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Das Problem des Asiatischen Marienkäfers

Wer haftet für Folgeschäden von Neozoen?

Abstracts

Der Asiatische Marienkäfer, Harmonia axyridis (Pallas, 1773) (Coleoptera: Coccinellidae), stellt in Europa und Nordamerika eine gebietsfremde invasive Art dar. Ursprünglich für die biologische Schädlingsbekämpfung in Gewächshäusern ein­geführt, breitet sie sich rapide aus und gilt nunmehr als Schädling. Neben negativen Auswirkungen auf die nativen Lebensgemeinschaften verursacht die Art in den USA finanziell hohe Schäden im Weinbau. Auch wenn solche in Europa bislang nicht aufgetreten sind, stellt der Käfer hier eine potenzielle Bedrohung dar.

In diesem Beitrag wird neben Erkenntnissen über das Verbreitungs- und Schadpotenzial von Harmonia axyridis die ­Problematik der Haftung für mögliche Schäden in Deutschland beleuchtet. Dabei stellt sich vor allem auch die Frage, inwie-weit Privatpersonen – Vertreiber und Verwender des Käfers – sowie die öffentliche Hand zur Haftung herangezogen werden können.

Who is liable for Secondary Damages of Neozoic Species? The problem of the Asian Ladybird

The Asian Ladybird (Harmonia axyridis – Pallas, 1773) (Coleo­ptera: Coccinellidae) is an invasive species in Europe and North-America. Originally introduced for biological pest control in greenhouses it is currently rapidly spreading and has meanwhile become a pest itself. Besides its negative impacts on native biodiversity it also causes serious financial damage in viticulture in the USA. Although damages have not been reported from Europe so far the Asian ladybeetle here also poses a potential threat.

The paper presents findings about the possible distribution and impact of H. axyridis and it discusses the question of the liability for potential damages in Germany. The analysis included the question how far private individuals – distributors or users of the beetle – and public authorities can be made responsible from a judicial point of view.

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1 Einsatz des Asiatischen ­Marienkäfers in der biologischen Schädlingsbekämpfung

Invasive Arten können ernste Probleme in natürlichen Ökosystemen, in der Land- und Forstwirtschaft sowie für die Bevölkerung darstellen. Die resultierenden Schäden belaufen sich nach Schätzungen der Europäischen Kommission auf jährlich 12 Mrd. Euro (KOM(2008)789 endgültig). Das Einbringen gebietsfremder Arten für die biologische Schädlingsbekämpfung ist daher kritisch zu sehen, da sie invasiv werden, sich dauerhaft etablieren und heimische Arten verdrängen können.

Ein aktuelles Beispiel ist der Asiatische Marienkäfer (Abb. 1), Harmonia axyridis (Pallas, 1773) (Coleoptera: Coccinellidae). Nach guten Erfahrungen mit H. axyridis in Gewächshäusern in den USA seit 1916 wurde die Art 1982 nach Frankreich eingeführt und für die Bekämpfung von Blattläusen in geschlossenen Anlagen verbreitet (Koch 2003). Obwohl in Nordamerika infolge von Freilandausbringungen im Jahre 1988 die ersten sich in der Natur fortpflanzenden Exemplare auftraten (van Lenteren 2008), ging man in Europa vereinzelt dazu über, den Käfer als Nützling im Freiland auszubringen (Poutsma et al. 2008). Seither breitet sich die Art in Europa aus, insbesondere seit 2002, und kommt mittlerweile in 13 europäischen Ländern vor, wo er nun teilweise als Lästling oder Schädling gilt (Brown et al. 2008) (Abb. 2).

2 Verbreitungspotenzial in Europa

GIS-basierte Verbreitungsmodelle von Arten sind nützliche Werkzeuge zur Ableitung von Handlungsoptionen und Managementstrategien in Bezug auf Ausbreitungspotenziale gebietsfremder Arten. Derartige Modelle basieren auf ökologischer Information an bekannten Fundpunkten, woraus eine „idealisierte“ Nische berechnet wird, die anschließend auf einen größeren geographischen Raum projiziert wird.

