahren die Lüneburger Heide zu einem „Lüneburger Wald“ gewandelt. Während einst große zusammenhängende Flächen magerer Offenlandbiotope existierten, liegen die Sandheiden, Magerrasen und Moore heute im Regelfall inselartig innerhalb von forst- oder landwirtschaftlich genutzten Flächen. Größere zusammenhängende Flächen beschränken sich gegenwärtig auf wenige Naturschutzgebiete und militärische Übungsflächen.

Selbst im zweitältesten Naturschutzgebiet Deutschlands, dem 1922 ausgewiesenen Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ (v. Roeder 2013), ist es seit der Unterschutzstellung zu einem deutlichen Rückgang des mageren Offenlandes gekommen. Heiden, Magerrasen und Moore nehmen heute nur noch 22 % des Gebietes ein, während 66 % von Wald bedeckt sind (Kaiser et al. 2009).

Grundsätzlich haben etwa 2,8 Mio. ha Fläche des niedersächsischen Tieflands das Potenzial zur Entwicklung magerer Offenlandbiotope, was etwa 72,5 % des Gesamt­raums entspricht (Kaiser & Keienburg 2004). Jedoch scheitern großflächige Wiederherstellungen dieser Offenlandbiotope an der fehlenden Flächenverfügbarkeit und den waldrechtlichen Bestimmungen, die bei Waldumwandlungen Ersatzaufforstungen mindestens im Flächenverhältnis 1 : 1 verlangen. Hinzu kommt, dass auch Waldbiotope oft von hoher Bedeutung für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild sind.

Das Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ schützt heute die größten Sandheiden Deutschlands außerhalb militärischer Übungsflächen und der Landkreis Heidekreis ist mit dem Südteil des Naturschutzgebiets „Lüneburger Heide“ sowie den überwiegenden Anteilen der Truppenübungsplätze Bergen, Munster-Nord und Munster-Süd der an Sandheiden reichste Landkreis Deutschlands. Folgerichtig sieht der länderübergreifende Biotopverbund (Fuchs et al. 2010) für diesen Raum Verbundachsen für offenlandgeprägte Feucht- und Trockenlebensräume vor.

Die hohe naturschutzfachliche Bedeutung der überwiegend isoliert gelegenen mageren Offenlandbiotope bei gleichzeitig sehr hohem Waldanteil erfordert Strategien zur Vernetzung des mageren Offenlands, die zunächst für das Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ entwickelt (Kaiser 2008) und dann im Rahmen der Neuaufstellung des Landschaftsrahmenplans für den Landkreis Heidekreis (2013) auf die regionale Ebene übertragen wurden.

2 Verbund magerer Offenland­biotope im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“

Im Rahmen des zwischen 1991 und 2004 durchgeführten Naturschutzgroßprojekts Lüneburger Heide versuchte der Verein Naturschutzpark e.V. als Projektträger zunächst, durch Rückumwandlung von Wald in Heide den Biotopverbund für magere Offenlandbiotope zu stärken. Aufgrund unzureichender Flächenverfügbarkeit, der Widerstände in der Bevölkerung und bei Behörden sowie waldrechtlicher Reglementierungen konnten die entsprechenden Planungen nur zu einem kleinen Teil umgesetzt werden (Kaiser et al. 2009, Mertens et al. 2007). Eine weitere Handlungsoption bestand darin, Offenlandflächen zu Trittsteinen für den Biotopverbund magerer Offenlandbiotope zu entwickeln. In diesem Rahmen wurden in den 1990er-Jahren großflächig devastierte ehemalige militärisch genutzte Flächen zu Heiden und Magerrasen rückentwickelt (Mertens et al. 2007).

Sollen Waldflächen auch für Arten des mageren Offenlands eine Lebensraumfunktion erfüllen oder zumindest für diese Arten durchwanderbar sein, ist eine hohe Lichteinstrahlung erforderlich. Wald aus Lichtbaumarten mit Elementen des mageren Offenlands (z.B. kleine Kahlschlagflächen, breite Wegeschneisen, Lichtungen, teilweise sehr lichte Bestände) weist eine solche Eignung auf. Daher erfolgt der Biotopverbund für das magere Offenland im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ durch die Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide vor allem im Rahmen der Pflege und Bewirtschaftung der stiftungseigenen Wälder als naturnah bewirtschaftetem Wald aus Lichtbaumarten, der knapp 700 ha Fläche umfasst (Kaiser 2008, 2013a, Kaiser & Zimmermann 2013).

