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Grundlage zur landschaftsästhetischen Beurteilung von Energietrassen

GIS-gestützte Sichtbarkeitsanalysen von Hochspannungsleitungen

Abstracts

Der Netzausbau ist eine der Folgen der Energiewende, durch die das Landschaftsbild verändert wird. Ein wichtiger Teilaspekt bei der Bewertung der Auswirkungen auf Natur und Landschaft ist die Ermittlung der von den Freileitungen hinsichtlich des Landschaftsbilds beeinträchtigten Flächen, also der Flächen mit Sichtbeziehung zur Freileitung. Dabei werden in der Praxis regelmäßig ausschließlich die Masten als visuell dominante Objekte in die Untersuchungen einbezogen. Die „Verdrahtung“ der Landschaft durch die Leitungsseile wird in der Regel nicht berücksichtigt.

In dieser Untersuchung wurde analysiert, wie sich die Einbeziehung der Leitungsseile (mit einer geringeren Maximalentfernung der Wahrnehmbarkeit) auf die Ermittlung der landschaftsästhetisch betroffenen Fläche auswirkt. Dazu wurden unterschiedliche Modellierungsansätze der Leitungsseile in Geographischen Informationssystemen (GIS) analysiert.

Die Ergebnisse der Sichtbarkeitsberechnungen von Masten und Leitungsseilen wurden mit Sichtbarkeitsanalysen, welche ausschließlich die Masten berücksichtigen, verglichen. Am Beispiel der Stadt Dortmund zeigte sich, dass die von Freileitungen beeinträchtigte Fläche systematisch um mehr als 7 % unterschätzt wird, wenn die Leitungsseile nicht in die Sichtbarkeitsanalyse mit einbezogen werden. Auf der Basis dieser Erkenntnisse werden Empfehlungen für die Praxis gegeben.

GIS-based Analysis on the Visual Impact of Power Lines – Base for the evaluation of landscape aesthetics of transmission lines

The construction of power lines has significant visual impacts on the landscape, gaining increasing significance with the planned grid extensions. It is one of the key aspects for the evaluation of the effects on nature and landscape to identify the areas which are affected visually by the power lines, i.e. those areas which have an unobstructed sight-of-line to the power line. In practice, these investigations regularly focus on the pylons as visually dominant objects, usually ignoring the “wiring” of the landscape by the cables.

The investigation analyses the effects of integrating the cables (which can only perceived from a smaller distance) into the identification of the area affected visually, using different modelling approaches of the cables in geographic information systems.

The calculation results of the visibility of both pylons and wires were compared to analyses only focusing on pylons. Using the example of the city of Dortmund the results showed that the area affected by power lines has regularly been underestimated by more than 7 % if the wires were not considered. Based on these findings, the study gives recommendations for future planning practice.

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Abb. 1: Strommast als visuell dominantes Landschaftselement, während die Leitungsseile aufgrund der Entfernung kaum wahrnehmbar sind.    Foto: Christina Haubaum (2014)
Abb. 1: Strommast als visuell dominantes Landschaftselement, während die Leitungsseile aufgrund der Entfernung kaum wahrnehmbar sind. Foto: Christina Haubaum (2014)
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1 Einleitung

Die Untersuchung der Sichtbarkeit von Strommasten ist gerade in Zeiten der Energiewende in Deutschland ein aktuelles Thema. Durch die Abschaltung bestehender Atomkraftwerke und den Ausbau der erneuer­baren Energien ändern sich die Standorte für die Erzeugung von Strom und es werden neue Transportleitungen benötigt (vgl. Bundesbedarfsplangesetz § 1 inkl. Anlage sowie Bundesnetzagentur 2015). Bei der Planung von Stromtrassen müssen sehr unterschiedliche Belange in die Überlegungen einbezogen werden. Ein Spannungsfeld besteht beispielsweise bei den Grundsätzen der Raumordnung, einerseits den Ausbau erneuerbarer Energien und der benötigten Energienetze zu fördern und andererseits die Land­schaft und das Landschaftsbild zu schützen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2, 4 und 5 Raumordnungsgesetz).

