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Diskussion

CEF-Maßnahmen: „Kein Risiko für die betroffenen Arten“

Erwiderung auf den Beitrag „Europäischer Artenschutz im Blindflug“ von Michael Gerhard, Matthias Fabian, Thomas Hövelmann und Simon Kaubisch in Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (11), 2014, 329-335

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Von Wolfgang Stein

Die Autoren kritisieren die Qualität von CEF-Maßnahmen, die der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen von Januar 2006 bis Juli 2010 geplant hat. Eine Gruppe von Art-Experten bewertete die grundsätzliche Eignung der geplanten Maßnahmentypen mit dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussicht in den meisten Fällen fraglich bis unsicher sei.

Verwunderlich wäre dieses Fazit keineswegs, denn das in Augenschein genommene Planungsinstrument ist zwischen 2006 (EuGH-Urteil) und 2010 (VV Artenschutz NRW und vergleichbare Leitfäden) entwickelt worden. Die untersuchten CEF-Maßnahmen stammen folglich aus der Anfangsphase dieses Planungsinstruments.

Unser Wissen über den Erfolg oder Misserfolg von Maßnahmen nimmt rasant zu. Maßnahmentypen, die zunächst als effektiv galten, können einige Zeit später aufgrund neuer Erkenntnisse überholt sein. Deshalb bedarf es keiner weiteren Mutmaßungen über die Ursachen angeblicher Fehlplanungen, etwa „dass die Planer … die Risiken des Themas europäischer Artenschutz nicht ernst genug nehmen“ oder eine „soziologische Betrachtung über die Motiva­tionslage der Akteure“ angebracht sei. Wie die Autoren wissen, werden CEF-Maß­nahmen immer von ausge­wiesenen Art-Experten konzipiert, unter regelmäßiger Begleitung des amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzes. Auch das Landesbüro der Naturschutzverbände, in dem zwei der vier Autoren arbeiten, war zumindest an den meisten der kritisierten Planungen beteiligt. Mittlerweile wurde dem Problem ja begegnet, wie die Autoren unter Hinweis auf den Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ (MKULNV 2013) erwähnen.

Aus der Anzahl der für eine Art geplanten Maßnahmen kann man nicht den Schluss ziehen, der Gefährdungsgrad der Art spiele bei der Planung keine Rolle. Wenn für besonders gefährdete Arten (Rote-Liste-Kategorien 1 bis 3) nicht mehr CEF-Maßnahmen vorgesehen werden als für weniger gefährdete, liegt dies einfach daran, dass nicht die Zahl der CEF-Maßnahmen, sondern die Wirkung des gesamten Maßnahmenkonzepts darüber entscheidet, ob ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand vermieden wird. So wird für diese besonderen Arten regelmäßig eine aufwändigere technische Vermeidung, z.B. in Form von Querungshilfen, und meist nur eine über ein Monitoring abgesicherte CEF-Maßnahme vorgesehen, deren Größe einen Sicherheitszuschlag beinhaltet.

Die Autoren leiten aus ihren Befunden „schwerwiegende Bedenken gegen das Instrument der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen“ ab und beleben unter Verweis auf die Aufsätze von Martin Gellermann aus 2003 und 2007 erneut den Streit um deren gesetzliche Grundlage. Die demokratisch herbeigeführte Entscheidung des Gesetzgebers aus 2009 in Frage zu stellen, dient allerdings genauso wenig dazu, die noch anstehenden fachlichen Probleme bei der Planung von Artenschutzmaßnahmen zu lösen, wie die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Planer. Stattdessen ist der ehrenamtliche Naturschutz seit langem und erneut eingeladen, sein fundiertes Fachwissen kon­struktiv in die laufenden Planungen einzubringen, damit wir gemeinsam lernen und für die betroffenen Arten die bestmöglichen Maßnahmen konzipieren können. Dies liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Planer.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung zu den im Editorial („Weder effektiv noch effizient …“) geäußerten Bedenken: Bei vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen besteht kein Risiko für die betroffenen Arten. Ist die geplante Maßnahme unwirksam, darf der zugehörige Eingriff nicht begonnen werden. In Zweifelsfällen greift das Risikomanagement.

Anschrift des Verfassers: Wolfgang Stein, Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Wildenbruchplatz 1, D-45888 Gelsenkirchen, E-Mail wolfgang.stein@strassen.nrw.de.

1 Kommentare
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  • User_MTQ4NDcyNw 22.09.2020 20:49
    Wir haben nun das Jahr 2020 und man sollte meinen, dass sich mit der Fülle an Fachliteratur, die es inzwischen zu CEF-Maßnahmen gibt, das Problem der fehlerhaften und/oder unzureichenden Kompensationsmaßnahmen weitestgehend erledigt hat. Doch weit gefehlt - zumindest hier in Bayern besteht das Problem weiterhin. Der Grund hierfür ist vor allem, dass nicht, wie von Wolfgang Stein vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen behauptet, die CEF-Maß­nahmen "immer von ausge­wiesenen Art-Experten konzipiert" werden. Im Gegenteil werden die artenschutzrechtlichen Gutachten i. d. R. von Landespflegern oder gar Landschaftsarchitekten geschrieben, die aber allein schon von der Ausbildung her keine Kenntnisse zur Tierökologie aufweisen. So war in einem Beitrag zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung eines großen oberbayerischen Planungsbüros zu lesen, dass die Schlingnatter vom Eingriff nicht betroffen sei, weil es im Eingriffsbereich keine Eiablagestätten für die Art gäbe. Da sollte man halt schon wissen, dass die Schlingnatter zu den lebendgebärenden Schlangenarten gehört... Auch die "regelmäßige Begleitung des amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzes" bringt oft nicht viel, weil auch hier die Kenntnisse der Arten an ihren Lebensraum, die oft sehr komplex sind, nur bruchstückhaft vorhanden sind oder sogar ganz fehlen. Zwar gibt es in Bayern für die Mitarbeiter von Naturschutzbehörden und Planungsbüros sowie für die Ehrenamtlichen der Naturschutzverbände dank der Akademie für Landespflege und Naturschutz (ANL) die Möglichkeit, sich in Fragen des Artenschutzrechts bezüglich bestimmter Tiergruppen fortzubilden. Allerdings kann die Akademie allein den Fortbildungsbedarf gar nicht decken. Insofern ist zu befürchten, dass der "Blindflug des europäischen Artenschutzes" noch länger anhält. Dipl.-Biol. Ilse Englmaier Das Fau/Na-Büro www.fauna.de
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