„Gräben vertieft, wo Brücken gebaut werden müssen“
Zu dem Beitrag „Alte Buchenwälder nehmen in Hessen drastisch ab“ von Norbert Panek, Agenda zu Schutz deutscher Buchenwälder, in Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (4), Seite 124-125, nehmen Autoren der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt Stellung.
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Zur BWI-Statistik der Buchenwälder in Hessen
Von Peter Meyer, Hermann Spellmann, Ralf-Volker Nagel und Christoph Fischer
Aus gutem Grund wird in Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt über den Schutz und die Nutzung von Buchenwäldern intensiv diskutiert. Rotbuchenwälder sind schließlich ein ganz wesentlicher Teil unseres Naturerbes und verdienen in besonderem Maße unsere Aufmerksamkeit. Erwartungsgemäß vertreten Forstwirtschaft und Naturschutz oft unterschiedliche Standpunkte, wenn es um die Frage geht, in welchem Umfang und auf welche Weise Buchenwälder genutzt und geschützt werden sollten.
Der Lebenszyklus von Buchenwäldern endet in den Forstbetrieben üblicherweise in der Optimalphase, in einem Altersbereich zwischen 140 und 160 Jahren. Dafür gibt es aus Nutzungssicht gute und mehrheitlich anerkannte Gründe (Entwertungsgefahr, Wertleistung, Holzverwendung usw.). Gleichzeitig besteht aber auch Konsens, dass ein Teil der Buchenwälder ungenutzt bleiben soll, um spätere Waldentwicklungsphasen durchlaufen zu können und darüber hinaus in öffentlichen Wäldern gezielt Strukturelemente der Alters- und Zerfallsphase (Totholz, Habitatbäume und Habitatbaumgruppen) in älteren Buchenbeständen flächendeckend erhalten bleiben.
Als gemeinsame Ausgangsbasis für einen fachlich begründeten Interessenausgleich zwischen Nutzungs- und Schutzbelangen sind belastbare Zustandsdaten, und hier insbesondere die Ergebnisse der Bundeswaldinventuren (BWI), von zentraler Bedeutung. Diese Ausgangsbasis verlässt Norbert Panek mit seiner ausgesprochen einseitigen und oftmals falschen Interpretation der BWI3 für Hessen. Nachfolgend nehmen wir zu zwei wichtigen Themenbereichen Stellung:
Aussagen Norbert Panek: „So sind z.B. im Bundesland Hessen die Anteile alter Buchenwälder in den Altersklassen zwischen 101 bis 160 Jahren seit 2002 um 8600 ha gesunken. Vor allem im hessischen Staatswald nahmen die genannten älteren Altersklassen (bis 160 Jahre) in den Buchenbeständen beträchtlich, nämlich um rund 6600 Hektar ab … Die Bestände, die heute in der Statistik als „über 160-jährig“ geführt werden, sind weitgehend geräumt und aus Naturschutzsicht nahezu entwertet.“
Stellungnahme: Es ist eine simple Feststellung, dass bei der Wiederholung der BWI2 (Stichjahr 2002) nach zehn Jahren alle Bäume zehn Jahre älter geworden sind, soweit sie nicht genutzt wurden oder durch andere Ursachen abgestorben sind. Bei ähnlicher Flächenausstattung, wie in den über 80 Jahre alten Buchenbeständen in Hessen gegeben, verliert näherungsweise eine 20 Jahre umfassende Altersklasse nach zehn Jahren die Hälfte ihrer Fläche an die nächsthöhere Klasse und gewinnt die Hälfte aus der vorangehenden jüngeren Klasse hinzu. Erst der Vergleich zwischen dieser fortgeschriebenen potenziellen und der ermittelten realen Altersklassenverteilung lässt eine sinnvolle Interpretation zu.
Ein solcher Vergleich zeigt, dass sich der gesunkene Flächenumfang der 101 bis 160 Jahre alten Buchen zu rund 44 % durch natürliche Alterung erklären lässt (Tab. 1). Trotz eines relevanten Umfangs an Nutzungen nimmt die Fläche der über 160-jährigen Buchen deutlich zu. Buchenwaldnutzung und Zunahme an Altbäumen finden also offenbar gleichzeitig statt. Der Beitrag von Norbert Panek verstellt den Blick auf diesen Befund und damit auf die eigentlich relevante Frage, inwieweit wir hierin bereits einen sinnvollen Ausgleich zwischen Nutzungs- und Schutzbelangen erkennen können.
