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Diskussion

Wertholz auf ­Böschungen und Feld­rainen?

„Vollständiger Verlust der Offenlandarten droht“

Von Dorothee Hartmann und Thomas Herrmann

Optionen der Wertholzproduktion auf Böschungen und Feld­rainen regten Michael Nahm, Christopher Morhart, Heinrich Spiecker und Udo Hans Sauter mit ihrem Beitrag „Agroforst ganz am Rande“ in Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (12), 2014, Seiten 377-381, an. Ein Leserbrief warnt vor dem dadurch drohenden Verlust letzter naturnaher Strukturen.

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Jetzt sollen auch noch die letzten Winkel unserer bereits durch die landwirtschaftliche Industrialisierung, nicht zuletzt aufgrund des EEG, weitgehend leblos gewordenen Landschaft für die Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen – in diesem Fall für Wertholz – herhalten! Die offenen Feldraine und Böschungen, die nicht traditionell bisher für Obstbäume oder Hecken genutzt werden, weisen oft die allerletzten Überbleibsel der artenreichen Magerrasen, Halbtrockenrasen, Berg- und Flachlandmähwiesen auf, die es überhaupt in den Gemeinden noch gibt, da die restlichen Wiesen umgebrochen oder zu Fünf-Arten-Grünland aufgedüngt wurden.

Eine Bepflanzung solcher Standorte kann nicht nur, wie in Abschnitt 5 des Beitrages kurz erwähnt, sondern wird aufgrund von Beschattung, Veränderung des Mikroklimas und Konkurrenzkraft der Gehölze immer zu einem vollständigen Verlust der Offenlandarten der Magerrasen und -wiesen sowie der mesophilen Wiesenarten und der daran gebundenen Fauna (vor allem Insekten und Reptilien, allen voran die Zauneidechse) führen.

Nicht jeder dieser Standorte ist sonnig, nicht jeder dieser Standorte weist Vegetation nach §30 BNatSchG auf – und trotzdem bietet er der Wiesenflora und fauna noch Lebensraum und fördert den Biotopverbund in der Fläche für diese Arten. Vögel und Gehölze sind nicht das alleinige Kriterium für Biotopverbund! Tagfalter, Heuschrecken und Wildbienen sind zwingend auf die oft kleinflächigen, artenreichen offenen Strukturen in der Landschaft angewiesen, Wildbienen sichern als unabdingbare Bestäuber die Biodiversität der heimischen Pflanzenarten und den Fruchtertrag von Obstbäumen.

Sie erweisen also der Biodiversität einen Bärendienst, diese Form der Holzproduktion zu empfehlen und das Konfliktpotenzial nicht wirklich zu beleuchten und Tabubereiche nicht festzulegen. Es sollten Standorte mit mageren und mesophilen Kraut- und Wiesensäumen unabhängig von ihrem gesetzlichen Schutzstatus für Anpflanzungen tabu sein. Aber wer prüft dies nach, wenn die Fördermittel fließen?

Gerade die Aussage des vorangegangen Beitrags zu Artenschutz und Windkraft, dass die Wahrung der Artenvielfalt bzw. ihre Restaurierung genauso ein hohes umweltpolitisches und gesellschaftliches Ziel wie die ressourcenschonende Nutzung der Energie darstellt und dass vielmehr die Wahrung der Artenvielfalt sogar den Rang eines Staatszieles genießt, muss bezüglich der „Agroforste am Rand“ auch angewendet werden! Spätestens beim Einsatz von öffentlichen Fördermitteln zur Nutzung der Raine und Böschungen gemäß Vorschlag des Beitrags kann auch der letzte Rest der Artenvielfalt in den Gemeinden, den die katastrophal wirkende Förderung der Biogasanlagen nach EEG noch übriggelassen hat, endgültig einpacken.

Anschrift der Verfasser(in): Dorothee Hartmann und Thomas Herrmann, Landschaft + Plan Passau, Passauer Straße 21, D-93127 Neuburg a. Inn, E-Mail dorothee.hartmann@landschaftundplan-passau.de.

„Pauschal-Ablehnung selten ­hilfreich“

Von Michael Nahm, Christopher Morhart, Heinrich Spiecker und Udo Hans Sauter

Auf den vorstehenden Leserbrief zu ihrem Beitrag „Agroforst ganz am Rande“ antworten die kritisierten Autoren.

