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Tagungen

Kompensation mit der ­Landwirtschaft – aufwerten und ­nutzen

„Kompensation mit der Landwirtschaft – aufwerten und nutzen“: Unter diesem Thema fand die diesjährige Fachtagung des Bundesverbandes der Flächenagenturen in Deutschland (BFAD) in der UNESCO-Weltkulturerbestätte Bauhaus in Dessau statt. Ein passender Hintergrund: Hier boten sich auch Einblicke in die Philosophie der Bauhaus-Lehrer, die die traditionell getrennten Bereiche der Bildenden Kunst, der Angewandten Kunst und der Darstellenden Kunst miteinander verbunden haben.

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Von Anita Neunkirchen und Martin Szaramowicz

Die Vereinbarkeit der Belange des Naturschutzes und die der Landwirtschaft wurden und werden vielfach noch in Frage gestellt. So ist der Entzug von landwirtschaftlicher Nutzfläche durch Kompensationsmaßnahmen ein mitunter kontrovers diskutiertes Thema. Ziel der Tagung war es zu zeigen, dass ein Ineinandergreifen von Kompensationsmaßnahmen und angepasster landwirtschaftlicher Nutzung einen großen Mehrwert erreichen kann. Bedeutend ist dieses gerade vor dem Hintergrund, dass den Grünland- und Ackerlebensräumen eine wachsende Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität zukommt.

Die politische Bedeutung des Themas wurde durch den Eröffnungsvortrag von Sachsen-Anhalts Umwelt- und Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens deutlich. Er zeichnete ein differenziertes Bild der bestehenden Gesetzeslage und der verschiedenen Interessen von Landnutzern, Investoren und Naturschutzakteuren. Seiner Einschätzung nach wird die Eingriffsregelung in ihren Grundzügen als bewährtes Instrument bestehen bleiben, wenn es auch zu Veränderungen in Durchführungsvorschriften kommen kann (Stichwort Bundes-Kompensationsverordnung). Er plädierte vor diesem Hintergrund für kooperative Lösungen. Flächenpools und agenturen können für ihn dazu beitragen, solche Lösungen zu erarbeiten – die bislang in Sachsen-Anhalt durch die Landgesellschaft begonnenen Projekte hob er lobend hervor.

Laut Prof. Dr. Sabine Tischew, Professorin für Vegetationskunde und Landschaftsökologie an der Hochschule Anhalt, ist die Kulturlandschaft für mehr als die Hälfte aller heimischen Tier- und Pflanzenarten ein unverzichtbarer Lebensraum. Ein Hotspot der Artenvielfalt liegt dabei in extensiv genutzten Agrarlandschaften. So beherbergen artenreiche Grünlandgesellschaften im weiteren Sinne mehr als 2000 Pflanzenarten und der Beitrag zum Erhalt der Biodiversität steigt. Prof. Tischew betonte die Wichtigkeit, den steigenden Beitrag zur Biodiversität stärker zu honorieren, um dem Schwund dieser Lebensräume zu begegnen.

Das bestätigte auch Stefan Meyer mit dem Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“. Die betriebswirtschaftlichen Belange der Landwirte, die diese Äcker naturschutzgerecht bewirtschaften, müssten hinreichend berücksichtigt werden. Andernfalls würden über das von der DBU geförderte Projekt hinausgehende Maßnahmen keinen Erfolg haben. Das bundesweite Netz so genannter Schutzäcker dient als Ausgangspunkt einer wissenschaftlich begleiteten Wiederausbreitung von Ackerwildkräutern. Notwendig werden solche Programme aufgrund starker Verluste der Pflanzendiversität auf Äckern durch landwirtschaftliche Intensivierung. 120 Ackerwildkräuter stünden derzeit auf der Roten Liste Deutschlands. Gleichzeitig gebe es nur sehr beschränkte Schutzinstrumente. Meyer sprach daher von den „Stiefkindern des Naturschutzes“.

