Die Auen reaktivieren – gemeinsam mit der Landwirtschaft
Landschaft ist begehrt: Ungezählte Akteure „wollen ein möglichst großes Stück von dem Kuchen abbekommen“. Doch das Bild passt nicht ganz: Nicht jeder Anspruch ist konsumtiv wie der Verzehr eines Kuchenstücks. Auch wenn er häufig fälschlich als solcher dargestellt wird: Wenn der Deutsche Bauernverband etwa den vermeintlich hohen Flächenverbrauch durch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung anprangert, obwohl viele Flächen weiterhin einer landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen. Ehrlichkeit ist leider nicht immer Trumpf, da dienen auch schon mal falsche Argumente als Mittel zur Klientelpolitik.
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Symptomatisch dafür ist die Diskussion nach dem Rekord-Hochwasser im Juni. Fakt ist: Zwei Drittel der 1,5 Mio. ha Auen in Deutschland sind eingedeicht, an Elbe, Donau, Rhein und Oder sogar 80 bis 90 %. Jeder weiß, dass der Wasserspiegel in der Badewanne steigt, wenn ihr Volumen sich durch den Einstieg des Badenden verringert. Dasselbe passiert in den Auen: Die Pegelstände steigen mit jeder weiteren Einengung. Und wenn die Wanne voll ist, läuft sie über – wir alle haben die dramatischen Bilder der letzten Wochen vor Augen. Neue Bebauung in potenziellen Überschwemmungsgebieten sollte nun endgültig tabu sein. Und doch wird sich die blinde Begehrlichkeit nach Ausnahmen nicht ausrotten lassen.
Allein der Erhalt des Status quo aber genügt nicht: Die Wanne muss wieder erheblich größer werden, damit sie die klimawandelbedingt erwarteten noch höheren Hochwässer ohne solche Milliarden-Schäden wie aktuell aufnehmen und durch verzögerten Abfluss im gesamten Wassereinzugsgebiet dämpfen kann. Das sollte, abgesehen von den vermeidbaren menschlichen Schicksalen, auch volkswirtschaftlich betrachtet die günstigste Lösung sein.
Der NABU fordert als Konsequenz, bis 2020 mindestens 500000 ha sowie langfristig 80 % der heute landwirtschaftlich genutzten Auen an Flüssen wieder naturnah zu gestalten (was eine extensive Grünlandnutzung nicht ausschließt). Das wäre binnen sieben Jahren ein Zuwachs der aktiven Auenfläche um ein Drittel. 10 Mrd.€ wären für einen wirksamen Hochwasserschutz nötig.
Einen Schlüssel zur Umsetzung gibt es bereits: Im neuen Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ 2014–2017 sieht der Bund für die Umwandlung von Ackerland in Grünland eine Förderung von 1000 bzw. 1400 €/ha und Jahr vor. 500000 ha Umwandlung kosten somit jährlich 500 Mio.€. In Relation zum wiederkehrenden Schadenspotenzial keine Unsumme, zumal damit nicht allein der Hochwasserschutz, sondern multifunktional auch Biodiversität, Boden, Gewässer, Klima und Erholungsfunktionen der Auen gefördert werden. Öffentliches Geld für öffentliche Güter: Das ist der notwendige Weg in die Zukunft! Wird dieser zum wiederholten Male an der Bauernverbands-Lobby scheitern?
Denn die Blockaderhetorik folgt stehenden Fußes: In scharfer Form hat der Bauernbund Brandenburg die NABU-Forderung zurückgewiesen. „Das wäre faktisch eine Enteignung der Bauern, die dort seit vielen Jahrhunderten wirtschaften“, sagt Bauernbund-Vorstandsmitglied Lutz Wercham. Die Landwirtschaft sei nicht verantwortlich für Naturkatastrophen, sondern in erster Linie deren Opfer. Wercham: „Dass diese selbsternannten Naturschützer auf den Sorgen und Nöten der Flutopfer ihr allgemeines Vernässungssüppchen kochen, finde ich mehr als abstoßend.“
Dabei schließt der NABU die Belange der Landnutzer explizit ein: „Vorausgesetzt die Landwirtschaft ist mit im Boot, die Maßnahmen werden zentral und länderübergreifend umgesetzt und erforderliche gesetzliche Kompetenzen zur Entschädigungsregelung bei Notwendigkeit für das Gemeinwohl greifen“, unterstreicht Präsident Olaf Tschimpke. Landwirte und Eigentümer sollten finanziell entschädigt werden, wenn künftig der Deichschutz entfällt und die Nutzung der Flächen an den Hochwasserschutz angepasst wird.
Dicke Bretter sind also zu bohren, um alte Feindbilder zu überwinden. Das zeigt sich auch bei verschiedenen Themen dieses Heftes: der alten wie aktuellen Aufgabe des Biotopverbunds, bei der aktuell im Bundesrat verhandelten Bundeskompensations-Verordnung, der Ausweisung neuer Nationalparks. Willkommener Anlass, einmal mehr auf die Bedeutung einer qualifizierten dreistufigen Landschaftsplanung zu verweisen – wohl nie war sie dringlicher als heute, was auch die „Vilmer Visionen 2012“ in den Tagungsberichten unterstreichen!
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