Wie sehr das Landschaftsbild durch eine Stromtrasse beeinträchtigt wird, ist Gegen­stand mehrerer Untersuchungen (z.B. Gerbaulet 1994, Niedersächsischer Landkreistag 2011, Paul et al. 2004, Wedeck 1996). Zumeist wird dabei auf die Arbeiten von Nohl (1993) Bezug genommen, der eine Methode zur Ermittlung der Schwere einer Beeinträchtigung des Landschaftsbilds und des daraus resultierenden Kompensationsumfangs entwickelt hat. Grundlegend ist bei derartigen Untersuchungen immer das Durchführen einer Sichtbarkeitsanalyse, um die betroffenen Flächen, also den Wirkraum der Freileitung, zu ermitteln.

Die meisten Sichtbarkeitsanalysen berücksichtigen ausschließlich die Masten als das Landschaftsbild beeinträchtigende Objekt und führen keine weitere Untersuchung zu der Sichtbarkeit der Leitungen durch (vgl. Paul et al. 2004). Masten sind visuell dominanter, da sie stärker und über weitere Strecken wahr­genommen werden können (Abb. 1), jedoch führen auch Leitungen zu einer „Verdrahtung“ des Landschaftsbilds (z.B. Bayerl 2005, s. Abb. 2). In diesem Beitrag wird untersucht, in welchem Ausmaß sich die Ergebnisse von Sichtbarkeitsberechnungen ändern, wenn die Leitungsseile miteinbezogen werden.

Eingangs ein Hinweis zur Terminologie: Wenn im Folgenden von Freileitung geschrieben wird, so ist die komplette Leitung damit gemeint. Diese bestehen aus den Masten und den Leitungsseilen.

2 Zielsetzung

Das Ergebnis von Sichtbarkeitsanalysen hängt grundsätzlich von zwei Faktoren ab: der Genauigkeit und Auflösung der digitalen Höhenmodelle (Gelände- und Oberflächenmodell) und den gegebenen Informationen zu dem betrachteten Zielobjekt der Sichtbeziehung. Mehrere Studien haben sich bereits mit der Frage beschäftigt, wie hochauflösend Gelände- bzw. Oberflächenmodelle sein sollten, um valide Ergebnisse bei Sichtbarkeitsberechnungen zu erhalten (z.B. Roth et al. 2015, Schulte-Braucks 2011,Täuber & Roth 2011). Ein anderer Ansatz ist, das zu untersuchende Objekt mit unterschiedlichem Differenzierungsgrad in die Analysen einzubeziehen.

In der vorliegenden Untersuchung liegt der Schwerpunkt auf Freileitungsmasten und -seilen. Die zentrale Frage lautet: Welcher Grad an Detailliertheit der Modelle der Leitungsseile ist empfehlenswert, um bei einer GIS-basierten Sichtbarkeitsanalyse für Stromleitungen und masten ein valides Ergebnis zu bekommen, das auch unter Praxisbedingungen (Hardware, Software, Daten) erreichbar und hinsichtlich der Beurteilung von Auswirkungen auf das Landschaftsbild aussagefähig ist? Zur Beantwortung werden zwei Aspekte genauer untersucht: Zum einen stellt sich die Frage, wie genau (also durch wie viele zwischen den Masten liegende Punkte) die Leitungsseile in der Sichtbarkeitsanalyse repräsentiert werden sollen. Zum anderen wird untersucht, ob die Betrachtung unterschiedlicher Höhen/Ebenen der Leitungsseile (Erdseil, Traversen) die potenziell beeinträchtigten Flächen (also solche mit Sichtbeziehungen zur Freileitung) erweitert.

3 Datengrundlage

Als Untersuchungsgebiet wird das Gebiet der Stadt Dortmund herangezogen, einer Stadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets in Nordrhein-Westfalen. Die Datenbasis der Untersuchung bilden ein Digitales Oberflächenmodell (DOM), ein Digitales Geländemodell (DGM) und die auto­matisierte Liegenschaftskarte (ALK) für Dortmund, welche von dem Fachgebiet Raumbezogene Informationsverarbeitung und Modellbildung (RIM) der Fakultät Raumplanung an der Technischen Universität Dortmund zur Verfügung gestellt wurden.

