Parlament sagt Nein zum EU-Haushalt und enttäuscht mit Votum zur Agrarreform
Drei Schritte zurück, einen zaghaften vor? Die gute Nachricht zuerst: Das Europäische Parlament hat in seiner Plenarsitzung in Straßburg am 13. März, wie bereits nach dem Beschluss der Staatschefs am 08. Februar angedroht, sein Veto gegen den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) eingelegt. Mit den Stimmen von 506 der 690 anwesenden EU-Abgeordneten, also mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit, lehnte das EP den Entwurf ab.
- Veröffentlicht am
Über das genaue „wording“ des Ablehnungstextes wurde allerdings zwischen den Konservativen, die den Staatschefs aus dem eigenen Lager nicht zu sehr „auf die Füße treten“ wollten, und den anderen Fraktionen bis zuletzt gerungen. Am Ende stand aber ein Ergebnis, das EP-Präsident Martin Schulz (SPD) als „guten Tag für die europäische Demokratie“ bezeichnete. Der Wermutstropfen: Das EP begründet seine Ablehnung zwar, neben der geplanten Höhe des MFR, auch mit den falschen Schwerpunktsetzungen, benennt sie aber nicht genau. Da war Alexander Alvaro (FDP), einer der 14 Vizepräsidenten des EP und Haushaltspolitiker seiner Fraktion, in seiner Reaktion am 08. Februar deutlicher, als er das Festhalten der Staatschefs an „Ausgaben-Dinosauriern“ wie der Landwirtschaft kritisierte. Zudem hat das Parlament auch die Chance verpasst, auf die Bedeutung des kleinen, aber effizienten LIFE-Budgets hinzuweisen, dessen Erhöhung es bisher immer gefordert hat.
Die überwiegend schlechte Nachricht: In der anschließenden Plenardebatte über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), über die das Parlament aufgrund des Lissabon-Vertrags vom Dezember 2009 ebenfalls erstmals gleichberechtigt mit beraten und mitentscheiden darf, konnten nur wenige der im Januar vom Agrarausschuss beschlossenen Rückschritte (Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (3), S. 66-67) korrigiert werden.
Obwohl nach aktuellen Umfragen fast 80 % aller Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten die derzeitige Subventionspolitik im Agrarbereich ablehnen, obwohl über 270 Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie alternative Bauernverbände allen Europaabgeordneten einen offenen Brief schrieben und in einer nur wenige Tage laufenden E-Mail-Kampagne immerhin 86000 Menschen ihre Abgeordneten zu einem Kurswechsel aufforderten, ließ das die konservativen und liberalen Abgeordneten im federführenden Agrarausschuss weitgehend unbeeindruckt. In einer Sitzung zwei Abende vor dem Parlamentsentscheid wurde sogar diskutiert, ob man Änderungsanträge des Umweltausschusses überhaupt zur Beratung und Beschluss im Plenum zulassen solle. Formal wäre das nach der Geschäftsordnung des Parlaments zulässig gewesen, angesichts des Drucks der anwesenden Umweltverbände und der aufmerksamen Beobachtung durch die Medien ließ der Ausschuss aber alle Änderungsanträge zu.
Diese fanden im Plenum allerdings nur zu einem geringen Teil eine Mehrheit. So wurde zwar das „Greening“ der ersten Säule nicht generell infrage gestellt, die Empfehlungen des Agrarausschusses zur Reduzierung der Anforderungen aber bestätigt. Dazu gehören die schrittweise Einführung von ökologischen Vorrangflächen sowie die Begrenzung der Fruchtfolge auf nur zwei Feldfrüchte bei Höfen bis zu 30 ha Betriebsfläche. Zudem sollen die Greening-Maßnahmen nach wie vor nicht an die Auszahlung von 70 % der Direktzahlungen gekoppelt werden, wie die Kommission es vorgeschlagen hatte. Positiv ist zu bewerten, dass die kostspielige, vom Agrarausschuss geforderte Möglichkeit der Doppelförderung der Greening-Maßnahmen ausgeschlossen wurde. Dieses ist jedoch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da Doppelförderung nach EU-Haushaltsrecht illegal ist.
Ein größerer Erfolg ist die Wiederaufnahme mehrerer Vorgaben aus Cross Compliance, die der Agrarausschuss als Beitrag zum „Bürokratieabbau“ streichen wollte. Zwar wurde die vom Umweltausschuss geforderte Aufnahme der Wasserrahmenrichtlinie auch im Plenum mehrheitlich abgelehnt, die Beachtung der Pestizid-Richtlinie und andere Bestimmungen, etwa zum Tierschutz, wurden aber wieder aufgenommen. Allerdings kam auch dieses Ergebnis weniger aus innerer Überzeugung der Abgeordneten als aus Angst vor der Öffentlichkeit zustande, die angesichts der aktuellen Futtermittelskandale eine Streichung dieser Regelungen als verantwortungslos gewertet hätte. Denn zum einen ist es eigentlich selbstverständlich, dass sich auch Landwirte an bestehende Gesetze halten müssen; zum anderen stellt Cross Compliance für die Behörden das einzige Mittel dar, Gesetzesverstöße durch den Entzug der Subventionen zu sanktionieren.
In den kommenden Wochen werden die Staatschefs ihre Position zum Haushalt, der Agrarministerrat seine zur Agrarreform festlegen. Danach beginnen für beide Themen die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission, für die GAP voraussichtlich am 11. April. Jetzt gilt es daher, noch einmal Druck auf die nationalen Regierungen auszuüben, damit bis zum Ende der irischen Ratspräsidentschaft noch konkrete Verbesserungen erzielt werden können.
Spätestens nach den EP-Wahlen im Mai 2014 scheint aber eine Revision der GAP-Beschlüsse überfällig, damit die klima- und umweltpolitischen Ziele der Union bis zum Jahr 2020 noch erreicht werden können. Sollten die Agrarpolitiker und die Agrarlobby bis dahin immer noch nicht begriffen haben, dass die in der Mitte des 20. Jahrhunderts eingeführten Subventionspraktiken keine Lösung für das 21. Jahrhundert darstellen, ist, wie NABU-Präsident Olaf Tschimpke forderte, eine Debatte über die vollständige Streichung sämtlicher Direktzahlungen erforderlich. Wie weit sie davon noch entfernt sind, zeigte die Einschätzung von Paolo De Castro (S&D, Italien), Vorsitzender des Agrarausschusses, der das Ergebnis vom 13. März in der anschließenden Pressekonferenz des EP als „starkes Verhandlungsmandat für die Verteidigung der Landwirte“ bezeichnete!
Pressemeldung des Europäischen Parlamentes zu den GAP-Beschlüssen:
Einschätzung von Ulrike Rodust, SPD-Mitglied im Agrarausschuss:
http://www.spd-net-sh.de/rodust/images/user_pages/13-03 -13_GAP_vote_Plenum. pdf
Reaktion des Agrarkommissars:
http://europa.eu/rapid/press-release_ME MO-13-218_en. htm
Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.