Irische Ratspräsidentschaft: Dicke Bretter bohren
Nachdem der Sondergipfel der EU-Staatschefs am 22. und 23. November 2012 an den nationalen Egoismen und nicht zuletzt der massiven Lobbyarbeit der „Besitzstandswahrer“ von EU-Subventionen gescheitert ist, muss die am 01. Januar 2013 gestartete irische Ratspräsidentschaft einige „dicke Bretter bohren“. Am 07. Dezember hat Irland gemeinsam mit Litauen und Griechenland die gemeinsamen Schwerpunkte für die neue „triple presidency“ bis zum Juni 2014 offiziell vorgestellt.
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Erwartungsgemäß wollen sich die drei Ratspräsidentschaften vor allem darauf konzentrieren, „Antworten auf die gegenwärtigen ökonomischen, finanziellen und sozialen Herausforderungen zu finden“, die Beschäftigung zu fördern, den Binnenmarkt zu stärken sowie Forschung, Entwicklung und Innovation zu intensivieren. Auch Schwerpunkte wie die Vollendung des Energiebinnenmarktes und die Verbesserung der Transportinfrastruktur erfordern eine intensive Begleitung aus umwelt- und naturschutzpolitischer Sicht.
Die umweltpolitischen Schwerpunkte bleiben dagegen nur vage, klare quantitative Ziele werden vermieden. Immerhin werden unter anderem die Ziele des Aufbaus einer grünen Wirtschaft mit dem Fokus auf Ressourceneffizienz sowie die Erarbeitung einer EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel erwähnt. Ein Entwurf der Europäischen Kommission zu diesem Thema wird Mitte 2013 erwartet. Bei der Auftaktveranstaltung zum EU-Jahr der Luft 2013 am 08. Januar versprach der irische Umweltminister Phil Hogan immerhin eine „grüne Ratspräsidentschaft der grünen Insel“, in der das 7. Umweltaktionsprogramm (Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (1), S.2) eine der „flagship priorities“ darstelle.
Das in den kommenden Wochen und Monaten brennendste Thema ist natürlich die Einigung auf den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2014 bis 2020. Hier wird allerdings nicht die irische Ratspräsidentschaft, sondern wie schon auf dem Sondergipfel im November EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Fäden in der Hand halten.
Es ist zu hoffen, dass Van Rompuy, die Staatschefs und EP-Präsident Martin Schulz das Scheitern des Sondergipfels als Chance begreifen, den EU-Haushalt endlich grundlegend zu überarbeiten. Denn der Vorschlag von Van Rompuy vom November hätte lediglich den Nutznießern der bisherigen Milliardenpfründe gedient, etwa in der Landwirtschaft. Er wollte auf Drängen der Nettozahler wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland ausgerechnet in den für eine zukunftsfähige Entwicklung wichtigen Bereichen wie Forschung und Umweltschutz massiv kürzen, während die Subventionen etwa für die Landwirtschaft und die Infrastrukturentwicklung wie den Straßenbau, zusammen über 80 % des EU-Budgets, weitgehend erhalten werden sollten.
Zudem wollte Van Rompuy zwar auch in der 1. Säule der Agrarpolitik sparen, aber weitaus stärker ausgerechnet in der 2. Säule, obwohl schon jetzt weniger als 30 % der Gelder aus dem Agrarhaushalt in die Entwicklung ländlicher Räume und die Agrarumweltmaßnahmen fließen. Außerdem hatte Van Rompuy auf Druck der großen Agrarnationen noch vorgeschlagen, nicht nur eine Umschichtung von Mitteln aus der 1. in die 2. Säule, sondern auch noch von der ohnehin geschwächten 2. Säule in die 1. Säule für Direktzahlungen zuzulassen.
Wohin die weitere „Reise“ gegangen wäre, hatte der deutsche Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied in einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel zwei Tage vor dem Gipfel unmissverständlich klar gemacht: Käme es zu den angekündigten Kürzungen im Agrarbudget, so Rukwied laut einer DBV-Pressemeldung, sei den Greening-Vorschlägen der Europäischen Kommission gänzlich die Grundlage entzogen. Am Beginn der irischen Ratspräsidentschaft wird sich somit entscheiden, ob wirklich Fortschritte in Richtung der in politischen Sonntagsreden beschworenen „intelligenteren“ Verwendung der EU-Gelder (smart spending) erzielt werden können, oder ob zum Beispiel im Agrarsektor sogar massive Rückschritte drohen!
Weitere aus Naturschutzsicht wichtige Themen der irischen Ratspräsidentschaft sind, neben dem 7. Umweltaktionsprogramm, die Beratung der Novelle der UVP-Richtlinie (Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (12), S.354) und die EU-Strategie gegen invasive Arten. Diese kann erst unter irischer oder gar litauischer Ratspräsidentschaft behandelt werden, da die Fertigstellung des eigentlich für Dezember 2012 geplanten Entwurfs der EU-Kommission (Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (10, S.290) sich verzögert hat. Spannend werden auch die Beitrittsverhandlungen mit Island, dass für den Beitritt zur EU zahlreiche Ausnahmen von den natur- und artenschutzrechtlichen Bestimmungen fordert, etwa für den Wal- und Robbenfang, das Sammeln von Möweneiern, den Netzfang des Papageitauchers auf dem Nest und andere „alte Traditionen“.
Das Arbeitsprogramm der neuen „triple presidency“ Irland, Litauen und Griechenland bis Juni 2014: http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/12/st17/st17426.en12.pdf
Hintergrundinformationen der Europäischen Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen zum EU-Jahr der Luft, das zusätzliche Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Energie, Luftreinhaltung und Verkehr vorsieht:
http://www.eea.europa.eu/highlights/2013-kicking-off-the-2018year
Der Entwurf für das 7. Umweltaktionsprogramm ist abrufbar unter: http://ec.europa.eu/environment/newprg/proposal.htm
Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
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