Die Rasterdaten des DOM und des DGM haben eine Auflösung von 1 x 1 m und wurden per Laserscanning erfasst. Die Auflösung wurde auf 2 x 2 m reduziert, wodurch kein signifikanter Einfluss auf die Berechnungsergebnisse der Sichtbarkeitsanalysen anzunehmen ist (Schulte-Braucks 2011: 95), aber die benötigte Rechenzeit und Speicherkapazität auf ein Viertel verringert wird.

Die Untersuchung wurde nicht für geplante, sondern für bereits existierende Strommasten und -leitungen durchgeführt. Damit ist grundsätzlich auch eine Validierung der Ergebnisse durch Vergleich mit der konkret vor Ort vorgefundenen Situation möglich. Mit dem DOM als Basis für die Sichtbarkeitsanalysen im GIS wären allerdings nur Berechnungen für die existierenden Mastspitzen und das Erdseil möglich, da die Zielobjekte auf bzw. über der Oberflächenhöhe simuliert werden. Um die nötigen Berechnungen durchzuführen, wurde das DOM im Bereich der Stromtrassen durch das DGM ersetzt, wodurch auch Punkte unterhalb der Höhe der Mastspitzen in die Analysen einbezogen werden konnten.

4 Methode

Für die Berechnungen wurde das Geoinformationssystem ArcGIS 10.1 der Firma ESRI verwendet. Das Tool „Viewshed“ eignet sich für die Berechnung der Sichtbeziehungen und bietet mehrere Modifikationsmöglichkeiten (für nähere Informationen s. ESRI 2012). Unter anderem kann ein maximaler Untersuchungsradius angegeben werden, innerhalb dessen die Sichtbeziehung berechnet werden soll. Da der Schwerpunkt in dieser Arbeit auf der zusätzlichen Beeinträchtigung durch die Leitungsseile (im Vergleich zu den Masten) liegt, wird für die Leitungsseile ein maximaler Wahrnehmungsradius hergeleitet und das Untersuchungsgebiet dann darauf beschränkt.

Es gibt in der Literatur keinen Konsens hinsichtlich der Begrenzung des wahrnehmbaren Bereichs für Leitungsseile. Cerwenka & Matthes (1981) setzen die physiologische Grenze des Sehvermögens bei 1500 m. Jarass et al. (1989) definieren einen mittelbaren Nahbereich bis etwa 300 m Entfernung, der Fernbereich sollte mindestens bis zu einem Radius von 1000 m berücksichtigt werden. Köppel et al. (1998) unterscheiden nach geringer Fernwirkung bei 300 bis 500 m und größerer Fernwirkung bis 1000 m, die unter anderem für Freileitungen verwendet werden.

Bei den meisten Sichtbarkeitsanalysen wird auf die Arbeit von Nohl (1993) Bezug genommen (beispielsweise Paul et al. 2004 und Roth 2002). Nohl un­terscheidet das potenziell beeinträch­tigte Gebiet von mastenartigen Eingriffen in drei visuelle Wirkzonen, die mit festgelegten Radien um das Eingriffsobjekt herum ermittelt werden. Die erste Wirkzone reicht bis 200 m, es folgt eine ­zweite bis 1500 m, der sich die letzte mit einer Entfernung bis zu 10000 m anschließt.

Die Berechnung der Sichtbarkeit von Leitungsseilen wird aufgrund der im Vergleich zu den Masten geringeren optischen Dominanz auf 1500 m begrenzt. Eine erhebliche visuelle Wirkung der Leitungen in der dritten Wirkzone nach Nohl (zwischen 1500 und 10000 m) wird aufgrund der physiologischen Möglichkeiten nicht angenommen. Da die im Vergleich zur ausschließlichen Betrachtung der Masten zusätzlich durch die Leitungsseile beeinträchtigten Räume den Untersuchungsschwerpunkt bilden, können auch die Sichtbarkeitsanalysen für die Masten auf diese Entfernung eingeschränkt werden. Es müssen somit für den Vergleich nur die Bereiche um die Masten analysiert werden, in denen auch Leitungen potentiell sichtbar sind. Für die spätere Auswertung wird ein Korridor um die Leitungen gebildet, der durch die Sichtbarkeitsberechnungen abgedeckt ist (Abb. 3).

