Biodiversität innovativ finanzieren
Unter dem Titel „Innovative Finanzierungsmechanismen für den Erhalt der Biodiversität – Win-win-Situationen für Natur und Wirtschaft“ fand in Berlin ein Expertenworkshop zu Payments for Ecosystem Services (PES) und Biodiversitäts-Offsets statt. Veranstalter waren die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Global Nature Fund (GNF) mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz.
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Payments for Ecosystem Services (PES) und Biodiversitäts-Offsets
Es besteht eine große Finanzierungslücke für den Schutz der biologischen Vielfalt weltweit. Zuletzt wurde im Oktober 2012 von der Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) eine Schätzung der benötigten Finanzmittel zur Erreichung des 2010 beschlossenen strategischen Plans, der sog. Aichi-Ziele, veröffentlicht. Diese 20 Ziele sind umfassend und beinhalten z.B. die Vorgabe, die Rate des Verlusts an Lebensräumen bis 2020 zu halbieren. Um das zu erreichen, wird ein jährlicher Finanzbedarf von 150 bis 440 Mrd. USD veranschlagt. Daher war eines der wichtigsten Ergebnisse der letzten Vertragsstaatenkonferenz, dass die Zahlungen an Entwicklungsländer zur Erreichung dieser 20 Ziele verdoppelt werden.
Hiermit ist nur ein erster Schritt getan, so dass alle Instrumente genutzt werden müssen, die zum Erhalt der Biodiversität beitragen können. Aus diesem Grund konzentrierte sich der Expertenworkshop in Berlin auf zwei derzeit viel diskutierte marktbasierte Instrumente: Biodiversitäts-Offsets sowie Payments for Ecosystem Services (PES). Während Erstere vor allem zum Ausgleich negativer Auswirkungen genutzt werden, kommen PES zur Anwendung, wenn es um die Förderung von positivem Handeln oder um das Unterlassen von Schädigungen geht.
Deutschland hat im Bereich der Kompensierung von Eingriffen durch die Regelungen des BNatSchG und der Ländernaturschutzgesetze bereits einige Erfahrungen gesammelt. Jedoch ist das Potenzial, das durch Kombination dieses Instruments mit einem System von Flächenpools und Ökokonten gegeben ist, noch nicht ausgeschöpft. Die Anwendung von sogenannten PES befindet sich dagegen noch in einem Anfangsstadium.
Biodiversitäts-Offsets/Habitat Banking
Dr. Thorsten Permien (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern) stellte die dort entwickelten Instrumente Waldaktie und Moorfutures vor. Durch den Kauf von Waldaktien können Urlaubsgäste ihre Emissionen ausgleichen, die während des Urlaubs anfallen. Mit den Finanzmitteln werden Bäume angepflanzt. Bei den Moorfutures wird durch die Wiedervernässung von Mooren weniger CO2 an die Atmosphäre abgegeben und diese Speicherung in Form von Zertifikaten bescheinigt. Diese können von Unternehmen gekauft werden, um freiwillig Emissionen auszugleichen. Gleichzeitig wird ein Beitrag zum Erhalt eines einzigartigen Ökosystems.
Der MoorFutures-Standard wurde auf Basis des Verified Carbon Standard entwickelt. Es müssen aber nicht alle Kriterien vollständig übernommen werden, da es in Deutschland Doppelungen zwischen den gebräuchlichen Standards und der Gesetzgebung gibt. Eine Zertifizierung mit Klimastandards würde die Kosten erhöhen. Das Land garantiert die langfristige Speicherung der Treibhausgase. Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Moorfutures ist deren Sichtbarkeit und Kommunikation, mit der der vielfältige Wert der Ökosysteme dargestellt und „vermarktbar“ wird.
Ein wichtiges Erfordernis bei der Klimakompensation ist die Zusätzlichkeit der Maßnahmen. Eine Maßnahme ist zusätzlich, wenn sie Aktivitäten beinhaltet, die nur durch die Einnahmen der Kohlenstoffzertifikate möglich sind und nicht ohnehin durchzuführen sind. Die Wiedervernässung der Moore wird explizit nicht in bereits existierenden Schutzgebieten durchgeführt und die verwendeten Mittel für die Maßnahmen kommen nur aus dem Verkauf der Zertifikate.
Suleika Suntken (DUH) stellte anhand der USA, Australiens und Deutschlands die weite Bandbreite der Biodiversitäts-Offset-Systeme vor. Die Designoptionen betreffen vor allem den funktionalen und räumlichen Zusammenhang der Kompensationsmaßnahme, die Möglichkeit einer Ersatzzahlung, die Dauer der Offsetverpflichtung, die Höhe und Festlegung bezüglich der Creditpreise (Ökopunkte) und die Handelsmöglichkeit. Bei der Gestaltung der Biodiversitäts-Offsets gibt es in den betrachteten Systemen wenig Spielraum, da sich die Designoptionen zum größten Teil aus den Gesetzen und untergesetzlichen Regelungen in den jeweiligen Ländern ergeben.
