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Diskussion

FFH-Managementpläne im Wald

Ein Vergleich der unterschiedlichen Länder-Vorgehensweisen bei der Bewertung von FFH-Schutzobjekten ist in einem Föderalstaat legitim und sinnvoll. Der Beitrag von Winter & Seif in Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (4), 101-110, leistet dazu einen interessanten und kritischen Beitrag. Obwohl speziell Bayern in dem Beitrag mehr Lob als Schelte erntet, bedürften mehrere Aspekte in dem Artikel der Erläuterung oder Ergänzung.

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Schlüssigkeit der Landesverfahren wichtiger als bundesweite Einheitlichkeit

Von Stefan Müller-Kroehling

Aktualität

Alle drei der aus Bayern bewerteten Managementpläne sind entweder Sonderfälle (Nationalpark Bayerischer Wald) oder älter als die aktuellen Arbeitsgrundlagen und Bewertungsvorgaben. Das Auswahlkriterium, Pläne zu verwenden, die z.B. über das Internet leicht verfügbar waren, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Auch ohne eine Einflussnahme durch die erstellenden Behörden zu fürchten, wäre es mit vertretbarem Aufwand leistbar gewesen, einen aktuelleren Querschnitt über die Managementpläne zu erhalten. Einer der bewerteten Pläne ist der 2001 vorgelegte, deutschlandweit erste Management-Testplan aus dem Hienheimer Wald. Auch wenn dies als Erläuterung angemerkt ist, stehen und fallen doch viele der getroffenen Bewertungen mit eben dieser Auswahl.

Bayern hat 2006 eine FFH-Inventuranweisung und 2008 ein automatisiertes Bewertungsverfahren vorgelegt, unter anderem mit einer neu aufgelegten Matrix der LRT-typischen Baumarten (LRT = Lebensraumtypen), die unsere Arbeitsanweisung von 2004 in wichtigen Punkten ergänzt. Unsere Kartierteams und Inventurtrupps werden mehrtägig in der Anwendung der Bewertungsverfahren unterwiesen. Wenn man es unternehmen möchte, eine so komplexe Bewertung durchzuführen, wie die FFH-Bewertungen dies tun, ist es ratsam, sich mit dem Verfahren aus direkter Quelle vertraut zu machen. Das empfohlene Vorgehen unter Einbindung der zuständigen Behörden schließt eine unabhängige und kritische Auseinandersetzung mit dem Verfahren im Anschluss an die Unterweisung ja keineswegs aus.

Transparenz und Reproduzierbarkeit der Bewertungen

Die Autorinnen fordern zu Recht, dass Bewertungen transparent sein sollen, werden diesem Anspruch selbst aber mit der stark subjektiv anmutenden Einstufung in Form ihrer „Qualitätsbeurteilung“ der bewerteten Managementpläne, mit einer sehr groben ordinalen Bewertungsskala, nicht wirklich gerecht.

Ebenfalls berechtigt ist die Forderung von Winter & Seif, dass Bearbeiter-Effekte minimiert werden und alle Erhebungen reproduzierbar sein sollten. An dieser Stelle hätte sich eine stärkere Diskussion zum Thema der Reproduzierbarkeit der Erhebungen durchaus angeboten, die mit den sehr unterschiedlichen Erhebungsmethoden (Begang: kleine Bewertungsflächen, Schätzen statt Messen, große Eingangsschwellen für Totholz; Inventur: große Bewertungsflächen, Messung der Werte, geringere Eingangsschwellen für Totholz) einhergeht. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile bzw. Stärken und Schwächen. Wir wenden „qualifizierte Begänge“ mit einer Schätzung der Merkmale nur dort an, wo wegen zu kleiner LRT-Flächen eine Stichprobeninventur nicht möglichst ist, gerade weil Schätzungen einer größeren Subjektivität unterliegen. Vor allem aber auch in der Umsetzung ziehen sehr große und sehr kleine Bewertungseinheiten erfahrungsgemäß eine unterschiedliche Handhabung nach sich.

Schlüssigkeit der Verfahren

Jedes Bundesland hat andere Ansätze in Bezug auf sein Naturschutzrecht, hat andere Waldbiotop-Kartierungen, Waldnaturschutzprogramme, Zuständigkeiten. Ein möglichst einheitliches Vorgehen bei der FFH-Bewertung, über alle Länder hinweg, wie die Autoren es fordern, ist daher nicht zwingend die beste Lösung. Am wichtigsten erscheint mir vielmehr, dass die Länder-Verfahren, vom Erhebungsmerkmal bis zum Förderprogramm, in sich schlüssig sind und zum Erfolg kommen. Erhebungsverfahren, Planungsverfahren, Bewertungsmerkmale und schwellen sowie Förderprogramme hängen im günstigen Fall zusammen und müssen in Bezug darauf betrachtet werden, „was hinten rauskommt“.