In diesem Korridor sind noch Flächen enthalten, die nicht als Standort potenzieller Beobachter geeignet sind. Stehende Gewässer werden ausgeschlossen, da auf den meisten Wasserflächen in Dortmund keine Freizeitnutzung erlaubt ist. Zudem sind bei der Sichtbarkeitsanalyse mit einem DOM als Basis auch Bereiche mit sichtverschattenden Nutzungshöhen nachträglich auszuschließen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass dort die Oberflächenhöhe deutlich über der des Geländes liegt und die Oberfläche sich nicht als Standort potenzieller Betrachter eignet (beispielsweise Waldflächen, bebaute Flächen). Ist die Differenz zwischen der Höhe der Oberfläche und der des Geländes größer als die angenommene Augenhöhe (1,62 m), so wird die Fläche aus dem Sichtbereich herausgeschnitten.

GIS-basierte Sichtbarkeitsanalysen ermitteln stets, von welchen Flächen eines Geländemodells aus bestimmte, durch Punktobjekte repräsentierte Strukturen sichtbar sind. Bilden linien- oder flächenhafte Strukturen den Gegenstand der Untersuchung, so müssen diese auf Punktmengen reduziert werden. Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die im Folgenden beschrieben werden.

Das verwendete Tool „Viewshed“ bietet die Möglichkeit, Linienobjekte direkt als zu untersuchendes Objekt zu nutzen, dabei werden allerdings nur die Knoten- und Eckpunkte für die Bestimmung der Sichtbeziehungen verwendet (s. ESRI 2012). Die Ergebnisse einer solchen Berechnung sind somit allein von der Digitalisierung der Linienobjekte abhängig und damit eher zufällig und nicht systematisch belastbar. In der vorliegenden Untersuchung werden den Linien an definierten Stellen Objektpunkte zugewiesen, die ein verlässliches Ergebnis liefern sollen.

Grundsätzlich werden die Masten und Leitungen in der hier vorgestellten Studie auf drei unterschiedlichen Höhenniveaus betrachtet und als Objektpunkte in die Sichtbarkeitsanalyse einbezogen. Das erste Höhenniveau (Niveau 1) wird durch die Spitze der Masten festgelegt. Die anderen beiden sind durch die jeweilige Höhe der zwei Traversen definiert (Niveau 2 bzw. 3). Die Masten erhalten auf Niveau 1 einen Punkt an ihrer Spitze und auf Niveau 2 und 3 drei Punkte, jeweils in der Mitte und am äußeren Ende der Traversen. Die Leitungsseile erhalten stets einen Objektpunkt in der Mitte der Teilstücke zwischen zwei Masten.

Leistungsseile können insbesondere im Nahbereich (200 bis 300 m Abstand, s.o.) Auswirkungen auf das erlebte Landschaftsbild haben. Bei Leitungen, die mehr als 250 m Entfernung zwischen zwei Masten überspannen, wird angenommen, dass es Flächen mit Sichtbeziehung gibt, die bei Berechnungen mit dem Leitungsmittelpunkt und den Masten nicht ermittelt werden. 59 % der einzelnen Leitungsabschnitte sind mindestens 250 m lang, insgesamt machen sie 72 % der Gesamtlänge aller Leitungen im Untersuchungsgebiet aus. Diese Leitungsabschnitte erhalten zwei zusätzliche Verortungspunkte, jeweils in der Mitte zwischen dem bereits gesetzten Mittelpunkt und dem nächsten Masten (also bei ¼ und ¾ der Länge des Abschnitts zwischen den Masten). Die Leitungsseile erhalten somit bis zu drei Berechnungspunkte zwischen den Masten (Abb. 4).