Biodiversitäts-Offsets sollen mit dem Ziel eingesetzt werden, die Restbeeinträchtigungen des Eingriffs in die Biodiversität, nachdem alle Vermeidungs-, Minimierungs- und Wiederherstellungsmöglichkeiten angewendet wurden, mindestens auszugleichen bzw. zu ersetzen (no net loss). Diese im deutschen System gut etablierte Kaskade bei der Eingriffsregelung wird im angelsächsischen Raum als Mitigation Hierarchy bezeichnet. Diese vom Business and Biodiversity Offset Programme (BBOP) eingeforderte Mitigation Hierarchy sieht vor, dass nach der „no net loss“-Maßgabe zusätzliche Naturschutzmaßnahmen ergriffen werden sollten, um eine positive Netto-Auswirkung auf die Biodiversität zu erreichen (net gain). Daher geht es bei Biodiversitäts-Offsets um eine Erweiterung der gesetzlich vorgeschriebenen Kompensationsverpflichtung.
Sowohl für Vorhabenträger als auch aus Sicht des Naturschutzes ergibt sich eine Reihe von Vorteilen durch die Etablierung von Habitat Banks (Gebiete, in denen die Biodiversität geschützt, wiederhergestellt oder verbessert wird und Biodiversitäts-Offsets in Form von Credits/Ökopunkten generiert werden):
(a) Maßnahmen können effektiver und zielgerichteter umgesetzt werden,
(b) durch die Bevorratung der Maßnahmen reduzieren sich Unsicherheiten, Risiken und zeitliche Verzögerungen,
(c) Kompensationsmaßnahmen können dort umgesetzt werden, wo sie am sinnvollsten sind,
(d) die Bevorratung kann zu positiven Nettoauswirkungen für die Biodiversität führen.
Schwierigkeiten resultieren etwa aus der Tatsache mangelnder bzw. nur sehr langfristiger Ersetzbarkeit vieler Lebensraumtypen wie Feuchtgebiete oder Urwälder. Wie bei allen Offsetmechanismen besteht das Risiko, dass Kompensationsmaßnahmen, wenn sie leichter durchzuführen sind, der Vermeidung des Eingriffs vorgezogen werden und die Mitigation Hierarchy damit nicht eingehalten wird. Weitere Herausforderungen sind Flächenverfügbarkeit, Umweltgerechtigkeitsfragen, ein transparentes Monitoring der Kompensationsflächen sowie die Messbarkeit von Biodiversität. Hinzu kommen die generellen Fragestellungen, die bereits von CO2-Offsets bekannt sind: Zusätzlichkeit („Additionality“) und Verlagerungseffekte („Leakage“).
Additionality setzt voraus, dass Maßnahmen, wie oben erwähnt, mit den Finanzmitteln umgesetzt werden, die aus dem Verkauf der credits stammen (zusätzlich). Leakage entsteht dann, wenn Biodiversitäts-Offsets zu Schadensverlagerungen führen. Dieses ist z.B. der Fall, wenn credits für abgewendete Umweltrisiken emittiert werden, der Eingriff (z.B. Kiesabbau) jedoch lediglich verlagert wird.
Generell sollte(n)
(a) besonders schützenswerte Lebensräume wie Feuchtgebiete oder Urwälder als „no go areas“ deklariert werden,
(b) die Mitigation Hierarchy eingehalten werden, die die Kompensationsoption als ultima ratio nennt,
(c) das „no net loss“-Ziel und vorzugsweise das „net gain“-Ziel angestrebt werden,
(d) die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in Habitat Banks eingerichtet werden,
(e) transparente Monitoringsysteme entwickelt werden,
(f) gleiche Messsysteme der Biodiversität für Eingriff und Ausgleich eingesetzt werden.
Die Möglichkeiten für Unternehmen bei der Beteiligung am Biodiversitäts-Offset-Markt reichen von credit-Verkäufen für Kompensationsmaßnahmen auf eigenen Gebieten bis hin zu Imagegewinn und Rufverbesserung. Auch Finanzinstitute können durch ein nachhaltiges Umweltengagement z.B. unter Einbeziehung von Biodiversitäts-Offsets bei der Kreditvergabe ihre Reputation verbessern. Finanzinstitute sind außerdem als Dienstleister, als sog. Broker, zwischen Anbietern und Nachfragern nach Biodiversitäts-Offsets denkbar; in Deutschland wird diese Leistung bereits von Flächenagenturen übernommen.
In der folgenden Diskussion wurden weitere Punkte angesprochen. Insbesondere die Wirkungskontrolle der Kompensationsmaßnahmen wurde als bedeutsam angesehen. Genauso darf der Mechanismus nicht zur Verlagerung von Schädigungen oder zu einer Senkung der Naturschutzausgaben des Staats führen. Ähnlich wie beim CO2-Emissionshandel macht hierbei eine Deckelung Sinn. Für einen „Biodiversitäts-Zertifikatenhandel“ müsste Biodiversität messbar sein und insofern quasi einen „Preis“ erhalten, um dann besser in Entscheidungsprozesse der Unternehmen integriert werden zu können.
