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Recht und Gesetz

Artenschutz und Landnutzung

Für den Schutz des Feldhamsters als Anhang-IV-Art nach FFH-Richtlinie ist ein Maßnahmenprogramm zu erstellen und aktiv umzusetzen. Das hat der Europäische Gerichtshof unmissverständlich klar gestellt – ein Urteil, das auch Relevanz besitzt für andere aufgrund des EU-Rechts besonders zu schützende Arten.

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Europäischer Gerichtshof urteilt zum Schutz des Feldhamsters in Frankreich

Von Jürgen Trautner

Der Europäische Gerichtshof (Vierte Kammer) hat entschieden: „Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art.12 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung verstoßen, dass sie kein Programm von Maßnahmen aufgestellt hat, die einen strengen Schutz der Art Feldhamster (Cricetus cricetus) erlauben.“ (EuGH, Urt. v. 9.6.2011 - C 383/09). Damit hat der EuGH der Klage der Kommission weitgehend stattgegeben.

Mit den Rdnrn. 18-21 unterstreicht der EuGH, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung eines strengen Schutzsystems für die in Anhang IV Buchst. a der FFH-RL genannten Tierarten nicht nur auf die Schaffung eines „vollständigen gesetzlichen Rahmens“ hierfür abzielt, sondern auch

„die Durchführung konkreter besonderer Schutzmaßnahmen“ beinhaltet, sowie

„den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen“ voraussetzt.

(Verweise auf EuGH, Urt. v. 16.3.2006, Kommission/Griechenland, C518/04, Rdnr. 16; EuGH, Urt. v. 11.1. 2007, Kommission/Irland, C 183/05, Rdnrn. 29-30)

Insgesamt muss laut Rdnr. 21 „ein solches strenges Schutzsystem […] also im Stande sein, tatsächlich die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der [betreffenden] Tierarten zu verhindern“ (hier Verweis auf Urteil vom 30.01.2002, Kommission/Grie­chenland, C 103/00, Rdnr. 39).

Die Entscheidung ist deshalb von großer Bedeutung, weil damit die Verpflichtung zu aktiven Maßnahmen gefestigt und insbesondere auch deren Notwendigkeit im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung, so diese einen Einfluss auf die betreffende geschützte Art hat, eindeutig klar gestellt wird. Dies ist auch auf die forstwirtschaftliche Bodennutzung zu übertragen.

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, die durch eine Beschwerde auf die Sachlage aufmerksam gemacht worden war, u.a. vorgebracht, dass der Feldhamster in seiner einzigen Vorkommensregion in Frankreich, dem Elsass, vom Aussterben bedroht und nach den vorliegenden Daten in den Jahren 2001 bis 2007 einem starken Rückgang unterlegen sei. Ursachen hierfür seien der Städtebau und die Entwicklung der landwirtschaftlichen Praxis. Frankreich hat im Rahmen des Verfahrens u.a. eingeräumt, „dass der verstärkte Anbau von Mais auf Kosten der Anbauvielfalt für den Feldhamster, der vom Wechselgrünland, insbesondere der Luzerne abhänge, verhängnisvoll gewesen [sei] und eine[n] der wesentlichen Gründe für den Populationsrückgang dieser Art“ darstelle (Rdnr. 26).

Zwar hatte Frankreich bereits Aktionszonen ausgewiesen und dort bestimmte Maßnahmen getroffen. Die Kommission hat aber begründet dargelegt, dass diese Maßnahmen unzulänglich waren. Sie hätten die Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Feldhamsters nicht verhindert. Als Grund wurde von der Kommission nicht nur die räumliche Begrenztheit der Maßnahmen, sondern auch deren inhaltliche Unzulänglichkeit gesehen. Dem folgte der EuGH im Wesentlichen. Lediglich bezüglich des Ni­trateinsatzes in der Landwirtschaft mochten die Richter dem Vorbringen der Kommission nicht statt zu geben. Hier stellten sie fest, dass ein Zusammenhang mit der Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten des Feldhamsters „rechtlich jedenfalls nicht hinreichend dargetan“ worden sei (Rdnr. 38).