Die ALK enthält die Freileitungen als geographisch verortete Linienobjekte und die Masten als Punktobjekte. Um die Erstellung der Punkte auf den Leitungen zu erleichtern, sollten die Linienobjekte im GIS (also die Leitungsseile) nur von Mast zu Mast reichen. Mit dem Werkzeug „Split Line At Point“ kann dies gewährleistet werden. Der Befehl „Feature To Point“ erzeugt anschließend die Mittelpunkte der einzelnen Leitungsseilabschnitte als Objekte im GIS (Leitungspunkt 1). Auf die gleiche Weise werden für Leitungen mit einer Gesamtlänge von mindestens 250 m noch zwei weitere Punkte bei ¼ und ¾ der Länge erzeugt (Leitungspunkte 2). Die Mastspitzen von Niveau 1 können als GIS-Objekte für die mittleren Mastpunkte für Niveau 2 und 3 übernommen werden, es ändert sich lediglich die zugewiesene Höheninformation. Die Außenpunkte der Traversen wurden manuell digitalisiert (Mastaußenpunkte), ebenso die daran befestigten Leitungsseile. Die Punkt-Objekte auf ihnen werden wie bei Niveau 1 erzeugt.

Die Höheninformationen der Masten sind prinzipiell aus dem DOM ablesbar. Um die Analyse zu vereinheitlichen, wurden der Berechnung jedoch standardisierte Masthöhen zugrunde gelegt. Mit Hilfe des DOM konnten drei Bauweisen unterschieden werden, die sich durch die Traversenbreite charakterisieren. Für Traversen mit einer Breite bis zu 20 m wurde die Bauart „kleiner Donaumast“ angenommen. Entsprechend wurde bei Traversen mit bis zu 30 m Breite die Bauweise „großer Donaumast“ und bei noch größeren die Bauart „Tragmast“ als Annahme getroffen, um den Punkten Eigenschaften für die Sichtbarkeitsberechnung zuweisen zu können. Entsprechend Tietz (2007: 96f.) konnten sowohl den Punkten, die die Mastspitze repräsentieren, als auch den Traversen und den Leitungen artspezifische Höhen zugewiesen werden (Tab. 1).

Es wurden einzelne „Viewshed“-Berechnungen für die unterschiedlichen Typen durchgeführt, die anschließend kombiniert werden können. Für das Höhenniveau 1 stehen somit insgesamt drei Raster mit den „Viewshed“-Ergebnissen der Mastpunkte, der Leitungsmittelpunkte und der Punkte auf ¼ und ¾ der Leitungslänge zur Verfügung. Für die Höhenniveaus 2 und 3 kommen zusätzlich die Ergebnisse der Traversenaußenpunkte als Raster ­hinzu. Insgesamt bilden dementsprechend elf Sichtbarkeitsraster die Grundlage für die weiteren Berechnungen, drei für Niveau 1 und jeweils vier für Niveau 2 und 3.

Grundsätzlich wird geprüft, ob es Flächen gibt, die erst durch die zusätzlich gesetzten Punkte der Leitungen und Traversenenden als „sichtbar“ klassifiziert werden, und um welchen prozentualen Anteil der Gesamtsichtraum dadurch vergrößert wird. Um die zentrale Frage dieser Untersuchung nach einer empfehlenswerten Detailliertheit bei Sichtbarkeitsanalyse für Stromleitungen und masten beantworten zu können, werden zwei Varianten betrachtet. Einerseits wird nach individuellen Höhenniveaus unterschieden, also beispielsweise, ob Leitungspunkte auf dem Niveau 1 Flächen zu dem Sichtraum der Mastspitzen hinzufügen. Die Größe der sichtbaren Flächen von der Mastspitze bzw. der Mastinnenpunkte auf den Niveaus 2 und 3 dienen aus zwei Gründen dabei als Bezugsgröße: Zum einen werden die Mastspitzen in der Planungspraxis üblicherweise in Sichtbarkeitsanalysen einbezogen, so dass ihr Sichtraum als Vergleichswert/Basis verwendet werden sollte; zum anderen sind diese Punkte bereits in der Datengrundlage (ALK) enthalten und unterscheiden sich lediglich durch die zugeordnete Höheninformation. Bei der zweiten Untersuchungsvariante wird geprüft, ob durch Mast- und Leitungspunkte auf tieferliegenden Höhenniveaus zusätzliche Sichtbeziehungen entstehen.

