Schlappe für Naturschutz im Wald?
Ein Fragenkatalog zur Umsetzung der FFH-Richtlinie im deutschen Wald wurde vom Bundesumweltministerium (BMU) im September 2011 beantwortet. Doch obwohl der Bund gegenüber der EU berichtspflichtig ist, spielt das BMU mit seinem Bundesamt für Naturschutz (BfN) bei der Datenerhebung im Wald nur eine beratende und koordinierende Rolle, keine führende oder prüfende. Die Forstbehörden von Bund und Ländern haben das Sagen, was Ökologen und Naturschützer irritieren dürfte. Forstleute erfassen im Rahmen der Bundeswaldinventur (BWI) an punktförmigen Stichproben nebenbei die FFH-Lebensraumtypen.
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FFH-Monitoring der Wald-Lebensraumtypen unter Forst-Kuratel
Von Barbara Froehlich-Schmitt
Die FFH-Richtlinie fordert, eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der FFH-Lebensraumtypen (LRT) und -Arten zu verhindern (EK 2003: 33, 34). Denn dies würde eine Vertragsverletzung bedeuten, wie das Urteil des EuGH von 2011 zur Situation von Feldhamstern in Frankreich zeigt. Wenn der Erhaltungszustand der FFH-LRT im deutschen Wald nur unzureichend überwacht würde, wäre eine Vertragsverletzung kaum nachweisbar.
Der dritte nationale Bericht über den Zustand der Natur nach FFH-Richtlinie (Art. 11 und 17) muss von Deutschland 2013 bei der Europäischen Kommission eingereicht werden. Die ersten beiden Berichte beruhten im Wesentlichen auf Experteneinschätzungen. Die Ampelbewertung im Bericht 2007 wurde also von Experten vorgenommen ( http://www.bfn.de/0316_bericht2007.html ). Sie haben die seltenen Wald-LRT, z.B. Moorwälder, überwiegend schlecht bewertet; vielleicht im Hinblick darauf, dass die EU eine Verschlechterung des Erhaltungszustands verbietet? Man darf aber nicht vergessen, dass nach Art. 1 der FFH-Richtlinie ein günstiger Erhaltungszustand ihrer Schutzgüter anzustreben ist.
Erst seit 2008 wurde in Deutschland mit systematischem Monitoring, d.h. genauerer Beobachtung und Überwachung der Natur, begonnen. Die Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) schreibt dabei ein ABC-Bewertungsschema vor, das mit dem Ampelschema der EU nicht kompatibel ist, denn A+B entspricht Grün = günstiger Erhaltungszustand, C entspricht Gelb+Rot = ungünstig (Behrens 2009). Das deutsche Monitoring differenziert die C-Stufe nicht. Ein Umrechnungsmodus soll am Schluss durch BfN und Länder angewendet werden.
Den Totalzensus und die Stichprobentests der LRT und Arten innerhalb und außerhalb der FFH-Gebiete machen die Bundesländer in eigener Regie sehr unterschiedlich genau und im Wald oft unter Federführung der Landesforstbehörden.
Während im Offenland die LANA bezüglich der Natura-2000-Berichtspflicht die Abstimmung zwischen den Bundesländern zusammen mit dem BfN ohne Beteiligung der Landwirtschaft vornimmt, haben im Wald die Forstchefs der Bundesländer (FCK) mehr als ein Wörtchen mitzureden (Burkhardt 2004). Während im Offenland nicht Landwirte, sondern freiberufliche Ökologen und Ökologinnen im Auftrag der Naturschutzbehörden Natura-2000-Biotope erfassen und bewerten, sind es im Wald meist Forstleute im Auftrag von Forstbehörden.
Die Anweisung zur Bundeswaldinventur enthält seit 2011 Hinweise für FFH-Typen. Denn Bund und Länder sind übereingekommen, das Stichproben-Monitoring aller Wald-LRT außer den Kiefernwäldern 91T0 und 91U0 im Rahmen der Bundeswaldinventur mit Stichproben in einem Gitternetz von 4 x 4 km an Inventurpunkten von 10 m Radius zu erledigen. Die Federführung hat das Bundesforstministerium mit seinem Johann Heinrich von Thünen-Institut (BfN 2010: 67, BMELV 2011). Erlen-Eschenwälder 91E0 sind wegen ihres linearen Charakters über die Punkterfassung der BWI nur unzureichend anzusprechen (BfN: 67). In der Aufnahmeanweisung des BMELV wird die Bewertung des Erhaltungszustands der LRT nicht definiert. Es ist nur von Beeinträchtigung durch Eutrophierungszeiger und invasive Gehölze (S. 64) die Rede. Zwar sollen die Forst-Aufnahmetrupps vom BfN geschult werden (dieses wäre wohl nötig, denn die BWI-Anweisung setzt kaum floristische Kenntnisse voraus, sondern enthält sogar Bestimmungshilfen für Baumarten!). Die „Aufnahmetrupps“ müssen von einem Diplom-Forstwirt geleitet werden. Die Förster beschränken sich vermutlich auf automatische nachrichtliche Übernahme: „Das Datenerfassungsprogramm schlägt aufgrund der natürlichen Waldgesellschaft, der Baumartenzusammensetzung und ggf. weiterer Angaben die möglichen Waldlebensraumtypen (Anlage 5) vor. Der Trupp kann in begründeten Fällen davon abweichen oder die natürliche Waldgesellschaft ändern“ (BMELV 2001: 8, 60).