Mit diesem Ansatz wird der Wald für Arten des mageren Offenlandes durchgängig gestaltet, ohne dass er umgewandelt werden muss. Waldbauliche Maßnahmen sind die Entnahme von Schattbaumarten, die Förderung der heimischen Lichtbaum­arten Stiel-Eiche (Quercus robur), Trauben-Eiche (Quercus petraea), Hänge-Birke (Betula pendula), Moor-Birke (Betula pubescens), Eberesche (Sorbus aucuparia) und Wald-Kiefer (Pinus sylvestris), die Bekämpfung der neophytischen Späten Trauben-Kirsche (Prunus serotina) durch Wurzelstockrodung und die Entwicklung von tief gestaffelten lichten Waldaußen- und innenrändern wie auch breiter offener Wegesäume. Verjüngungslücken (Kahlschläge) bis 1ha Größe sind erwünscht, weil auf diese Weise temporäre Trittsteine für Arten des mageren Offenlandes geschaffen werden. Hierauf weist beispielsweise Podloucky (2005) in Bezug auf Kriechtiere hin. Lichte Waldstrukturen ermöglichen u.a. Ziegenmelker (Caprimulgus ruficollis) und Wendehals (Jynx torquilla) die Besiedlung (Prüter & Wübbenhorst 2005). Auf etwa 10 % der Fläche werden sehr lichte Waldtypen mit Bestockungsgrad von etwa 0,3 angestrebt (Abb. 1) und auf weiteren 10 % unbestockte Waldlichtungen.

Einige Waldflächen unterliegen zusätzlich einer Beweidung (Abb. 2 bis 4), denn auch für Waldflächen wird die Beweidung zunehmend als bedeutsame Naturschutzmaßnahme erkannt, so zur durch Dornsträucher geschützten Verjüngung von Eichen (z.B. Jedicke & Hakes 2005). Im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ erfolgt die Beweidung teilweise in Weidegattern (Rinder und Pferde – Brenken et al. 2015, Kaiser 2013b), teilweise im Hütungsbetrieb (Heidschnuckenherden mit Ziegenanteil, Kaiser et al. 2009, Mertens et al. 2007). Zwischen den einzelnen Heideflächen wurden in den Wäldern Triften geschaffen, durch die die Heidschnuckenherden von einer zur anderen Heidefläche ziehen können. Die Weidetiere lichten den Wald auf und sie stellen Vektoren für die Ausbreitung von Arten des mageren Offenlandes dar (vgl. Fischer et al. 1995, Zehm 2004).

3 Verbund magerer Offenland­biotope im Landkreis Heidekreis

Im regionalen Maßstab verfolgt der Landkreis Heidekreis (2013) in seinem Landschaftsrahmenplan ähnliche Ansätze, etwa um die Heideflächen des Naturschutzgebiets „Lüneburger Heide“ mit denjenigen der Truppenübungsplätze Munster-Nord, Munster-Süd und Bergen zu vernetzen und damit die Verbundkorridore des länderübergreifenden Verbunds für magere Offenlandbiotope (Fuchs et al. 2010) umzusetzen und um einen regionalen Biotopverbund zu ergänzen. Der Landschaftsrahmenplan sieht in seinem Zielkonzept vor, dass als Kernlebensräume auf 7,2 % des Kreisgebietes Heiden und Magerrasen und auf 2,9 % Hoch- und Übergangsmoore zu erhalten und zu entwickeln sind. Zu deren Vernetzung ist auf 8,0 % des Kreisgebiets der Zieltyp „lichte Wälder“ vorgesehen und auf 8,4 % befinden sich Suchräume für die Entwicklung von Trittsteinbiotopen zur Vernetzung magerer Offenlandflächen. Magerrasen und mesophiles Grünland können hier beispielsweise durch Abschieben nährstoffreicher Oberböden und anschließende Beimpfung mit Diasporen auf ehemaligen Ackerflächen etabliert werden (Kirmer et al. 2012, unveröffentlichte eigene Untersuchungsergebnisse aus Hannover und Celle). Auch wildkrautreiche Sandäcker und Abbauflächen können wertvolle Trittsteine für die Arten des mageren Offenlandes darstellen.

Beim Zieltyp „lichter Wald“ geht es u.a. darum zu verdeutlichen, dass der Unterbau mit Rot-Buchen (Fagus sylvatica) in Wäldern aus Lichtbaumarten im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen aus landschaftsplanerischer Sicht ungeeignet ist, obwohl von der Schattbaumart Buche ­dominierte Wälder großflächig der po­tenziellen natürlichen Vegetation entsprechen (Kaiser & Zacharias 2003). Stattdessen soll sich die Waldbewirtschaftung in den Vernetzungskorridoren für magere Offenlandbiotope aus naturschutzfach­licher Sicht an den Bewirtschaftungsgrundsätzen orientieren, die für die Waldflächen im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ mit dem Zieltyp „naturnah bewirtschafteter Wald aus Lichtbaumarten“ umgesetzt werden.

