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Recht und Gesetz

Kompensationsverordnung des Bundes

Art und Umfang naturaler Kompensation einschließlich der Höhe der Ersatzzahlung darf der Bundesumweltminister (BMU) in einer Kompensationsverordnung regeln. Von dieser Ermächtigung durch den Gesetzgeber macht der BMU nun Gebrauch: Ende September 2012 legte er den Entwurf einer solchen Verordnung vor. Ein kritischer Kommentar zum fortgeschriebenen Entwurf vom 05.11.2012.

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Ein kritischer Kommentar zum vorliegenden Entwurf

Von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen

Der Entwurf der Kompensa­tionsverordnung muss sich an den ihr vom BMU gesetzten Zielen messen lassen – die Stichworte aus der Entwurfsbegründung lauten: Transparenterer und effektiverer Vollzug und mehr Akzeptanz der Eingriffsregelung. Verbesserung der Investitionsbedingungen. Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Erhöhung der Planungs- und Rechtssicherheit. Verringerung der Flächen­in­anspruchnahme durch Eingriff und Kompensation. Der Energiewende Rechnung tragen. Von diesen Zielen verfehlt der Entwurf nicht nur die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege:

(1) Die gesetzlichen Anforderungen an die Kompensation von Eingriffsfolgen für das Landschaftsbild verletzt der Entwurf gleich zweifach:

(a) So sollen auch im Naturraum auf das Landschaftsbild bezogene Kompensationsmaßnahmen durchgeführt werden können, die aber dem Gesetz nach tatsächlich zur Wiederherstellung oder landschaftsgerechten Neugestaltung des Landschaftsbildes an Ort und Stelle des Eingriffs ansetzen und sich auf das in Mitleidenschaft gezogene optische Beziehungsgefüge beziehen müssen. Dass der Gesetzgeber den Kompensationsraum nur auf den Naturhaushalt, nicht aber auf das Landschaftsbild bezogen in den Landkreisgrenzen übersteigenden Naturraum hinein ­geöffnet hat, scheint dem BMU nicht aufgegangen zu sein.

(b) Zugleich schreibt der Entwurf Bauwerken „oberhalb von zehn Metern“ fälschlich generell Eingriffsfolgen für das Landschaftsbild zu, die nicht behoben werden können und insofern zu Ersatzzahlung führen. Beides lässt die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe geschuldeter landschaftsgerechter Neugestaltung des Landschaftsbildes unbeachtet. Auf diese Regelungen des Entwurfs gestützte Entscheidungen würden einer gerichtlichen Überprüfung kaum standhalten.

(2) Die methodischen Vorgaben für die Ermittlung des Kompensationsbedarfs für den Naturhaushalt sind schwer verständlich. Auch nach intensiver Beschäftigung mit dem Entwurf bleibt einiges unverständlich. Man möchte dem Umweltminister wünschen, den Verordnungsentwurf einmal anwenden oder auch nur einem Fachpublikum erklären zu müssen.

Ein Teil der Vorgaben gilt Eingriffen mit eher geringen, ein anderer Teil Eingriffen mit eher schweren Eingriffsfolgen. Bei Vorhaben mit geringen Eingriffsfolgen soll eine „biotopbezogene Aufwertung“ genügen. Bei Vorhaben mit schweren Eingriffsfolgen soll „funktionsbezogen“ kompensiert werden. Sachangemessenheit und Kriterien dieser Unterscheidung sind fraglich.

(3) Für schwere Eingriffsfolgen wird der Kompensationsbedarf für Beeinträchtigungen des Naturhaushalts gegenüber dem in den meisten Bundesländern üblichen Niveau abgesenkt – bezogen beispielsweise auf so genannte Timelag-Aufschläge um die Hälfte oder zwei Drittel. Der Kompensa­tionsbedarf für schwere Eingriffsfolgen ist damit kaum größer als für geringe Eingriffsfolgen. Damit geht der dringend gebotene Anreiz für eine naturschutzangepasste Standortwahl verloren. Der Entwurf erreicht so eines seiner Ziele, wenn nicht sein eigentliches Ziel: die insbesondere aus der Landwirtschaft heraus geforderte Reduzierung des Flächenbedarf für Kompensationsmaßnahmen. Am ehesten könnte die Höhe der Ersatzzahlung der Höhe entsprechen, die auch heute in einzelnen Bundesländern erreicht wird.

(4) Die methodischen Ansätze sowohl zur Naturalkompensation als auch zum Ersatzgeld eröffnen wegen de­finitorischer Lücken eher un­freiwillig als absichtlich teilweise einen so großen In­terpretationsspielraum, dass eines der wichtigsten und berechtigten Verordnungsziele nicht erreicht wird: nämlich dass verschiedene Anwender bei gleicher Fallkonstellation zu einem zumindest ähnli-chen Kompensationsbedarf gelangen.