5 Ergebnis

Durch das Einbeziehen von Punkten auf niedrigeren Höhenniveaus werden erwartungsgemäß keine neuen Flächen als „sichtbar“ klassifiziert. Eine umgekehrte Betrachtung ist für diese Untersuchung nicht interessant, da davon ausgegangen wird, dass in der Praxis nicht zuerst die tiefer gelegenen Punkte in einer Sichtbarkeitsanalyse verwendet werden. Es lässt sich festhalten, dass durch die Betrachtung tiefer liegender Punkte keine relevante quantitative Flächenzunahme entsteht.

Bei der Betrachtung der einzelnen Höhenniveaus werden durch zusätzliche Punkte auf den Leitungen neue Flächen mit Sichtbeziehung ermittelt (Tab. 2). Bei dem Höhenniveau 1 erweitern die Mittelpunkte der Leitungsseile die Fläche mit Sichtbeziehung um mehr als 7 % (Vergleichswert: Ergebnis nur für die Mastspitzen). Allein die zusätzlichen Punkte auf Leitungsseilen mit einer Länge über 250 m (Leitungspunkte 2) vergrößern den Bereich mit Sichtbeziehung um fast 9 %. Bei den tiefer liegenden Höhenniveaus 2 und 3 haben die zusätzlichen Punkte auf den Leitungsseilen einen noch höheren Effekt auf die Flächen mit Sichtbeziehung. Da die Mastinnenpunkten weniger Sichtbeziehungen zu dem umliegenden Gelände haben, steigern zusätzliche Punkte die beeinflusste Fläche um bis zu 10 %. Auch die Punkte an den Enden der Traversen (Mastaußenpunkte) vergrößern die Fläche um 5 bis 7 %.

Fügt man die Flächen mit Sichtbeziehungen zu dem Masten-Punkt mit den Ergebnissen der Leitungsmittelpunkte zu einem neuen Vergleichswert zusammen, halbiert sich der Einfluss der zusätzlichen Punkte auf langen Leitungsseilen auf die Hälfte des ursprünglichen Werts. Die Flächenzunahme durch die Außenpunkte der Traversen sinkt auf 3 bis 4 % (Tab. 3).

6 Interpretation

Betrachtet man die Ergebnisse im Zusammenhang, kann man die Berechnungen für die Höhenniveaus 2 und 3 vernachlässigen, wenn der Fokus auf der Existenz von Sichtbeziehung (ja/nein) liegt. Bei dem Höhenniveau 1 bringen die zusätzlichen Leitungspunkte eine deutliche Steigerung der betroffenen Fläche. Eine Vergrößerung um 7 % (bzw. 480 ha im Untersuchungsraum) durch den Leitungsmittelpunkt auf dem Höhenniveau 1 wird als höchst relevant bewertet, da sonst eine systematische Unterschätzung der betroffenen Flächen vorliegt. Diese Fehleinschätzung der beeinträchtigten Räume überschreitet übliche Toleranzschwellen bei weitem.

Die zentrale Frage dieser Studie lässt sich mit den vorliegenden Daten für den Untersuchungsraum Dortmund beantworten: Die zusätzlichen Punktobjekte in der Mitte der einzelnen Freileitungsabschnitte erhöhen die beeinflusste Fläche in einem relevanten Ausmaß. Weitere Punkte auf den Leitungen mit einer Gesamtlänge über 250 m vergrößern diese Fläche noch zusätzlich. Da die Punkte, welche die Leitungsseile repräsentieren, sich direkt aus der Datengrundlage ableiten lassen ist der zeitliche Aufwand nahezu auf die zusätzlichen Sichtbarkeitsberechnungen beschränkt. Die Betrachtung der tiefer liegenden Höhenniveaus 2 und 3 (und damit verbunden die aufwändige Erstellung von Objektpunkten) scheint nicht notwendig, da die oberste Untersuchungsebene alle potentiell beeinflussten Flächen ermittelt.