Ein Modell zum Ausbreitungspotenzial von H. axyridis in Europa erstellten die Autoren mit Maxent (Phillips et al. 2006), basierend auf 171 Fundpunkten und 19 Klimaparametern. Es ist davon auszugehen, dass die Art unter anderem über weite Teile Westeuropas günstige Bedingungen findet und sich noch weiter ausbreitet (Abb. 3).

3 Schadpotenzial

Das Schadpotenzial des Asiatischen Marienkäfers betrifft sowohl natürliche Ökosysteme als auch die Landwirtschaft, ­speziell den Weinbau. Ein nachhaltiger Schaden durch die Konkurrenzstärke von H. axyridis an der nativen Fauna ist lokal nachgewiesen (Koch 2003). Dementsprechend besteht für Europa insgesamt ein hohes Risiko bezüglich der Auswirkungen der Art auf die Umwelt, was den Rückgang sowohl von Nahrungskonkurrenten als auch von Beute-Arten des Asiatischen ­Marienkäfers betrifft (van Lenteren et al. 2008).

Während die Art keinen direkten Schaden an angebauten Weinpflanzen und -beeren hervorruft, sind im Zuge der Weinherstellung dennoch ökonomische Auswirkungen zu erwarten. Der Käfer tritt im Herbst in Massen in Weinbergen auf und ernährt sich von vorgeschädigten Trauben. Ein mit H. axyridis durch unbeabsichtigte Miternte und -kelterung verunreinigter Wein verändert sich in Geschmack und Geruch, wobei der relative, geschmacklich-olfaktorische Schwellenwert bei vier bis acht Käfern auf 100 Weintrauben liegt. Verantwortlich hierfür ist eine Substanz in der Hämolymphe, die bei H. axyridis im Vergleich zu europäischen Arten um das hundertfache konzentrierter auftritt (Hoffmann et al. 2007). Der wirtschaftliche Schaden durch den unverkäuflich gewordenen Wein beläuft sich nach Sears (2004) in den USA auf mehrere Millionen Dollar. In Europa sind bisher kaum Schäden aufgetreten.

4 Eine flugunfähige Variante – die Lösung?

Als Reaktion auf die kritische Betrachtung von H. axyridis im biologischen Pflanzenbau hat der französische Hauptvertreiber „Biotop“ (http:// http://www.biotop.fr , aufgerufen am 01.12.2009) im Jahr 2000 seinen Verkauf eingestellt. Inzwischen brachte er jedoch die flugunfähige Variante Coccibelle® auf den Markt. Diese soll ein deutlich geringeres Schadpotenzial als die Wildform aufweisen, da die Erreichbarkeit von Überwinterungsquartieren sowie von Nahrungsquellen, außer unmittelbar vor Ort vorhandenen, fast nicht möglich sei und somit die Variante in der Natur nicht dauerhaft bestehen könne. Coccibelle ist nach „Biotop“ kein gentechnisch veränderter Organismus (für den die RL 2001/ 18/EG Ausbringungsrestriktionen vorsieht), sondern eine selektive, homozygote Züchtung von Mutanten (Tourniaire et al. 2000). Eine Rückmutation mit bereits etablierten flugfähigen H. axyridis ist jedoch nicht auszuschließen. Passive Verbreitung kann zudem eine vorhandene lokale Begrenztheit der flugunfähigen Variante aufbrechen.

Das Schadpotenzial bezüglich der Konkurrenz mit nativen Arten bzw. des Rückgangs von Beute-Arten und der Konzentration der Hämolymphensubstanz bleiben bei Coccibelle erhalten. Außerdem werden von H. axyridis südexponierte Mauern ebenso als Überwinterungsquartiere benutzt wie Häuser (Koch 2003), so dass das Überleben von Coccibelle im Winter nicht ausgeschlossen werden kann. Insofern kann von einer deutlichen Minderung des Ausbreitungs- und Schadpotenzials von Coccibelle ohne vorherige detaillierte ökologische Untersuchung nicht gesprochen werden.