Der Entwurf ist hinsichtlich der Regelungstiefe und der Durchdringung einzelner Aspekte ungleichgewichtig und asymmetrisch. Einige der acht Anlagen des Verordnungsentwurfs tragen zur Anwendung der Verordnung nichts bei. Der Entwurf schreibt den Bundesländern die Anwendung einer bundesweiten Biotoptypen­liste vor, welche in methodischer und tatsächlicher Hinsicht für die Praxisfragen in den Ländern untauglich ist. Es hat den Anschein, dass an der Ent­wurfs­erarbeitung in der Eingriffsregelung praktisch erfahrene Personen nicht beteiligt waren.

(5) Entgegen der Darstellung im Entwurf kann eine dauerhafte Unterhaltung oder Pflege von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht in jedem Fall dem Eingriffsverursacher zugerechnet werden, so sehr dieses auch im Interesse des Naturschutzes liegen mag. Andererseits kann die Pflegedauer auch nicht generell auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt werden.

Auch in dieser Hinsicht ist die Rechtswirklichkeit dif­ferenzierter als sie im Entwurf aufscheint. Die Hinweise auf „produktionsintegrierte Kompensation“ sind gemessen an den im Entwurf genannten Anforderungen an die rechtliche Sicherung der Kompensation widersprüchlich. Produktionsintegrierte Kompensation scheitert zu Recht zumeist schon an ihrer un­zureichenden rechtlichen Sicherung.

(6) Der Entwurf begünstigt die Landwirtschaft. Sie hat in diesem Entwurf erwartungsgemäß ihre in der letzten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes verankerten Privilegien auf definitorische Weise abgesichert: nämlich ein dreifaches Rücksichtnahmegebot zugunsten ihrer Interessen vor einer Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen für Kompensationszwecke. Dem Entwurf nach sind (a) agrarstrukturelle Belange schon betroffen, wenn sich die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen auf die Produktions- und Arbeitsbedingungen landwirtschaftlicher Betriebe auswirkt, und (b) sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden solche, die auf den betroffenen Landkreis bezogen der Bodenfruchtbarkeit nach zum oberen Drittel zählen.

(7) In der Entwurfsbegründung wird zu Recht die beinahe unübersehbare Vielzahl der auf verschiedenen Ebenen entwickelten Verfahren zur Eingriffsregelung kritisiert. Um­so bedauerlicher ist der Umstand, dass der Entwurf dieser Zersplitterung und Zerfaserung keine überzeugende Alternative entgegenzusetzen versteht. Jedenfalls ist der Entwurf den in 16 Bundesländern in 35 Jahren entwickelten Verfahrensweisen trotz ihrer teilweise beträchtlichen Mängel nicht überlegen.

Dabei böte sich die Chance, aus den unterschiedlichen Ansätzen die besten auszuwählen und ggf. fortzuentwickeln. Diese Erwartung richtete sich an ein vom Bundesamt für Naturschutz initiiertes Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, das die Bundeskompensationsverordnung hatte vorbereiten sollen, von dem man aber nichts mehr gehört hat. Der BMU scheint den Fachleuten die Sache aus der Hand genommen und an sich gezogen zu haben.

Der Entwurf weist eine verstörende Praxisferne auf. Er löst die meisten Praxisprobleme der Eingriffsregelung nicht, sondern dürfte die Praxis zu Lasten aller Beteiligten (außer der Landwirtschaft) vor mehr Fragen als Antworten stellen und in ein ziemliches Chaos stürzen. Der Entwurf verfehlt die elementarsten vom BMU gesteckten Ziele. Der Entwurf ist eine Kopfgeburt. Er übertrifft die Befürchtungen, die die EGE in der Septemberausgabe der Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung geäußert hatte. Man möchte Goethes Faust zitieren: „Da steh´ ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“ Oder frei nach Brecht: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“.

Die Eile, mit der an der Kompensationsverordnung gearbeitet wird, ist eine Folge der so genannten Energiewende. Ihre Durchsetzung, so befürchten ihre Befürworter, könnte zu einem steigenden Bedarf an Kompensationsflächen führen. Diese Befürchtungen treffen sich mit den jahrelangen Bemühungen der Landwirtschaft, Kompensation als „Flächenverbrauch“ hinzustellen und dieses Verständnis der Politik aufzudrängen. Der BMU muss die anerkannten Naturschutzvereinigungen an dem Entwurf der Kompensationsverordnung beteiligen. Ob und wie diese Vereinigungen ihre Mitwirkungsrechte in der Sache nutzen werden, konnte die EGE bisher nicht erkennen.

Anschrift des Verfassers: Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V., Breitestraße 6, D-53902 Bad Münstereifel, E-Mail egeeulen@t-online.de.

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