Auf deutscher Ebene wird derzeit ein Entwurf für eine neue Kompensationsverordnung (BKompV) diskutiert, welche das zukünftige Design von Biodiversitäts-Offsets prägen könnte. Darüber hinaus kann die Eingriffsregelung nach Auffassung der Teilnehmer auch als Basis für europäische Vorgaben dienen.
Anne Schöps vom Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland (BFAD) stellte anschließend vor, wie die Eingriffsregelung in Deutschland konkret mit Hilfe der Flächenagenturen umgesetzt wird. Diese bevorraten Kompensationsmaßnahmen, die in Ökopunkten angegeben werden. Diese gebündelten Maßnahmen können vielen kleinen oder auch großen Eingriffen zugeordnet werden. Dabei tritt der Vorhabenträger die Kompensationsverpflichtung an die Flächenagentur ab, die sich dann um die dauerhafte Sicherung der Maßnahme kümmert.
Payments for Ecosystem Services (PES)
Am Nachmittag wurde der Mechanismus der Payments for Ecosystem Services (PES) genauer betrachtet. Dr. Christian Schleyer von der Nachwuchsgruppe „Ökosystemleistungen“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellte vor, wie PES-Programme aussehen können und welche Ausgestaltungsmöglichkeiten es gibt. Dabei ist wichtig zu beachten, dass mit PES nur die Ökosystemleistungen erfasst werden können, die einen direkten (wirtschaftlichen) Nutzen stiften. Es gibt zwar eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen, wie Ökosystemleistungen erfasst werden können. Allerdings bestehen nur wenige PES-Methoden jenseits von Agrarumweltmaßnahmen. Ausnahme ist dabei der Trinkwasserbereich, wenn Wasserbetriebe Kompensationszahlungen an Landwirte entrichten (z.B. Vittel in Frankreich). Jedoch spielt auch hier der Staat oftmals eine wichtige Rolle als Mittler oder Kontrolleur.
Aufgrund der hohen Transaktionskosten schrecken viele Akteure von der Implementierung ab. Insbesondere Abgrenzungsprobleme, aber auch die Komplexität der Ursache-Wirkungskausalität spielen dabei eine Rolle. Hinzu kommt, dass PES oftmals durch konträre Handlungsanreize in ihrer Effektivität eingeschränkt werden. Auch kann die Förderung einer Ökosystemleistung negative Auswirkungen auf eine andere Ökosystemleistungen haben. Daneben besteht eine Vielzahl weiterer Hürden für die erfolgreiche Umsetzung von PES, z.B. die Preisbildung und die daraus resultierende Höhe der Kompensationszahlungen, aber auch Fragen der Umweltgerechtigkeit spielen eine Rolle. Es wird klar, dass PES zwar ein hilfreiches Tool sein kann, jedoch die Umsetzung alles andere als einfach ist. Insbesondere ein allgemein gültiges Vorgehen ist unmöglich, Lösungen müssen daher stark an den lokalen Kontext angepasst werden.
Joost Bakker vom GNF präsentierte den Business Case für Unternehmen und zeigte Gründe auf, warum PES noch nicht weiter verbreitet ist. Unternehmen, die sich an PES-Programmen beteiligen, tun das hauptsächlich, um Kosten zu sparen, aber auch aus Reputationsgründen. Es kann sich z.B. für ein Unternehmen betriebswirtschaftlich lohnen, Landwirte für entgangene Einnahmen zu entschädigen, anstatt einen künstlichen Ersatz zu finanzieren, z.B. in Form einer neuen Kläranlage. Vor allem für Unternehmen, die bestimmte Ökosystemleistungen direkt nutzen, sind PES-Programme deshalb interessant.
Nicht alle Ökosystemleistungen eignen sich für ein PES-Programm. Am besten geeignet sind solche, die leicht von der Nutzung durch Andere ausgeschlossen werden können, z.B. ein Wassereinzugsgebiet oder Holzproduktion. Dennoch verhindern die hohen Kosten, die bei der Einführung von PES-Programmen für Unternehmen anfallen, z.B. um eine erste Erfassung der Ökosystemlage durchzuführen, eine Beteiligung vieler Unternehmen. Auch aus diesem Grund gibt es nur wenige PES-Programme, an denen der Staat nicht beteiligt ist.
Fazit
In zwei World Cafés wurden beide Themenschwerpunkte intensiv weiter diskutiert. Die Veranstaltung zeigte insgesamt deutlich, dass das Thema marktbasierter Finanzierungsinstrumente für den Erhalt der Biodiversität einen hohen Diskussionsbedarf hervorruft. Keines der vorgestellten und diskutierten marktbasierten Instrumente stellt allein ein Allheilmittel dar. Vielmehr sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen die wichtigste Grundlage für den Erhalt der Biodiversität – sie müssen so ausgestaltet werden, dass erstens ein Anreiz für Unternehmen besteht, mehr als bereits gesetzlich gefordert zu tun, und zweitens die Transaktionskosten möglichst gering sind, so dass ein Engagement auch des Privatsektors attraktiv wird.
Kontaktadresse: Tobias Hartmann, Global Nature Fund (GNF), Büro Bonn, Kaiserstraße 185-197, D-53113 Bonn, E-Mail hartmann@globalnature.org.
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