5 Haftung für Schäden durch den Asiatischen Marienkäfer und Coccibelle

5.1 Vorbemerkungen

Bei Schäden durch invasive Arten stellt sich die Frage, wer haftbar gemacht werden kann. Eine gebietsfremde Art wird nach §7 Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG als Tier- und Pflanzenart definiert, die in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt. Invasiv ist eine Art, deren ­Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt, §7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG. Im Gegensatz zu verschiedenen OECD-Staaten besitzt die EU kein umfassendes Rechtsinstrument im Umgang mit invasiven Arten. Auch Mechanismen zur Harmonisierung oder Anpassung von Vorgehensweisen zwischen Nachbarländern oder innerhalb von Subregionen existieren nicht (KOM(2008) 789 endgültig). Obwohl einige Staaten, wie etwa die Schweiz im Jahr 1997 (Brown et al. 2008), die Ausbringung von H. axyridis verboten haben, breitet sich die Art über politische Grenzen hinweg weiter aus. So kommt sie mittlerweile auch in Österreich und Luxemburg flächendeckend vor, obwohl sie dort nie ausgesetzt wurde (Abb. 2). Eine Ausbreitung über weitere Teile Europas ist zu erwarten (Abb. 3).

5.2 Genehmigungspflicht, Amtshaftung und Gefahrenabwehr

Marienkäfer werden zum Zweck der biologischen Schädlingsbekämpfung ausgebracht, gelten aber nicht als Pflanzenschutzmittel i.S.d. Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG). Eine pflanzenschutzrechtliche Genehmigungspflicht für die Ausbringung von Arthrophoden besteht nicht. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist zwar ermächtigt, durch Rechtsverordnung Einfuhr, Inverkehrbringen und ­Verwendung von Tieren unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen (§3 Abs. 1 Nr. 17 PflSchG), machte davon aber bislang keinen Gebrauch.

Ein Genehmigungserfordernis sieht dagegen §40 Abs. 4 des BNatSchG für die Ausbringung von Tieren und gebietsfremden Pflanzen in der freien Natur vor. Die Genehmigung ist zu versagen, sofern eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist. Entsprechend der systematischen Stellung im Gesetz dient das Genehmigungserfordernis allein dem Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten.

Der Prüfungsumfang der Behörde umfasst daher nicht die Frage, ob Schäden an kultivierten Weinbergen zu erwarten sind. In Deutschland darf eine naturschutzrechtliche Genehmigung weder für die Ausbringung von H. axyridis noch für Coccibelle erteilt werden, da beide wegen ihres Schadpotenzials das bestehende Ökosystem gefährden können. Die Genehmigungsbehörde könnte indes selbst dann nicht haftbar gemacht werden, wenn sie zu Unrecht eine Ausbringungsgenehmigung erteilen würde und es dadurch zu Schäden käme. Der einschlägige Amtshaftungsanspruch (§839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) setzt voraus, dass ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Die unrechtmäßige Genehmigungserteilung stellt zwar eine Amtspflichtverletzung dar. Sofern Schäden an einheimischen Arten auftreten, fehlt es aber am Drittbezug, da Regelungen zum Schutz der Natur nur den Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind. Bei Schäden an Kulturpflanzen liegt in der Genehmigungserteilung schon keine Amtspflichtverletzung, da sich die naturschutzbehördliche Prüfungspflicht nicht auf diese Pflanzen erstreckt.

Zur Abwehr einer Gefährdung für wild lebende Tier- und Pflanzenarten kann nach §40 Abs. 6 BNatSchG die Beseitigung von ungenehmigt ausgebrachten oder in die freie Natur entkommenen Tieren angeordnet werden. Trotz fehlender Prüfungspflicht hinsichtlich einer Gefährdung von Kulturpflanzen kann die Behörde nach den Regeln der Gefahrenabwehr Maßnahmen ergreifen, wenn sie Kenntnisse darüber erlangt, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Das Eigentum der Winzer am Wein stellt ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit dar. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn im Einzelfall ein Zustand besteht, der bei ungestörtem Fortgang des Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Schädigung des Schutzgutes führt (Schenke 2009). Fraglich ist, ob H. axyridis und Coccibelle eine Gefahr im juristischen Sinn darstellen.

