Mitteilung der Kommission zu Grüner Infrastruktur endlich erschienen
Mit mehrmonatiger Verzögerung aus den in Heft 5 (Seite 130f.) dargelegten Gründen hat die Europäische Kommission am 06. Mai endlich ihre lang erwartete Mitteilung zur Grünen Infrastruktur vorgelegt. Das 13-seitige Papier mit dem Titel „Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals“ bietet zwar einen Überblick über viele gute Gründe und die Notwendigkeit zur Förderung des Konzeptes der „Grünen Infrastruktur“, bleibt aber wenig ambitioniert und vor allem viel zu unkonkret.
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Zwar spricht die Kommission in ihrer Pressemeldung vom selben Tag davon, sie habe „heute eine neue Strategie angenommen“. Bei näherer Analyse der Kommissionsmitteilung wird aber deutlich, dass es sich erst um eine Vorstufe zu einer Strategie handelt.
Damit wird auch der Auftrag der EU-Strategie zur biologischen Vielfalt vom Mai 2011, obwohl von EU-Parlament und Mitgliedstaaten unterstützt, nicht erfüllt, in der es zu Maßnahme 6b wörtlich heißt: „Die Kommission wird bis 2012 eine Strategie für grüne Infrastrukturen entwickeln, um die Nutzung derartiger Infrastrukturen in städtischen und ländlichen Gebieten der EU zu fördern, auch durch Anreize für Vorab-Investitionen in grüne Infrastrukturprojekte und die Erhaltung von Ökosystemdienstleistungen, beispielsweise durch gezieltere Verwendung von EU-Mitteln und öffentlich-private Partnerschaften.“ Immerhin konnte sich aber Umweltkommissar Janez Potocnik soweit durchsetzen, dass das Papier als Mitteilung der Kommission verabschiedet wurde und nicht nur als unverbindliches internes Arbeitspapier (Commission Staff Working Paper).
Zudem gibt die Mitteilung einen guten Überblick über die Hintergründe und Definitionen von „Grüner Infrastruktur“ (GI). Sie stellt übersichtlich die Bezüge und Notwendigkeiten zur Integration des GI-Konzeptes in andere Politikbereiche der EU wie Regionalpolitik, Klimaschutz, Landwirtschaft, Gewässerschutz, Bodenschutz, Naturschutz und Raumplanung dar. Und sie unterbreitet Vorschläge zur Einbeziehung von GI-Aspekten in die Förderprogramme der EU, etwa die GAP, Kohäsionsfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Horizont 2020, den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) sowie LIFE. In entsprechenden Textboxen der einzelnen Kapitel werden Beispiele für die Vorteile von Grüner Infrastruktur vorgestellt, etwa für das Stadtklima, die Anpassung an den Klimawandel und den Hochwasserschutz, sowie beispielhafte Projekte zu GI-Maßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und zur Vernetzung von Schutzgebieten. Das Konzept der grünen Infrastruktur wird dabei auch den bisherigen Konzepten für „graue Infrastruktur“ gegenübergestellt, etwa die transeuropäischen Netze für Verkehr (TEN-T) und Energie (TEN-E), und ein gleichwertiges Instrument zur Schaffung grüner Infrastruktur (TEN-G) vorgeschlagen.
In Kapitel 4 bekennt sich die Kommission dazu, sie sei „entschlossen, eine EU-Strategie für grüne Infrastruktur zu entwickeln, die dazu beiträgt, das europäische Naturkapital zu erhalten und zu schützen und die Ziele der Strategie ‚Europa 2020‘ zu erreichen“. Hierfür finden sich in diesem Kapitel auch konkretere Aussagen und Zeitangaben, bis wann dazu welche Aspekte bearbeitet werden sollen: Bis Ende 2013 will die Kommission „technische Leitlinien für die Einbeziehung von GI-Aspekten in die Durchführung“ der oben genannten Politikbereiche für den Zeitraum 2014 bis 2020 entwickeln. Zudem soll die Wissensbasis zu GI verbessert und innovative Ansätze gefördert werden. Wichtig ist auch die Aussage, dass geprüft werden soll, wie GI-Konzepte in die Finanzierungskonzepte für die transeuropäischen Energienetze (Fazilität Connecting Europe, siehe Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (8), Seite 226) und die Verkehrsnetze integriert werden können.
Bis 2014 will sich die Kommission gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten für GI-Projekte privater Projektträger bemühen. Bis 2015 will sie die Datengrundlage und die Bereitstellung von Daten verbessern und insbesondere „eine Studie durchführen, um die Möglichkeiten für eine TEN-G-Initiative der EU zu untersuchen“ und dabei auch die „wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Vorteile einer solchen Initiative“ zu bewerten. Bis Ende 2017 schließlich will die Kommission „den Stand der Entwicklung von GI-Projekten prüfen und einen Bericht über die bis dahin gewonnenen Erfahrungen sowie Empfehlungen für künftige Maßnahmen veröffentlichen“.
Angesichts der Tatsache, dass das Konzept der grünen Infrastruktur schon seit spätestens Mitte der 1980er Jahre diskutiert wird und dass die Mitgliedstaaten sich mit der einstimmigen Annahme der FFH-Richtlinie schon 1992 zur Verbesserung der ökologischen Kohärenz des Natura-2000-Netzes verpflichtet haben (Art. 10 der FFH-Richtlinie), klingt das, wie eingangs beschrieben, weder ambitioniert noch innovativ. Das zeigt auch ein Blick über „den großen Teich“, wo das GI-Konzept seit etwa 20 Jahren intensiv verfolgt und gerade angesichts des Klimawandels intensiv propagiert wird.
Andererseits fehlt bislang ein EU-weiter Ansatz; nur einige Mitgliedstaaten wie Großbritannien, Deutschland (Forderung des Biotopverbundes seit 2002 im BNat SchG, Bundesprogramm Wiedervernetzung) und die Niederlande (Entschneidungsprogramme, „ontsnippering“) haben bislang erste Initiativen gestartet.
Hinsichtlich der Schaffung grüner Infrastruktur in ausgeräumten Agrarlandschaften belegt diese Mitteilung auch, wie wichtig als erster Schritt die Koppelung eines Teils der Direktzahlungen an die Ausweisung von ökologischen Vorrangflächen auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist, auch wenn die jetzt als Ausgangszahl für den Trilog diskutierten 5 % ab 2015 weit hinter den langjährigen Forderungen von Ökologen zurückbleiben (Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (5), Seite 129). Bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament und der Umweltministerrat, die die Bedeutung von Grüner Infrastruktur und der Notwendigkeit einer entsprechenden EU-Strategie in der Vergangenheit mehrfach betont haben, die Initiative der Kommission weiter unterstützen und auch die Konkretisierung und Finanzierung voranbringen. Das könnte einer der Prüfsteine für die Kandidatinnen und Kandidaten für die kommenden EP-Wahlen im Mai 2014 sowie die im Herbst 2014 antretende neue EU-Kommission sein.
Link zur Mitteilung COM (2013) 249 final, „Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals“ und zu weiteren Hintergrundinformationen, Studien und Praxisbeispielen:
http://ec.europa.eu/environment/nature/ ecosystems/index_en.htm
Informative und gut strukturierte Seite der amerikanischen Umweltagentur EPA zu Grüner Infrastruktur:
http://water.epa.gov/infrastructure/green infrastructure/index.cfm
Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
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