Literatur

Brenken, H., Kaiser, T., Koopmann, A. (2015): Die Großvieh-Beweidung im Radenbachtal. In: Kaiser, T., Hrsg., Das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide – Natur- und Kulturerbe von europäischem Rang, Teil 2. VNP-Schriften 8, 314-351.

Fischer, S.F., Poschlod, P., Beinlich, B. (1995): Die Bedeutung der Wanderschäferei für den Artenaustausch zwischen isolierten Schaftriften. Veröff. Naturschutz Landschaftspfl. Bad.-Württ., Beih. 83, 229-256.

Fuchs, D., Hänel, K., Lipski, A., Reich, M., Finck, P., Riecken, U. (2010): Länderübergreifender Biotopverbund in Deutschland. Grundlagen und Fachkonzept. Naturschutz und Biologische Vielfalt 96, 191 S. + Kartenteil.

Jedicke, E., Hakes, W. (2005): Management von Eichenwäldern im Rahmen der FFH-Richtlinie. Naturschutz und Landschaftsplanung 37 (2), 37-45.

Kaiser, T. (2008): Strategieentwicklung zur konzeptionellen Integration von Wald und Offenland in der historischen Kulturlandschaft – Pflege- und Entwicklungsplan für die Waldflächen des Vereins Naturschutzpark e.V. im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide. VNP-Schr. 2, 365 S. + 1 Karte.

– (2013a): Waldnaturschutz im FFH-Gebiet „Lüneburger Heide“ auf Flächen der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide. Naturschutz und Biologische Vielfalt 131, 243-253.

– (2013b): Beweidung von Sandheiden, Wald und Grünland mit Rindern und Pferden – Wirkungskontrollen im Radenbachtal, Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“. Jahrb.Naturwiss. Ver. Fürstentum Lüneburg 45, 71-96.

–, Keienburg, T. (2004): Untersuchungen zum Flächenpotenzial kulturbedingter magerer Offenlandbiotope im niedersächsischen Tiefland. NNA-Ber. 17 (2), 27-33.

–, Mertens, D., Zimmermann, M. (2009): Na­turschutzgroßprojekt Lüneburger Heide, Niedersachsen – eine Bilanz nach 14-jähriger Projektlaufzeit. Natur und Landschaft 84 (8), 353-360.

–, Zacharias, D. (2003): PNV-Karten für Niedersachsen auf Basis der BÜK 50 – Arbeitshilfe zur Erstellung aktueller Karten der heutigen potentiellen natürlichen Vegetation anhand der Bodenkundlichen Übersichtskarte 1:50.000. Inform.d. Naturschutz Nieders. 23 (1), 1-60.

–, Zimmermann, M. (2013): Die Wälder der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide. In: Kaiser, T., Hrsg., Das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide – Natur- und Kulturerbe von europäischem Rang, VNP-Schr. 4, 339-354.

Kirmer, A., Krautzer, B., Scotton, M., Tischew, S. (Hrsg., 2012): Praxishandbuch zur Samengewinnung und Renaturierung von artenreichem Grünland. Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Grünland und Futterbau, Irdning.

Landkreis Heidekreis (Hrsg., 2013): Landschaftsrahmenplan für den Landkreis Heidekreis, Hauptband. Bearbeitung: Englert, U., Kaiser, T., Soltau.

Mertens, D., Meyer, T., Wormann, S., Zimmermann, M. (2007): 14 Jahre Naturschutzgroßprojekt Lüneburger Heide. VNP-Schr. 1, 139 S.

Peters, W. (1862): Die Heidflächen Norddeutschlands. Carl Meyer, Hannover.

Podloucky, R. (2005): Verbreitung und Bestandssituation der Kreuzotter (Vipera berus) in Niedersachsen unter Berücksichtigung von Bremen und dem südlichen Hamburg. Inform.d. Naturschutz Nieders. 25 (2), 24-31.

Prüter, J., Wübbenhorst, J. (2005): Langfristige Bestandserfassung ausgewählter Brutvogelarten als Beitrag zur Erfolgskontrolle im Projektgebiet „Lüneburger Heide“. Naturschutz und Biologische Vielfalt 22, 155-167.

Roeder, B.v. (2013): Naturschutzgebiet und Natura 2000-Schutzgebiete. In: Kaiser, T., Hrsg., Das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide – Natur- und Kulturerbe von europäischem Rang, VNP-Schr. 4, 39-55.

Zehm, A. (2004): Praxisbezogene Erfahrungen zum Management von Sand-Ökosystemen durch Beweidung und ergänzende Maßnahmen. NNA-Ber. 17 (1), 221-232.

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