Gegen einen Schadenseintritt in absehbarer Zeit spricht, dass H. axyridis sich bereits seit Jahren in Europa verbreitet, bislang aber noch keine Schäden im Weinbau anrichtete. Unsicher ist daher, wann und ob überhaupt Schäden auftreten. Für die Schadenswahrscheinlichkeit spricht aber, dass in Nordamerika unter ähnlichen klimatischen Bedingungen Schäden an Wein verursacht wurden. In Deutschland sind die Tiere bereits häufig in Weinbergen zu finden. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es auch hier zu Schäden kommt. Dies gilt wegen des hohen Schadpotenzials für H. axyridis und für Coccibelle. Daher ist die Behörde berechtigt, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, wenn größere Käferpopulationen in den Weinbergen oder deren Nähe auftreten. Eine Pflicht zum behördlichen Handeln besteht allerdings nicht. Das Entschließungsermessen der Behörde, also ihre Entscheidung darüber, ob sie tätig wird, ist nicht auf Null reduziert. Zu einem Anspruch auf Einschreiten verdichtet sich dieses Ermessen lediglich in Fällen, in denen nur eine einzige rechtmäßige Behördenentscheidung denkbar ist (BayVGH, 23.06.2008, Az. 11 CE 08.745). Aufgrund der dargestellten Unsicherheiten hinsichtlich Eintritt und Ausmaß von Schäden sind hier jedoch mehrere rechtmäßige Behördenentscheidungen denkbar. Der Bürger (Winzer) hat lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, nicht aber auf behördliches Einschreiten. Schreitet die Behörde nicht ein, so können daraus zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Schadensersatzansprüche des Geschädigten erwachsen.

5.3 Privatrechtliche Haftung

Das private Umweltrecht besteht grundsätzlich aus deliktischen Schadensersatzansprüchen, verschuldensunabhängigen Aufopferungsansprüchen und Ansprüchen aus Gefährdungshaftung sowie Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen. Als geeigneter Adressat dieser Ansprüche kommt neben den Verwendern, die H. axyridis zur biologischen Schädlingsbekämpfung einsetzen, auch der Vertreiber beziehungsweise „Züchter“ in Betracht.

Untersucht man die zivilrechtlichen Möglichkeiten der durch H. axyridis beeinträchtigten Rechtsträger gegenüber dem Verwender der Art, so gilt es zu unterscheiden, ob der Käfer bereits ausgesetzt wurde und eine sich erhaltende Population bilden konnte (Fall von H. axyridis) oder ob eine Aussetzung erst zukünftig geplant ist (Fall von Coccibelle). In letzterem Fall kann bei drohender Beeinträchtigung eines von §1004 BGB geschützten Rechtsguts auf Unterlassung der Beeinträchtigung geklagt werden, soweit keine Duldungspflicht besteht. Wie dargestellt, weisen sowohl H. axyridis wie auch Coccibelle ein hohes bzw. potenziell hohes Ausbreitungs- und eigentumsrelevantes Schadpotenzial auf. Auch sind die benannten Gefahren nicht gemäß §906 Abs. 1, 2 BGB durch den potenziell Beeinträchtigten zu dulden. Aufgrund des hohen Ausbreitungs- und Schadpotenzials sowie der Einordnung des asiatischen Marienkäfers als gebietsfremde Art können die Gefahren weder als unwesentlich noch als ortsüblich qualifiziert werden. In der Folge ergibt sich die Möglichkeit, bei erwarteten Eigentumsbeeinträchtigungen die Unterlassung des Einsatzes von Coccibelle zu erreichen.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn, wie im Fall von H. axyridis, schon eine über Jahrzehnte gebildete, invasive Population vorliegt. Ein Unterlassungsanspruch aus §1004 Abs. 1 S. 2 BGB ist hier für den durch die Käfer Beeinträchtigten nicht mehr zielführend. Ebenso wird ein sich aus §1004 Abs. 1 S. 1 BGB ergebender Anspruch auf Beseitigung des Käferbestandes nicht durchgreifen. Der hierzu notwendige Nachweis, dass die oben benannten Eigentumsbeeinträchtigungen einem bestimmten Verursacher zurechenbar sind, wird bei einer Art, die sich über lange Zeiträume unter Mitwirkung vieler Akteure ausgebreitet hat und mittlerweile eine natürliche Population bildet, regelmäßig nicht gelingen.