In einem Leserbrief zu unserem Artikel „Agroforst ganz am Rande“ haben Dorothee Hartmann und Thomas Herrmann harsche Kritik an dem von uns vorgestellten Ansatz geübt. Ihre Argumentation ist bei näherer Betrachtung jedoch einseitig, überzogen und letztlich nicht zielführend für eine objektive Diskussion.

1. Wir selbst haben in unserem Artikel explizit darauf verwiesen, dass die Pflanzung von Wertholzbäumen an Feld­rändern und auf Böschungen aus naturschutzfachlicher Sicht nicht überall empfehlenswert ist, und dass die diesbezügliche Situation vor Ort geprüft werden sollte (siehe z.B. Punkt 1 im „Fazit für die Praxis“, S. 381).

2. Zahlreiche Feldränder und Böschungen, oft sogar der Großteil, befinden sich keineswegs in einem solchen Zustand, dass sie durch das Einbringen von hochstämmigen Bäumen hinsichtlich ihrer Biodiversität entwertet würden – ganz im Gegenteil. Zudem sind viele weitere Randstreifen ohnehin schon mit Gehölzen und für den Landwirt praktisch wertlosen Bäumen bestanden. In all diesen Fällen spricht nichts gegen den Anbau von hochstämmigen Wertholzbäumen. Hartmann und Hermann hingegen stellen eine ausgeräumte Feldflur ohne Bäume als naturschutzfachlich erstrebenswertes Ziel dar, um die Biodiversität von artenreichen Relikt-Säumen zu erhalten – eine reichlich eindimensionale Interpreta­tion der Situation und möglicher Handlungsspielräume. Manche ihrer Begründungen hierfür wirken zudem kon­struiert – z.B. dass die Zaun­eidechse „immer“ verschwinden würde, sobald hochstämmige Einzelbäume heranwachsen. Gerade die Zauneidechse gilt als Bewohnerin strukturreicher Säume, die sehr wohl schatten- und deckungsspendende Bäume oder Gehölze enthalten dürfen. Man darf außerdem annehmen, dass eine Böschung, wie sie in unserem Aufsatz in Abb. 1c gezeigt ist, für die Zauneidechse besser geeignete Habitateigenschaften aufweist als die noch wesentlich schattigere real vorhandene Böschung in Abb. 1b. Das heißt, je nach Qualität und Quantität eines vorhandenen Böschungsbewuchses ließen sich mit dem von uns vorgestellten Ansatz Lebensräume für thermophile und mesophile Tier- und Pflanzenarten sogar fördern.

3. Mit Wertholzbäumen sind insbesondere Baumarten wie Vogelkirsche, Speierling, Nussbaum und auch Wildobst­arten gemeint. Diese Arten gelten aus naturschutzfachlicher Sicht gemeinhin als erwünscht und sie bereichern Habitate in vielerlei Hinsicht.

4. Der ländliche Raum ist ein komplexes System, worin ökosystemare und soziale Strukturen wechselwirken und aufeinander abgestimmt werden müssen. Daher sollte jeder Landnutzungsansatz, der sowohl der Verhinderung weiterer großflächiger Monokulturen als auch dem nachhaltigen Kapitalaufbau im ländlichen Raum dient, zunächst einmal begrüßt werden. Die Feinabstimmung der etwaigen Umsetzungsmöglichkeiten sowie die Spezifizierung von Problembereichen würden in weiteren Schritten erfolgen und, falls nötig, eine rechtliche Klärung und Genehmigungspflicht enthalten. Die emotional geprägte Pauschal-Ablehnung einer neuen Idee hat sich in diesem Kontext hingegen selten als hilfreich erwiesen.

5. Dies gilt erst recht, wenn dazu unrealistische Zukunfts-Szenarien bemüht werden, wie hypothetische „öffentliche Fördermittel“ für den Anbau von Wertholzbäumen, die von Landwirten in solchen Dimensionen in Anspruch genommen werden, dass „der letzte Rest der Artenvielfalt“ im ländlichen Raum „endgültig einpacken“ kann. Ein derartiges sachlich nicht begründbares Schüren von Ängsten gehört weder in den wissenschaftlichen Diskurs noch in praxisorientierte Diskussionen über Landnutzungssysteme.

Anschriften der Verfasser: Dr. Michael Nahm (korrespondierender Autor), Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), Wonnhaldestraße 4, D-79100 Freiburg, E-Mail michael.nahm@forst.bwl.de; Dr. Udo Hans Sauter, FVA (wie vor); Prof. Dr. Heinrich Spiecker und Dr. Christopher D. Morhart, Professur für Waldwachstum, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Tennenbacherstraße 4, D-79085 Freiburg.

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