Oberbodenabtrag statt Torfabbau
In der Diskussion, die sich zum Thema Torfböden und Torfabbau (Heft 8/2014 dieser Zeitschrift) ergeben hat, wurde einmal mehr der Konflikt zwischen den Schutz- und Nutzungsinteressen von Mooren deutlich. An dieser Stelle soll daher über eine Vorstudie im Rahmen eines Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) berichtet werden. Es geht dabei um die Entwicklung eines Verfahrens, das die großflächige Wiederherstellung degradierter Niedermoore zum Ziel hat.
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Es braucht keinen Torfabbau, um Niedermoore zu renaturieren.
Von Matthes Pfeiffenberger und Theodor Fock
An der Hochschule Neubrandenburg wird in Kooperation mit dem Zweckverband Peenetal-Landschaft eine Methode zur Wiederherstellung von Niedermooren erarbeitet, bei der der vererdete Oberboden abgetragen wird. Der Oberbodenabtrag bewirkt einen sofortigen Nährstoffentzug und lässt das Grundwasser wieder bis zur Oberfläche strömen. Das dabei anfallende Material soll zum Teil aufbereitet und verwertet werden, um somit die Kosten der Maßnahme zumindest teilweise zu decken. Das Vorhaben wird als Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben vom Bundesamt für Naturschutz gefördert. In der abgeschlossenen Vorstudie konnte auf einer Testfläche gezeigt werden, dass das entwickelte Abtragsverfahren technisch und logistisch machbar ist.
In dem beabsichtigten anschließenden Hauptvorhaben soll der vererdete und verdichtete Bodenhorizont auf einer etwa 5ha umfassenden Niedermoorfläche im Peenetal abgetragen werden. Damit sollen die hydro-physikalischen Voraussetzungen für die Etablierung von mesotrophen, basenreichen Pflanzengesellschaften geschaffen werden. Das Vorhaben dient damit primär der Wiederherstellung wertvoller Lebensräume. Darüber hinaus sollen die Verwertungsmöglichkeiten des Bodenmaterials untersucht werden.
Renaturierung und Torfersatz
Ein großflächiger Oberbodenabtrag ist kostspielig und zwangsläufig wird eine erhebliche Menge an Material anfallen. Die Verwertung und Vermarktung eines auf diesem Material basierenden Produktes könnte zukünftig die Umsetzungskosten solcher Vorhaben erheblich reduzieren und so die Anwendung auf größeren Flächen ermöglichen. Angestrebt werden in dem Vorhaben daher zwei Ziele: (1) die Renaturierung von Moor und Generierung von neuem Torfwachstum und (2) durch die Verwertung des Oberbodenmaterials Torfsubstitution und dadurch Moorerhalt an anderer Stelle. Mit der Aufbereitung und Verwertung des Materials kann zudem ein Beitrag zur regionalen Wertschöpfung in einer strukturschwachen Region geleistet werden. Primat bei dem angestrebten Mehrfachnutzen behält die Moorrenaturierung, eine mögliche wirtschaftliche Verwertung des anfallenden Materials bleibt nachrangig.
Da der Oberboden nicht den hohen Ansprüchen von Anzuchts- oder Spezialerden entspricht, werden Vermarktungsmöglichkeiten vorzugsweise im Hobbygartenbereich liegen. Die Erfahrungen des Vorhabens können mit Blick auf weitere großflächige Oberbodenabträge in anderen Moorgebieten deutschlandweit von Bedeutung sein. Die Flächenkulisse vergleichbarer degradierter Niedermoorstandorte wird allein im Peenetal auf mehrere hundert Hektar geschätzt und ist bundesweit deutlich höher, so dass bei erfolgreicher Erprobung vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bestehen.
Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet liegt im Tal der Peene, welches sich 45km nördlich der Stadt Neubrandenburg (MV) befindet. Der Fluss entspringt mehreren Quellgebieten, welche alle in den Kummerower See bei Demmin eintreten. Von dort aus fließt das Gewässer mit kaum merklichem Gefälle Richtung Osten, bis es auf Höhe der Insel Usedom nach über 80km in die Ostsee mündet. Beiderseits der Peene erstrecken sich teilweise bis zu mehrere hundert Meter breite Durchströmungsmoorkomplexe, welche aus dem Grundwasser der angrenzenden Hochflächen gespeist werden.
Trotz der langjährigen Entwässerung und der jahrzehntelangen intensiven Nutzung der Moorflächen als Grünland gilt das Peenetal in seiner Gesamtheit deutschlandweit als eines der am besten erhaltenen Durchströmungsmoore und darüber hinaus als das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet Europas. Das Untersuchungsgebiet unterliegt europäischen und nationalen Schutzgebietskategorien.
Als Vorhabensgebiet wurde ein für das Tal der Peene repräsentativer Bereich ausgewählt, an dem das Moor bis zu über 1000 m breit ist und im Schnitt gut 2m über Normalnull liegt. Die Torfmächtigkeit reicht hier von ca. 4 bis gut 7 m. Die aktuelle Flächennutzung beschränkt sich auf die Jagd und eine gelegentliche randliche Beweidung.
Im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes Peenetal/Peene-Haff-Moor kam es 2007 im Gebiet zu einer fast flächendeckenden Stilllegung der Entwässerung mithilfe von Torfriegeln und Querverbauen. Dennoch haben sich, aufgrund der Vorschädigung und der anhaltend wechselfeuchten Verhältnisse, die Zielvegetationsformen bis heute nicht etablieren können. Diesbezügliche floristische und faunistische Untersuchungen der Fläche ergaben lediglich geringe bis mittlere Wertigkeiten (Artenlisten können bei den Autoren abgefragt werden).