Flankiert werden die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche durch deliktische Schadensersatzansprüche gem. §§823 ff. BGB sowie den Aufopferungsanspruch aus §906 Abs. 2 S. 2 BGB. Ist ein Schaden durch die Ausbringung von H. axyridis in Form einer Eigentumsbeeinträchtigung eingetreten, so kommt grundsätzlich eine Haftung des Verwenders aus §§823 ff. BGB in Betracht. Die Beeinträchtigung eigentumsfreier Natur hingegen, beispielsweise durch Biodiversitätsverlust, wird vom Haftungsrecht nicht erfasst (Holljesiefken 2007). Neben der Rechtsgutsverletzung verlangt die deliktische Haftung das Vorliegen einer haftungsbegründenden Kausalität, also des Nachweises, dass der Schädiger eine notwendige Bedingung für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung gesetzt hat. Wie angesprochen, wird der durch H. axyridis Geschädigte diesen Nachweis kaum erbringen können, was praktisch dazu führt, dass durch H. axyridis entstandene Schäden nicht über das Deliktsrecht ausgeglichen werden können.

Aus selbigem Grunde wird auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog §906 Abs. 2 S. 2 BGB ausscheiden müssen, da auch dieser die Zurechenbarkeit der durch die von H. axyridis verursachten Beeinträchtigungen verlangt.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine Haftung der Verwender von H. axyridis wegen der aufgezeigten Kausalitätsprobleme praktisch ausgeschlossen ist. Über dieses Ergebnis vermag auch die Norm des §830 Abs. 1 S. 2 BGB nicht hinweg zu helfen. Diese Norm greift nur, wenn es sich bei den Verhaltensweisen der verschiedenen Emittenten um einen einheitlichen, örtlich und zeitlich zusammenhängenden Vorgang handelt (Niewerth 1993).

In anderer Weise kann sich die Situation jedoch darstellen, wenn der durch H. axyridis Geschädigte nicht den Verwender, sondern den Vertreiber bzw. „Züchter“ in Anspruch zu nehmen versucht. Die eingangs dargestellten Zurechnungsprobleme stellen sich hier in weniger scharfer Form, da nicht eine Vielzahl von Emittenten, sondern meist nur ein begrenzter Personenkreis oder sogar nur ein konkreter Haftungsadressat in Betracht kommt. Hier besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Haftung des Vertreibers bzw. Züchters nach §823 Abs.1 BGB. Die beste­henden Beweisprobleme des Geschädigten werden durch die Grundsätze der Beweislastumkehr bei der Produkthaftung gemildert.

Neben der verschuldensabhängigen Deliktshaftung besteht ferner grundsätzlich die Möglichkeit der verschuldensunabhängigen Produkthaftung aus §1 ProdHaftG. Diese Norm schützt freilich nur den Privatmann. Sachschäden im gewerblichen Bereich werden nicht ersetzt. Regelmäßig entstehen die durch H. axyridis und Coccibelle verursachten Schäden jedoch an gewerblich genutzten Bewirtschaftungsflächen, was auf deren höheres Aufkommen und die hier verwendeten Erntemethoden, bspw. den Einsatz von Vollerntemaschinen, zurückzuführen ist.

Des Weiteren erlöschen die Ansprüche des ProdHaftG 10 Jahre, nachdem der Hersteller das Produkt in Verkehr gebracht hat. Schäden durch invasive gebietsfremde Arten entstehen jedoch nicht unmittelbar nach dem In-Verkehr-Bringen, sondern meist deutlich später. Das private Haftungsrecht ist folglich nur unzureichend auf durch gebietsfremde Arten hervorgerufene Schäden eingestellt, was im Wesentlichen auf die benannten Zurechnungsprobleme zurückzuführen ist.

