Rechtssicherheit im Artenschutz – von Wutarten und Wissenslücken
Dieser Text entstand im Wald. Zumindest im Kopf. In einem Wald, dessen Eigentümer, eine finanziell klamme Kommune, den Bau von 14 Windkraftanlagen genehmigt wissen möchte. Deshalb wird dieser Wald gerade artenschutzrechtlich untersucht: Rotmilan, Waldohreule, Grün- und Grauspecht brüten, Schwarzstörche suchen Nahrung, Rauhautfledermaus, Kleiner und Großer Abendsegler jagen hier – diese Arten besitzen dort also Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätten im Wording des Naturschutzgesetzes.
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Das 2007 „klein“ novellierte Bundesnaturschutzgesetz, Vogelschutz- und FFH-Richtlinie, unterstützt durch Rechtsurteile der letzten Zeit, setzen diesbezüglich neue rechtliche Normen für Planungsverfahren. Die „Planungsverhinderer“ haben Schlagzeilen gemacht, wer kennt sie nicht: Feldhamster, Kammmolch, Wachtelkönig, Rotmilan, Schwarzstorch, Großtrappe, Kleine Hufeisennase und so weiter. Für Investoren, die sich durch diese Arten bzw. sie schützende Rechtsnormen behindert fühlen, wirken sie als Wutauslöser – „Wutarten“ eben. Für die so genannten „Wutbürger“ dagegen, die Argumente zur Verhinderung von Planungen suchen, bieten sie willkommene Schützenhilfe, um andere, vielleicht weniger zugkräftige oder gerichtsfeste Argumente durchzudrücken.
Letzteren sei eine Website ans Herz gelegt: http://www.feldhamsterverleih.de, „Ihr kompetenter Serviceanbieter in Sachen Blockade durch Naturschutz“. Zeitlich befristet werden Hamster, Biber, Fischotter, Mausohr und Juchtenkä-fer – derzeit leider ausgebucht; sind sie aus Stuttgart nicht zurückgekommen? – verliehen. Sand-Strohblume für 225,50 €, Feldhamster für 285,50 € oder Fischotter für 485,50 €. Zu teuer? Eine Feldhamsterbau-Imitation gibt’s schon für 97,30 €.
Zugegeben, eine satirische Seite. Sie verdeutlicht aber im Ernst, wie Investoren, Presse und Öffentlichkeit den Naturschutz häufig wahrnehmen: Eine Handvoll von Tieren verhindert Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung. Dass es aber um Stellvertreter von Lebensgemeinschaften, letztlich die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen geht – nicht juristisch, aber fachlich –, wird verkürzend ausgeblendet.
Für Planungs- und Gutachterbüros sind artenschutzrechtliche Gutachten ein in den letzten Jahren stark gewachsener Erwerbszweig. So stark, dass es ihnen vielfach schwer wird, geeignete Bearbeiter für die Feldarbeit zu finden. Nicht minder schwierig die Kopfarbeit im Büro: fachlich (biologisch, autökologisch) wie juristisch. Denn die Materie ist hoch komplex, wie das vorliegende Schwerpunktheft zur Umsetzung des Artenschutzrechts für drei Themen illustriert:
Fortpflanzungs- und Ruhestätten – der Gesetzgeber sagt in § 44 BNatSchG, dass diese bei besonders geschützten Arten nicht beschädigt oder zerstört werden dürfen. Eine Legaldefinition aber fehlt, was das Handling in der Praxis nicht leichter macht. Der erste Hauptbeitrag stellt am Beispiel der Vögel praktikable Lösungen vor. Teil 2 des Beitrags im folgenden Heft wird sich mit Reptilien und Tagfaltern befassen.
Alternativenprüfung – im zweiten Hauptbeitrag geht es um das Abweichungsverfahren gemäß § 34 und die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung nach § 45 BNatSchG. Wann sind „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ gegeben, um den Artenschutz zurückzustellen?
Praxis der Genehmigungsplanung – der dritte Beitrag zeigt an Beispielen für die spezielle Artenschutzprüfung Lösungen und rechtliche Problemlagen auf.
Rechtssicherheit lautet das Schlüsselwort, welches Auftraggeber wie Auftragnehmer im Metier des Artenschutzes verlangen. Naturschutz und Landschaftsplanung bietet ihnen mit diesem Heft Unterstützung. Aber auch das wird klar: Es bleiben noch viele Fragen offen, rechtlicher wie fachlicher Art. Aufgaben gerade auch für die bioökologische Forschung. Die aber ist in Deutschland eher noch stärker gefährdet als Hamster und Otter – Rote Liste 1, vom Aussterben bedroht! Ergo werden im Zweifel juristische Klarstellungen folgen, die fachlich manches Mal daneben liegen. Aber das merkt ja (fast) keiner mehr.
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