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Editorial

Ein Bauer ohne Geld ist eine Nuss ohne Kern

Kröten, Mäuse, Moos – Fauna und Flora müssen vielfach als Synonyme für Geld herhalten. Doch auch im Schutz der biologischen Vielfalt ebenso wie der abiotischen Ressourcen gilt die Volksweisheit: Ohne Moos nix los! Oder etwas freundlicher umschrieben mit einem Kärntner Schnadahüpfl (Lied): Ein Bauer ohne Geld ist eine Nuss ohne Kern.

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Damit sind wesentliche Themen des neuen Heftes benannt: Es geht ums Geld, gerade auch um Geld für Bauern, und das in Verknüpfung mit dem Naturschutz. 303 Millionen Euro sind aus dem EU-Fonds zur ländlichen Entwicklung (ELER) im Jahr 2010 in Deutschland in den Bereich Naturschutz (biotisch orientiert) geflossen. Jeweils gut 10 % dieser Summe – etwa 30 Millionen Euro – stehen andererseits aus dem LIFE-Programm der EU in Deutschland und noch einmal zusammen genommen durch Bundesförderprogramme zur Verfügung: gesamtstaatlich-repräsenta­tive Projekte des Bundes („Chance.Natur“), Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben des Bundes und – nur zögerlich in Gang kommend – das neue Bundesprogramm Biologische Vielfalt.

Ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen? Sicher, die Wirksamkeit der ELER-Gelder ließe sich in vielen Punkten erheblich verbessern. Aber unter dem Strich zeigen diese Zahlen eines sehr deutlich: Die Agrarpolitik auf europäischer Ebene und ihre Umsetzung durch Bund und Länder kann das derzeit wichtigste Finanzierungsinstrument für Maßnahmen des Naturschutzes sein. Es kommt darauf an, was man daraus macht – zumal auch das Handwerkszeug bereit steht, um Risikopotenziale der Landwirtschaft zu be­urteilen (siehe zweiter Hauptbeitrag) und so Fördermittel effizient einzusetzen.

Deshalb lohnt es, sich in die aktuellen Debatten um die Kommissionsvorschläge für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der neuen Förderperiode ab 2014 in Brüssel einzumischen. Fallen Extensivweiden unter den Tisch zumindest der Förderfähigkeit der 1.Säule? Viele Lebensraumtypen, zu deren Schutz Natura 2000 verpflichtet, brauchen die Beweidung: Wenn die Heidschnucken aus der Lüneburger Heide erst verschwunden sind, wird es zu spät sein, über Förderungen nachzudenken. Heute gilt: Je mehr Biodiversität ein Landwirt fördert, desto größer ist das Sanktionsrisiko – über Nacht ist der Bauer pleite. Das darf nicht sein!

Halbwissen und Polemik bringen eine unnötige Schärfe in die Diskussion um die 7 % ökologischen Vorrangflächen, welche Ackerbaubetriebe künf­tig im Rahmen des Greening nachweisen sollen: Hier werde eine völlig falsche Debatte geführt, stellte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos wiederholt fest. Es handele sich nicht um eine Flächenstilllegung. Und doch bläst selbst Agrarministerin Ilse Aigner in dasselbe Horn wie der Deutsche Bauernverband (DBV): 7 % der betrieblichen Ackerfläche künftig faktisch stillzulegen, sei nicht sinnvoll. Sie müsste es besser wissen. Soll da bewusst Stimmung gemacht werden?

„Stoppt Landfraß“ wirbt der DBV mit einer Kampagne, die ebenso in die Irre führt – dito Stimmungsmache? Eigentlich sollte hier ein Konsens zwischen Landwirtschaft und Naturschutz bestehen: 90ha Flächenverlust pro Tag in Deutschland für Siedlungen und Verkehr prangern beide als viel zu hoch an. Die Tür schlägt der Bauernverband aber ohne Not wieder zu, wenn er in ­einem Atemzug den naturschutzrechtlichen Ausgleich als Mitverursacher nennt. Ein Ausgleich in Geld helfe dem Naturschutz mehr als immer neu ausgewiesene Flächen, sagte der DBV-Umweltbeauftragte Friedhelm Decker. Immer schön in den Wald mit der Kompensation – siehe unsere Rubrik „Diskussion“. Nur müssen da die Feldlerchen und Kiebitze erst noch lernen, dass sie künftig im Wald brüten sollen.

Die Realität ist anders, wie der NABU am Beispiel ­Bayerns nachgerechnet hat: Das Ökoflächenkataster weise 29568ha Kompensationsflächen aus – das sind gerade 0,5 % der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Häufig handele es sich um Biotopflächen, die ohnehin keiner landwirtschaftlichen Nutzung zugänglich sind. Oder es findet eine (extensi­vierte) landwirtschaftliche Nutzung statt – Flächenfraß durch Kompensation also Fehlanzeige! Die wahren Probleme liegen dort, wo Industriegebiete und Straßen, ein wenig aber auch Biogasanlagen und Windräder gebaut werden: Dort wird Boden versiegelt und wirklich der Landwirtschaft entzogen.

Kein Bauer, niemand möchte eine „Nuss ohne Kern“ sein. Im Einzelfall mag in diesem Sinne eine großzügige Vergütung, ob aus dem Säckl der Bauwirtschaft oder durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, den Flächenverlust versüßen. Aber alle hätten gewonnen, wenn der Flächenfraß gemeinsam und sachlich angegangen und die GAP-Debatte ebenso fundiert geführt würde: Public money for public goods, Kröten nur für öffentliche Güter, das aber in einem auskömmlichen Maße!

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