5.4 Umweltschadensgesetz

Eine Haftung für bis dahin nicht erfasste Schäden an eigentumsfreier Natur begründete die Umwelthaftungs-Richtlinie 2004/35/EG, die 2007 durch das Umweltschadensgesetz (USchadG) in deutsches Recht umgesetzt wurde. Dem Verantwortlichen werden nach §§4-6 USchadG Informations-, Gefahrenabwehr- oder Sanierungspflichten bei unmittelbar drohender Gefahr bzw. dem Eintreten eines Umweltschadens auferlegt. Verantwortlicher ist nach §2 Nr. 3 USchadG, wer den Umweltschaden unmittelbar durch seine berufliche Tätigkeit verursacht, Inhaber einer Zulassung oder Genehmigung für solche Tätigkeiten ist oder diese anmeldet bzw. notifiziert. Die zuständige Behörde überwacht die genannten Maßnahmen, kann dem Verantwortlichen aufgeben, Informationen vorzulegen, die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu treffen oder erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist jedoch beschränkt. Erfasst sind nur Umweltschäden bzw. die unmittelbare Gefahr solcher Schäden. Der Umweltschaden wird nach §2 Nr. 1 USchadG i.V.m. §19 BNatSchG definiert als Schaden an Arten und Lebensräumen, die in Art. 4 Abs. 2 oder im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG oder in den Anhängen II und IV der sog. FFH-Richtlinie 92/43/EWG gelistet sind. Weder die heimischen Marienkäfer noch die kultivierten Weinpflanzen werden dort aufgeführt. Folglich scheidet eine Haftung nach dem Umweltschadensgesetz bei den durch H. axyridis oder Coccibelle verursachten Schäden aus. Erst wenn festgestellt würde, dass gelistete Tier- und Pflanzenarten betroffen sind, käme eine Haftung nach dem Umweltschadensgesetz in Betracht.

6 Schlussfolgerungen

Die derzeitige Rechtslage ist lückenhaft und wenig zufriedenstellend, wenn es um die Haftung für Schäden durch gebietsfremde Arten geht. Ein wichtiger Schritt wäre die Wahrnehmung der Verordnungsermächtigung des §3 Abs. 1 Nr. 17 PflSchG durch das BMELV und die Schaffung eines Genehmigungserfordernisses für Einfuhr, Inverkehrbringen und Verwendung von Tieren zur Schädlingsbekämpfung. Sinnvoll erscheint zudem, den Antrag gemäß §40 Abs. 4 BNatSchG nicht dem Verwender, sondern dem Vertreiber aufzuerlegen (Herz et al. 2007). Derzeit stellt §40 Abs. 4 BNatSchG auf das Ausbringen der Arten ab. Der Verwaltungsaufwand ließe sich reduzieren, würde man den Vertreiber und nicht den Verwender verpflichten, die Genehmigung einzuholen, wie dies z.B. bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nach §11 PflSchG der Fall ist. Der Kreis möglicher Schädiger würde verringert, der Kausalitätsnachweis erleichtert.

Da gebietsfremde Arten eine grenzüberschreitende Gefahr darstellen, kann Schäden allein durch nationale Strategien nicht adäquat begegnet werden. Die Europäische Kommission hat dieses Problem erkannt und stellt die Entwicklung einer EU-Strategie in Aussicht (KOM(2008) 789 endgültig). Diskutiert werden Regelungsansätze unterschiedlicher Intensität. Sie reichen von der Etablierung von Frühwarnsystemen und Artentilgungsplänen bis hin zur Schaffung spezifischer Rahmenregelungen. Weiterhin könnte ein Einfuhrverbot für „invasive Arten“, ähnlich des Verbotes für „besonders geschützte Arten“ in §41 BNatSchG, geschaffen werden. Letztlich ist biologische Schädlingsbekämpfung freilich schonender und, soweit keine Sicherheitsrisiken bestehen, den chemischen Insektiziden vorzuziehen.

Literatur

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Anschriften der Verfasser(innen): Dipl.-Umweltwiss. Kerstin Bidinger, Dr. Stefan Lötters und Prof. Dr. Michael Veith, Biogeographie, Universität Trier, Gebäude N, Universitätsring 15, D-54286 Trier, E-Mail bidi1101@uni-trier.de bzw. veith@uni-trier.de ; Dr. ennis Rödder, Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK), Sektion Herpetologie, Adenauerallee 160, D-53113 Bonn; Ass. jur. Christina Krahmer, Ref. jur. Jan Amelong, Prof. Dr. Peter Reiff und Prof. Dr. Reinhard Hendler, Institut für Umwelt- und Technikrecht, Universität Trier, Campus II Gebäude H, D-54286 Trier.

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