Bodeneigenschaften
Im Rahmen der durchgeführten Voruntersuchungen wurde auch der abiotische Zustand des Gebietes untersucht. Zur Charakterisierung der Bodeneigenschaften wurden drei jeweils 350 m lange Transekte (B1–B3) beprobt. An jedem Standort wurde jeweils eine Probe aus dem vererdeten Oberboden (ca. –20 cm) und aus dem anstehenden Niedermoortorf (ca.–45 cm) gewonnen. Betrachtet man die Gehalte der organischen Bodensubstanz (OBS), so ist ersichtlich, dass der oberste Horizont durch Entwässerung und Nutzung deutlich an organischer Substanz verloren hat (s. Abb. 1).
Die Mächtigkeit dieses Horizontes betrug im Schnitt rund 27cm. Die Gehalte liegen hier um ≤30 % OBS. Nach bodenkundlicher Definition ist dieser Horizont nicht mehr als Torf anzusprechen. Für Torfe liegt der Wert bei ≥30 % OBS und einer Mächtigkeit von ≥30cm. Gut doppelt so hoch ist dagegen der Gehalt der organischen Substanz im darunter anstehenden Torfkörper. Hier liegen die Werte zwischen 65 und knapp 70 % OBS. Ein weiteres Indiz für die Mineralisation und Nährstoffanreicherung des Oberbodens ist das Kohlenstoff-/Stickstoffverhältnis (C/N), welches die Trophiestufe angibt. Es liegt bei –20cm bei Werten ≤20 (schwach eutroph) und bei –45cm bei ≤40 (oligotroph). Da die durchschnittliche Abtragtiefe bei 25–30 cm liegen wird, kann dort von mesotrophen Verhältnissen, mit Werten um C/N=30, ausgegangen werden.
Vorstudie auf 400 m2
Um die technische, aber auch naturschutzfachliche Machbarkeit zu prüfen, wurde im Frühjahr 2014 ein probeweiser Oberbodenabtrag auf einer Fläche von 400 m2 durchgeführt. Zuerst wurde die Grasnarbe (ca. 15cm) und darauf folgend der vererdete Oberboden (ca.10–15cm) getrennt voneinander abgetragen. Die Grasnarbe wurde zur Teilverfüllung eines Grabens verwendet. Hierfür eignet sich dieses Material sehr gut, da es erosionsstabil ist und schnell wiederbegrünt. Nachfolgend konnte der schwarze vererdete Oberboden entfernt werden. Dieser ist dabei sehr gut farblich vom anstehenden hellbraunen Torf zu unterscheiden. Der Oberboden wurde randlich des Gebietes gelagert, von wo aus dieser verladen werden konnte.
Die Vorteile des Verfahrens bestehen zum einen in der Trennung des Materials vor Ort und damit in der Reduktion des Transportvolumens. Zum anderen wird bei der beschriebenen Methode immer auf der noch bestehenden Grasnarbe gearbeitet – im Gegensatz zu gängigen Bodenabtragsverfahren zur Renaturierung oder zur Torfgewinnung, bei denen der Boden/Torf flächig mit Pistenraupen abgeschoben und dadurch der anstehende Torf geschädigt wird. So wird eine strukturelle Schädigung der neuen Oberfläche verhindert. Die Entwicklung des neu entstandenen offenen und konkurrenzarmen Standortes wurde in der Vegetationszeit der folgenden Monate beobachtet.
Im Hauptvorhaben sollen dann auch Wiederbesiedlungsverfahren wie z.B. die Mahdgutübertragung erprobt werden. Die Bewertung der Qualität des Oberbodens wurde zunächst von einem regionalen Erdenwerk und später von einem Torfwerk in Niedersachsen vorgenommen. Aus den Laboranalysen geht hervor, dass lediglich die Gehalte der Hauptnährstoffe für eine Blumenerde (gemäß RAL-GZ 250/3) zu gering sind. Es wird empfohlen, dass bis zu 80 % des Rohmaterials zu einer Universalblumenerde für den Hobbybereich verarbeitet werden können.
Fazit
In Bezug auf die von Eckhard Jedicke aufgeworfene Frage „Brauchen wir den Torfabbau, um Moore zu renaturieren?“ (Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (8), 2014, Seite 256) ergibt sich aus den Ergebnissen dieser Vorstudie ein klares Nein für die hier vorgestellten Niedermoorstandorte. Aus naturschutzfachlicher Sicht muss nicht mehr als der degradierte Oberboden (25–30cm) abgetragen werden. Der dann anstehende Torf ist noch gut erhalten und nur mäßig nährstoffreich. Er kann nun wieder oberflächennah von Grundwasser durchströmt werden. Aus den Ergebnissen lässt sich auch erkennen, dass der geplante großflächige Oberbodenabtrag technisch gut realisierbar sein dürfte und gute Voraussetzungen für eine Wiederherstellung mesotropher Moorstandorte schafft. Mit der Verwertung des abgetragenen Materials steht für die Erdenindustrie ein prinzipiell geeignetes Substrat zur Verfügung, was dadurch den Torfabbau an anderen Stellen in Deutschland und Europa vermindern kann. Mit dem Ansatz kann für die skizzierten Standorte der Nutzungskonflikt zwischen Torfwirtschaft und Moorschutz partiell verringert werden.
Anschrift der Verfasser: Dipl.-Geoök. Matthes Pfeiffenberger und Prof. Dr. Theodor Fock, Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Brodaer Straße 2, D-17033 Neubrandenburg, E-Mail pfeiffenberger@hs-nb.de bzw. fock@hs-nb.de.
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