Der Feldhamster ist keinesfalls ein Einzelfall und schon gar nicht auf Frankreich beschränkt. Die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung zählt zu den Hauptursachen des Artenrückgangs in Deutschland (vgl. Bundesamt für Naturschutz, Hrsg., 2005: Ana­lyse der Gefährdungsursa-chen planungsrelevanter Tiergruppen in Deutschland) und des ungünstigen Erhaltungszustands vieler geschützter Arten.

Unstreitig ist sicherlich, dass notwendige landwirtschaftliche Maßnahmen, wenn diese zugleich dem Erhalt der Lebensräume geschützter Arten dienen, auch dann mit artenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar sind, wenn sie z.B. Individuenverluste oder vorübergehende Einschränkungen der Habitatnutzung zur Folge haben (ohne dass sich dies dauerhaft negativ auf Bestände oder Lebensraumangebot für die geschützten Arten auswirkt). Wenn Landwirte jedoch durch Entwässerungsmaßnahmen Laichgewässer der Wechselkröte (Bufo viridis), einer der zahlreichen FFH-Anhang-IV-Arten in ungünstigem Erhaltungszustand, auf ihren Flächen vernichten und so das entsprechende, bereits im Minimum befindliche Angebot an Fortpflanzungs- und Ruhestätten weiter reduzieren, so kann dies weder durch die europarechtlichen Rahmenbedingungen des Artenschutzes noch durch die nationale Regelung des §44 Abs. 4 BNatSchG gedeckt sein. Gleiches gilt für die Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten z.B. der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge (Maculinea nausithous, M. teleius) durch Grünlandumbruch oder intensivierung.

Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, solchen Hand­lungen und Entwicklungen wirksam entgegen zu treten. Es ist offensichtlich, dass dieses für viele geschützte Arten nicht (mehr) gewährleistet ist, dass sich „der Erhaltungszustand der lokalen Populationen [...] durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert“, auch nicht durch bisherige „anderweitige Schutzmaßnahmen“, und somit die Verpflichtung der nach Landesrecht zuständigen Behörde zum Erlass der „erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben“ (so die Formulierungen im §44 Abs.4 BNatSchG) Relevanz erlangt. Dass Letzteres nicht nur eine theoretische Option für „irgendwann“ darstellt, sondern in entsprechenden Fällen bereits jetzt zum Einsatz kommen müsste, liegt auf der Hand, zumindest als vorübergehende Maßnahme, bis ggf. umfangreichere oder inhaltlich spezifischer auf die betroffenen Arten ausgerichtete Programme/Maßnahmen ausreichende Wirkung zeigen.

Abschließend bleibt zu erwähnen, dass Frankreich im Rahmen des Verfahrens auch eingeräumt hat, „dass die Entwicklung des Städtebaus und der damit verbundenen Infrastrukturen, durch die die Agrar­flächen verschwänden oder zersplittert würden, ein anderer entscheidender Grund für den Populationsrückgang des Feldhamsters sei“ (Rdnr. 32). Die Kommission und in Folge der EuGH stufen die hierzu erlassenen Maßnahmen ebenfalls als ungenügend ein. Von Regelungen sei nur ein geringer Teil der relevanten Flächen erfasst, die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung seien nicht genau festgelegt und im Fall einer solchen würde keine Ausgleichsmaßnahme verlangt. Zudem wären Städtebauvorhaben, die eine Fläche von weniger als 1ha beanspruchen, zum für die Entscheidung relevanten Stichtag keiner Formalität unterlegen, „durch die hätte überprüft werden können, dass diese Vorhaben auf die Erhaltung der in Rede stehenden Art keine Auswirkung haben“ (Rdnr. 35).

Anschrift des Verfassers: Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, Johann-Strauß-Straße 22, D-70794 Filderstadt, E-Mail info@tieroekologie.de, Internet http://www.tieroekologie.de .

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