Die detaillierten Fragen zu FFH-Monitoring im Wald wurden vom BMU nur allgemein beantwortet mit dem Hinweis, man könne Genaueres bei den Obersten Naturschutzbehörden der Bundesländer erfragen. Das Engagement einer investigativen Journalistin stößt hier an natürliche Grenzen, zumal viele Naturschutzbehörden wieder an die Forstbehörden verweisen würden. Wenn man im Internet klare Informationen zu FFH-Monitoring im Wald sucht, wird man kaum fündig. Nur wenige Bundesländer präsentieren wenigstens Grund-Informationen dazu, was FFH-Monitoring ist und wer dafür verantwortlich zeichnet. Die Forstbehörden haben für das FFH-Monitoring im Wald bei mindestens acht Bundesländern die Federführung: Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen mit Bremen und Hamburg, Sachsen und Thüringen.
Baden-Württemberg gliedert das FFH-Monitoring in drei Teile: 1. Biotop- und Artenkartierung, 2. bundesweites Stichproben-Monitoring, 3. Einbindung von Experten. Zitat: „Nur die Datenquelle „bundesweites Stichprobenmonitoring“ wurde bezüglich ihrer Ausgestaltung und Umsetzung festgelegt und ist für die Bundesländer verbindlich.“ ( http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/44502/ ).
Bayern hüllt sich bezüglich FFH-Monitoring im Internet in Schweigen. Aber der bayerische Ökologenverband BVÖB weiß, dass in seinem Bundesland die LRT im Wald nicht genau auskartiert und pro Natura-2000-Gebiet gemittelt bewertet werden. Kleine Wäldchen bis 1 ha dürfen Ökologen bei der Biotopkartierung im Offenland als LRT erfassen, aber nicht bewerten. Im Waldland kartiert der Forst mit eigenen Teams und macht im Rahmen von Managementplänen eine systematische Ersterfassung, denn: „Das Monitoring nach Artikel 11 FFH-RL wurde in Deutschland bekanntlich in Bezug auf die Stichprobenzahl schlank angelegt (63 Stichproben pro Schutzobjekt pro biogeographischer Region) und liefert somit in aller Regel keinerlei verwertbare Information auf Ebene des einzelnen Gebietes.“ (Müller-Kroehling 2011: 190).
Hessen-Forst bezeichnet als Bausteine für das hessische Monitoring-Konzept: 1.+2. FFH-Bundesstichprobenmonitoring LRT und Arten, 2.+3. hessenweite FFH-Erfassung LRT und Arten. ( http://www.na-hessen.de/downloads/10n8monitoringeinstieg.pdf ). Ansonsten findet man von staatlicher Seite nichts Genaues im Web. Aber die Vereinigung Hessischer Ökologen (VHÖ) fordert in einem Positionspapier eine Verdichtung des Stichprobennetzes und ein qualifiziertes Gebietsmonitoring mit Daueruntersuchungsflächen (Hepting 2010).
Rheinland-Pfalz macht falsche Angaben zum Stichproben-Monitoring nach BfN (2010): „deutschlandweit 63 Stichprobenflächen“ ( http://www.naturschutz.rlp.de/index.php?id=3&pid1=6&pid2=90 ).
Sachsen stellt die Situation wie folgt dar: 1. Grobmonitoring und 2. Feinmonitoring der Lebensraumtypen, 3. Präsenz- und 4. Feinmonitoring der Arten. „Das Grobmonitoring der Offenland-LRT wird vom LfULG betreut, während die Wald-LRT im Rahmen der Waldbiotopkartierung im Auftrag vom Staatsbetrieb Sachsenforst erhoben werden.“ ( http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/20433.htm#artic le20832 ).
Weil es nur wenige Forschungsarbeiten gibt, die auf Monitoring fußende Managementpläne im Wald kritisch durchleuchten und eine „Vielfalt an länderspezifischen Bewertungsvorgaben“ konstatieren (Winter & Seif 2011: 102), sollten Nichtregierungsverbände Forschungsmittel für eine externe Evaluation des Monitorings im Wald beantragen. Der Leitfaden von BUND und NABU (Sperle 2007) war ehrgeizig, aber wo bleibt die Erfolgskontrolle?
Fazit: Bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie der EU im Wald – speziell beim Monitoring – führt in Deutschland der Forst Regie. Das Monitoring für fast alle Wald-LRT leitet das Bundesforstministerium BMELV mit seiner Bundeswaldinventur. Förster überprüfen den Forst auf winzigen Stichprobenflächen. Den Totalzensus innerhalb und außerhalb der Wald-Natura-2000-Gebiete regeln die Bundesländer unterschiedlich genau meist unter Federführung ihrer Forstbehörden.