7 Diskussion und weiterer ­Forschungsbedarf

Generell lässt eine einzelne Untersuchung noch keine allgemeingültigen Aussagen zu einem Sachverhalt zu. Durch die getroffenen Annahmen bei der Berechnung der Flächen mit Sichtbeziehung soll ein valides Ergebnis sichergestellt werden. Insbesondere die Einschränkung auf den physiologisch wahrnehmbaren Bereich des Menschen gewährleistet, dass die Leitungsseile nicht nur theoretisch sichtbar sind, sondern auch praktisch eine erhebliche Wirkung auf das Landschaftsbild haben. Stichprobenartig sind die hier vorgestellten Ergebnisse im Gelände bestätigt worden, eine flächendeckende systematische Überprüfung steht noch aus, ist aber mit den vorhandenen Daten grundsätzlich möglich.

Unterschiedliche Landschaftsstrukturen (Waldbestand und verteilung; Topografie) haben einen Einfluss auf das Ergebnis von Sichtbarkeitsanalysen. Eine Anwendung der Methode auf andere Untersuchungsgebiete wäre sinnvoll, um zu prüfen, wie sich der Einfluss der Leitungspunkte beispielsweise durch eine andere Topografie verändert. Dortmund liegt zum Teil in der Westfälischen Bucht und ist dementsprechend flach, andererseits ist der Süden der Stadt durch die Ausläufer des deutschen Mittelgebirges geprägt. Eine Betrachtung getrennt nach eher flachen und eher bergigen Gebieten könnte bereits spezifischere Ergebnisse liefern.

Wie viele Punkte benötigt werden, um die Leitungsseile bei der Sichtbarkeitsanalyse valide zu repräsentieren, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Die verwendete Methode mit systematisch definierten Objektpunkten auf den Leitungsseilen (auf ¼, ½ und ¾ der Länge zwischen zwei Masten) liefert im Gegensatz zur Standardmöglichkeit (Linienobjekt bei „Viewshed“) reliable Ergebnisse. Ob die aktuell betrachtete Anzahl ausreicht oder ob eine detailliertere Betrachtung zu einer wesentlichen Vergrößerung der Flächen mit Sichtbeziehung führt, muss weiter untersucht werden. Mit der ständigen Weiterentwicklung der Rechnerleistung, auch in kleineren und mittleren Planungsbüros, sind in Zukunft auch größere Datenmengen in der Sichtbarkeitsanalyse handhabbar.

Bislang gibt es keine Untersuchung zu den Auswirkungen der Verdrahtung auf die individuelle qualitative Bewertung des Landschaftsbilds. Ebenso ist keine Studie bekannt, durch die belegt wird, dass die Berücksichtigung der Freileitungsmasten ausreicht. Hier besteht noch grundlegender Forschungsbedarf, etwa durch Befragungen als Methode zur Landschaftsbildbewertung. Wenn man davon ausgeht, dass die Verdrahtung Einfluss auf die individuelle qualitative Bewertung des Landschaftsbilds haben kann, die über die Wirkung der Masten hinausgeht, sollten die betroffenen Flächen bei der Ermittlung des Wirkraums von Hochspannungsleitungen auf das Landschaftsbild einbezogen werden.

Literatur

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Anschriften der Verfasser(in): M.Sc. Christina Haubaum, Technische Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Landschaftsökologie und Landschaftsplanung, August-Schmidt-Straße 10, D-44227 Dortmund, E-Mail christina.haubaum@tu-dortmund.de; Prof. Dr. Michael Roth, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Fakultät Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung, Fachgebiet Landschaftsplanung, insbesondere Landschaftsinformatik, Schelmenwasen 4-8, D-72622 Nürtingen, E-Mail michael.roth@hfwu.de.

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