Viele Fachbeiträge von Wissenschaftlern und teilnehmenden Akteuren boten Grundlagen zur Verbesserung der ökologischen Wirksamkeit von Kompensationsmaßnahmen. Sandra Dullau, Hochschule Anhalt, ging auf Möglichkeiten zur zielgerichteten Entwicklung von Grünlandlebensraumtypen ein und stellte einen Grünlandleitfaden als Planungshilfe vor. Ein weiterer Schwerpunkt waren Praxisinformationen zur naturnahen Begrünung, dass heißt der Verwendung von heimischen Arten mit Herkünften aus dem entsprechenden Naturraum. Im Gegensatz zu den vielfach eingesetzten Regelsaatgutmischungen, käme es hier nicht zu Florenverfälschungen und Gefährdung der floristischen Identität der Naturräume.

Trotz der Nachteile der Regelsaatgutmischungen (RSM) seien Methoden der naturnahen Begrünung noch vergleichsweise wenig bekannt. Die noch geringe Nachfrage nach gebietseigenem Saatgut und seine recht aufwendige Gewinnung hätten vergleichsweise hohe Kosten zur Folge. So seien die Herstellungskosten für extensive Wiesen und Weiden inklusive einer dreijährigen Entwicklungspflege bei gebietsheimischem Saatgut im Vergleich zu Regelsaatgutmischungen zunächst höher. Bei der Betrachtung der Gesamtkosten inklusive Unterhaltung und Nachbesserung relativierten sich diese Unterschiede aber stark. Ursachen dafür seien teure Nachbesserungen wegen fehlender Zielarten oder mangelndem Erosionsschutz bei konventionellen Verfahren (RSM). Bei naturnahen Begrünungsmethoden hingegen entsteht laut Beatrice Studte, Hochschule Anhalt, nur ein geringer Nachpflegeaufwand. Voraussetzung sei, so Begrünungsberater Matthias Stolle, dass das Begrünungsziel an das Standortpotenzial angepasst sei. Andernfalls seien aufwändige, standortverändernde Maßnahmen erforderlich.

Flächenagenturen bieten laut Prof. Tischew beste Voraussetzungen für eine hochwertige und langfristige Kompensation. Praxisbeispiele zeigten, dass in landwirtschaftlichen Intensivregionen eine Integration von Kompensationsmaßnahmen teilweise erschwert sei. Viele erfolgreiche Beispiele von landwirtschaftlich verträglichen Poolprojekten zeigte Ines Pozimski von der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt. Voraussetzung dafür sei eine räumliche Entkopplung der Kompensationsmaßnahmen: Der Kompensationsraum sei der Naturraum, nicht der Eingriffsraum. Auch sei die gezielte Lenkung der Poolprojekte in Flächen mit naturschutzfachlich sehr hohen standörtlichen Entwicklungspotenzialen wichtiger als die kurzfristige Flächenverfügbarkeit. Der Poolansatz der Landgesellschaft empfehle die Entwicklung der Flächen durch eine angepasste Bewirtschaftung unter Einbeziehung der Landwirtschaft und eine dauerhafte Betreuung der Maßnahmen, um Erfolge zu sichern.

Insgesamt sieht sich der BFAD e.V. auch durch diese Tagung in seinem Weg bestätigt, Pools und Agenturen als wichtige Akteure des Naturschutzes zu präsentieren und zu vernetzen. Auch im kommenden Jahr wird eine Fachtagung des Verbandes Gelegenheit zu Information und Diskussion bieten. Ausrichter werden dann in Mecklenburg-Vorpommern die dortige Landgesellschaft und die Stiftung Umwelt und Naturschutz sein.

Anschriften der Verfasser(in): Anita Neunkirchen, Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland e.V. (BFAD), Neustädtischer Markt 22, D-14776 Brandenburg an der Havel, E-Mail anita.neunkirchen@verband-flaechenagenturen.de; Dipl.-Ing. Martin Szaramowicz, Flächenagentur Brandenburg GmbH, Neustädtischer Markt 22, D-14776 Brandenburg an der Havel, E-Mail martin.szaramowicz@flaechenagentur.de.

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