Das Bundesamt für Naturschutz wird sich 2013 in seinem nationalen Bericht an die EU bezüglich der Situation im Wald also vor allem auf die Einschätzung des Bundesforstministeriums und der Länderforstbehörden verlassen. Die ABC-Bewertung der LANA ist nicht mit der Ampelbewertung der EU kompatibel. Die geplante Umrechnung am Schluss wird zu Fehlern führen. Ob der Bericht an die EU von 2013 auf nachprüfbaren Fakten beruhen wird, darf bezweifelt werden.
Es gibt keine klare Transparenz über Zuständigkeiten und Daten zum FFH-Monitoring für die interessierte Öffentlichkeit. Informationen werden im Internet von den meisten Behörden nur lückenhaft und verwirrend dargeboten.
Obwohl nach dem neuen deutschen Naturschutzgesetz von 2010 und der letzten Föderalismusreform der Bund mehr als eine Rahmenkompetenz hat, kann oder will er in Sachen EU-Berichtspflicht keine Führungsrolle übernehmen. Er wird die Berichte der Bundesländer und des BMELV lediglich zusammenfassen. Im Journalismus gibt es für solche ungeprüften Berichte die Bezeichnung „Verlautbarungsjournalismus“. Es fragt sich, ob der Bericht Deutschlands zur Lage der Natur an die EU eine „Verlautbarungs-Reportage“ wird.
Beim FFH-Monitoring im Wald beschränkt sich der staatliche Naturschutz auf die Rolle des Beraters. Während im Offenland nicht die Landwirtschaftsbehörden, sondern die Naturschutzbehörden das FFH-Monitoring leiten, steht es im Wald unter Kuratel der Forstbehörden. Dies ist aus Sicht der Verfasserin eine Schlappe für den Naturschutz.
Literatur
Behrens, M., Neukirchen, M., Sachteleben, J., Weddeling, K., Zimmermann, M. (2009): Konzept zum bundesweiten FFH-Monitoring in Deutschland. BBN-Jb. Natursch. Landschaftspfl. 57, 144-152.
BfN (Bundesamt für Naturschutz, Hrsg., 2010): Konzept zum Monitoring des Erhaltungszustands von Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bearbeiter: Sachteleben, J., Behrens, M., BfN-Skript 278. http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript_278.pdf .
BMELV (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2011): Aufnahmeanweisung für die dritte Bundeswaldinventur (BWI) (2011-2012). http://www.bundeswaldinventur.de/media/archive/690.pdf .
Burkhardt, R., Robisch, F., Schröder, E., unter Mitarbeit der Mitglieder der LANA-FCK-Kontaktgruppe und des Bund-Länder AK „FFH-Berichtspflichten Wald“ (2004): Umsetzung der FFH-Richtlinie im Wald. Gemeinsame bundesweite Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) und der Forstchefkonferenz (FCK). Natur und Landschaft 79 (7), 316-323.
EU-FFH-Richtlinie, insbesondere Artikel 11 zur Überwachung des Erhaltungszustands der FFH-LRT + Arten; Artikel 17: Berichtspflichten zu Erhaltungsmaßnahmen + Auswirkungen.
EK (Europäische Kommission, 2003): Natura 2000 und der Wald. Herausforderungen und Chancen. Auslegungsleitfaden. http://ec.europa.eu/environment/nature/info/pubs/docs/nat2000/n2kforest_de.pdf.
Froehlich-Schmitt, B. (2010): Ist EU-Monitoring vergleichbar? Eine Zwischenfrage. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (4), 250-251.
Hepting, C., Neckermann, C., Schmidt, P., Wedra, C. (2010): FFH-Monitoring in Hessen – Vorschläge zu einem Qualitätsmanagement von Natura 2000. Positionspapier, erstellt vom Facharbeitskreis Monitoring der VHÖ. http://www.bbn-online.de/fileadmin/Bilder/UEber_uns/Monitoringpapie_HVNL__VHOEr_101210.pdf .
Müller-Kroehling, S. (2011): FFH-Managementpläne im Wald. Schlüssigkeit der Landesverfahren wichtiger als bundesweite Einheitlichkeit. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (6), 190-191.
Sperle, T. (2007): Leitfaden des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) und des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) zum Monitoring gemäß Artikel 11 FFH-Richtlinie. 75 S. http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/naturschutz/20070711_naturschutz_leitfaden_monitoring_ffh_gebiete_langfassung.pdf .
Winter, S., Seif, J. (2011): Bewertungskriterien zum Erhaltungszustand von Natura-2000-Buchenwald-Lebensraumtypen. Vergleich verschiedener Bundesländer und Umsetzung in Managementplänen. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (4), 101-110.
Anschrift der Verfasserin: Barbara Froehlich-Schmitt, Auf der Heide 27, D-66386 St. Ingbert, E-Mail info@natur-text.de , Internet http://www.natur-text.de .
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