Ohne die zunehmende Fläche der über 160 Jahre alten Buchen zu erwähnen, stellt Norbert Panek fest, dass die über 160 Jahre alten Buchenwälder „ … weitgehend geräumt und aus Naturschutzsicht nahezu entwertet sind.“ Als Beleg dient ihm die Auskunft des Landesbetriebs Hessen-Forst, dass 10 % der 160- jährigen Buchenwälder voll bestockt sind. Hier zieht Norbert Panek fragwürdige Schlussfolgerungen. Wenn 10 % der 160-jährigen Buchenwälder voll bestockt sind, heißt das im Umkehrschluss keineswegs, dass die restlichen 90 % geräumt sind. Die Ergebnisse der BWI zeigen jedenfalls, dass in den über 160-jährigen Buchenwäldern Hessens der durchschnittliche Vorrat je Hektar zwischen 2002 und 2012 von 400 m³ auf 421 m³ zugenommen hat. Mit dem Szenario einer weitgehenden Räumung lässt sich dieses Ergebnis nicht in Einklang bringen.
Aussagen Norbert Panek: „Mit 25,5 m³/ha liegt der Totholzvorrat in Hessen insgesamt zwar weit über dem aktuellen Bundesdurchschnitt, bei der Baumartengruppe „Laubbäume ohne Eiche“ aber nur bei 9,5 m³/ha … In vergleichbaren, natürlichen (lange Zeit nicht genutzten) Laubholzbeständen lägen die Totholzanteile in der Regel weit über 100 m³/ha.“
Stellungnahme: Norbert Panek vermischt flächenbezogene Durchschnittswerte (25,5 m³/ha und 100 m³/ha) mit dem Beitrag, den eine bestimmte Baumartengruppe zum Durchschnittswert erbringt. Hier wird vielen Lesern der falsche Eindruck vermittelt, dass in Wäldern der Baumartengruppe „Laubbäume ohne Eiche“ der Totholz-Durchschnittswert nur bei 9,5 m³/ha liegt. Tatsächlich handelt es sich aber um den Beitrag, den das Totholz dieser Baumartengruppe zum gesamten durchschnittlichen Totholzvorrat auf der begehbaren Holzbodenfläche in Hessen beisteuert. Die BWI-Ergebnisdatenbank erlaubt keine Berechnung von Totholzmengen für bestimmte Bestandestypen, wie beispielsweise Buchenwälder.
Die direkte Übertragung von Totholz-Durchschnittswerten aus Urwäldern auf bewirtschaftete Wälder ist zudem wenig zielführend, da diese Mengen in Wirtschaftswäldern naturgemäß nicht erreicht werden können. Stattdessen ist es sinnvoller, Schwellenwerte anzusetzen, ab denen signifikante Effekte auf die Artenvielfalt der an Totholz gebundenen Arten eintreten. Nach einer Überblicksstudie von Müller & Bütler (2010) können 30 m³/ha als entsprechende Grenze angesetzt werden.
Bereits die zwei angesprochenen Themenkreise verdeutlichen, dass Norbert Panek im Namen der Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder die BWI-Ergebnisse mindestens einseitig, oftmals aber auch falsch interpretiert. Damit leistet er einem Feindbild von Forstwirtschaft Vorschub, das uns auf dem Weg zu einem differenzierten Schutz- und Nutzungskonzept für unsere Buchenwälder nicht weiter bringt und Gräben vertieft, wo Brücken gebaut werden müssten.
Literatur
Müller, J., Bütler, R. (2010): A review of habitat thresholds for dead wood: a baseline for management recommendations in European forests. European Journal of Forest Research 129, 981-992.
Anschrift des korrespondierenden Verfassers: Dr. Peter Meyer, Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, Grätzelstraße 2, D-37079 Göttingen. E-Mail peter.meyer@nw-fva.de.
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