Der in dem Beitrag angestellte Vergleich unterschiedlich definierter und erhobener Werte wie z.B. von Totholzschwellen (Tab. 5) ist problematisch. Wegen unterschiedlicher Eingangsschwellen und Definitionen (z.B. Kronen-, Stock- und Schwachtotholz-Aufnahme bzw. Zuschläge) können 20fm/ha nach dem einen Verfahren 10 fm nach einem anderen entsprechen (Müller-Kroehling 2009), so dass man Gefahr läuft, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ich werde in diesem Zusammenhang bedauerlicher Weise falsch zitiert (Müller-Kroehling 2009), wenn es um die Diskussion von Totholzschwellen geht. Es ist mein Credo, gerade entgegen der im Beitrag vertretenen Auffassung, dass es „richtige“ Totholz-Schwellenwerte nicht gibt, sondern Totholz-Werte immer auch Konventionen darstellen. Auch mit Schwellenwertstatistik ermittelte Mindestvorräte für ein möglichst vollständiges Vorkommen wertgebender Arten müssen nämlich nicht notwendiger Weise auf ganzer Fläche gelten, sondern können als Zielwerte für „Kern-“ oder „Spenderflächen“ verstanden werden. Mit einer Grundausstattung an Totholz auf der gesamten LRT-Fläche und eingestreuten „Spenderflächen“ kann das Totholzangebot räumlich differenziert werden. 6fm im Durchschnitt aller Waldentwicklungsphasen und 30fm in den Spenderflächen sind dann kein Widerspruch.

Managementpläne und Monitoring

Die Managementpläne leisten derzeit in vielen Bundesländern wie in Bayern gleichzeitig auch die systematische Ersterfassung der relevanten Schutzobjekte in den Gebieten. Der Zusammenhang, den der Artikel in der Diskussion zwischen dem FFH-Monitoring und seinen vermeintlichen Auswirkungen auf eine nach Ansicht der Verfasserinnen verringerte Notwendigkeit für Erhebungen im Rahmen der Managementpläne sieht, ist zu hinterfragen. Das Monitoring nach Artikel 11 FFH-RL wurde in Deutschland bekanntlich in Bezug auf die Stichprobenzahl schlank angelegt (63 Stichproben pro Schutzobjekt pro biogeographischer Region) und liefert somit in aller Regel keinerlei verwertbare Information auf Ebene des einzelnen Gebietes.

Wohl aber könnte es genutzt werden, um allgemeine Trends und generelle Schwerpunkte der Umsetzung zu identifizieren und festzulegen, eine stärkere Schwerpunktsetzung, die die EU-Kommission durchaus auch selbst wünscht, wie sie unlängst schriftlich erklärte. Aktuell und wohl auch auf absehbare Zeit besteht ein methodischer Zusammenhang zwischen Monitoring und Datenerhebungen für die Managementplanung aber faktisch nicht.

Der Beitrag von Winter & Seif ist ein Diskussionsbeitrag zu einem wichtigen Thema, greift aber an manchen Stellen zu kurz. Er hätte von einer Auswahl aktuellerer Managementpläne und auch einem besseren Verständnis mancher Details der angewandten Länder-Verfahren wie auch der Unterschiede von Managementplanung und Monitoring profitiert. Dies wären auch Anregungen an zukünftige Bearbeiter dieses Themen­feldes.

Literatur

Müller-Kroehling, S. (2009): Bewertung von FFH-Lebensraumtypen. LWF aktuell 69, 12-14.

Winter, S., Seif, J. (2011): Bewertungskriterien zum Erhaltungszustand von Natura-2000-Buchenwald-Lebensraumtypen – Vergleich verschiedener Bundesländer und Umsetzung in Managementplänen. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (4), 101-110.

Anschrift des Verfassers: Stefan Müller-Kroehling, Abteilung 6 – Biodiversität, Naturschutz, Jagd, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forst­wirtschaft (LWF), Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1, 85354 Freising, E-Mail Stefan.Mueller-Kroehling@lwf.bayern.de.

Der Autor ist als Koordinator Natura 2000 der LWF u.a. federführend zuständig für die Arbeitsgrundlagen der Erhebungen im Wald und Mitglied im Bund-Länder-Arbeitskreis „Natura 2000 und Wald“. In 2009/2010 war er für vier Monate an die EU-Kommission, Generaldirektion Umwelt, Abteilung „Natura 2000“, abgeordnet.

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