Bücher
Naturschutz-Krise?
Der Ökologe und Vielschreiber Josef H. Reichholf hat ein neues Buch veröffentlicht: „Naturschutz – Krise und Zukunft“. Wie immer amüsant, wie immer provozierend und manchmal etwas oberflächlich und unbelastet von Quellen und Belegen.
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Warum nur setzen sich Naturschützer so ungern mit ihm auseinander? Der Zoologe hat doch interessante Ideen und übt berechtigte Kritik. In seinem neuen Buch bringt er zwar viele Thesen, die er vorher schon veröffentlicht hat oder ohnehin alte Hüte sind, aber auch einige neue.
Dass Städte Horte der Artenvielfalt sind, predigt Reichholf seit Jahren als Novum, obwohl es seit Jahrzehnten bekannt ist. In diesem Buch nennt er wieder nicht die Bezugsräume, z.B. welches durchgrünte Umland er mit zur Stadt rechnet. Er stellt viele Behauptungen auf, ohne sie zu belegen, und andere, die einfach nicht stimmen. So gebe es keinen Flächenausgleich beim Bau von Bundesautobahnen, nur landschaftspflegerische Begleitmaßnahmen. Der Staat mache ein gutes Geschäft mit Ausgleichszahlungen durch Unternehmen, „anstatt aus eigenen Mitteln das Nötige für den (staatlichen) Naturschutz zur Verfügung zu stellen“. Was hat der Autor dagegen, dass große Unternehmen einen Bruchteil ihrer Bausumme an Naturschutz abtreten – so wie Kunst am Bau?
Bei seiner Kritik der Roten Listen ist er oberflächlich und kritisiert, dass seltene Arten als gefährdet eingestuft würden. Dabei werden bei den aktuellen Roten Listen die Bestandstrends ausdrücklich berücksichtigt.
Lebendig macht auch dieses Reichholf-Buch das Konkretisieren seiner Thesen durch Beispiele aus der Tierwelt. Er feiert mal wieder die Wiedereinbürgerung des Bibers in Mitteleuropa als große Erfolgsgeschichte, weil er daran beteiligt war. Er kritisiert dagegen die Erhaltung von bunten Blumenwiesen als Erhaltung von Leitbildern des Nährstoffmangels. Reichholf bemängelt das Spartendenken bei Naturschützern und hält es selbst doch mit dem Unternehmer-Naturschutz – früher beim WWF und heute als Botschafter der Wildtierstiftung.
Im Kapitel „Regulierungen“ ist Reichholf in seinem Element der Populationsdynamik und erklärt sehr eloquent, warum Bejagung Bestände produktiver halten kann als Schutz. Interessant auch seine Vorschläge für private Schutzgebiete von Verbänden und Mäzenen als Konkurrenz zu staatlichen. Reichholf traut dem staatlichen Naturschutz weniger zu als dem privaten. Dies passt wohl zu dem Weltbild eines Evolutionsbiologen. Den Landschaftsschutz möchte Reichholf dem Denkmalschutz und der Kulturpolitik zuordnen. Damit trifft er sich fast mit Reinhard Piechocki, der in seinem hervorragenden neuen Buch „Landschaft – Heimat – Wildnis“ für Naturschutz als Kulturaufgabe wirbt. Denn auch den Artenschutz möchte Reichholf nicht mehr ökologisch begründet wissen, sondern mit den Interessen einer gesellschaftlichen Gruppe namens Naturschützer.
Barbara Froehlich-Schmitt
(St. Ingbert)
Naturschutz – Krise und Zukunft. Von Josef H. Reichholf. 169 Seiten. Kartoniert. Edition Unseld, Suhrkamp-Verlag, Berlin 2010. 10,– €. ISBN 978-3-518-26031-9.
Libellen-Literatur
Steht ein Libellensommer bevor? Wie die Witterung werden wird – mehr oder weniger libellenfreundlich –, lässt sich noch nicht prognostizieren. Aber ausreichend neue Fachliteratur steht bereit:
Libellen sind in besonderem Maße dazu geeignet, als Indikatoren die Folgen des Klimawandels für die Biodiversität abzubilden. „Monitoring Climatic Change With Dragonflies“ ist eine Sonderausgabe der Online-Zeitschrift BioRisk (Bd. 5, 2010), herausgegeben von Dr. Jürgen Ott, die den aktuellen Kenntnisstand in beeindruckender Weise darstellt. 15 Einzelbeiträge zeichnen ein beeindruckendes Bild sowohl aus deutscher als auch aus globaler Perspektive. Einerseits wirkt die Ausbreitung mediterraner Libellen in Mitteleuropa bereichernd auf die Biodiversität, andererseits verschwinden aber auch Spezialisten der Moore und alpine Arten. Für den Naturschutz und besonders die Umsetzung von Natura 2000 hat das Konsequenzen, die ebenfalls diskutiert werden.
Daher besitzt der Band einen hohen Neuigkeitswert nicht allein für Odonatologen, sondern für alle, die sich mit Naturschutzstrategien befassen. Das Besondere: Alle Beiträge sind frei im Internet herunter zu laden, der Band kann aber auch in gedruckter Form bezogen werden.
Die Verbreitung von Arten macht bekanntlich an staatlichen Grenzen nicht Halt. Mustergültig für grenzübergreifende Arbeit dokumentiert ein neuer Verbreitungsatlas das Vorkommen der Libellen in den fünf Teilregionen der Sar-Lor-Lux+-Großregion: Wallonien, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Lothringen. Mehr als 117000 Datensätze wurden dazu ausgewertet. 75 Arten werden jeweils in eigenen Kapiteln mit Verbreitung und Vorkommen (mit Rasterkarte, differenziert nach dem Zeitraum vor/nach 1990) und Lebensraum beschrieben. Aussagekräftige Art- und Lebensraumfotos illustrieren die Beiträge. Ein beeindruckendes Werk, dem weitere folgen sollen.
Eckhard Jedicke
Monitoring Climatic Change With Dragonflies. Edited by Jürgen Ott. BioRisk 5. 286 Seiten. Paperback. Pensoft, Sofia/Bulgaria 2010. 85,90 €. ISSN 1313-2644 (print). Download: http://www.pensoft.net (Journals).
Atlas der Libellen. Fauna und Flora in der Großregion 1. Von Bernd Trockur, Jean-Pierre Boudot, Violaine Fichefet, Philippe Goffart, Jürgen Ott und Roland Press. Herausgegeben vom Zentrum für Biodokumentation des Saarlandes. 201 Seiten. Gebunden. Landsweiler-Reden 2010. 24,90 € zzgl. Versandkosten. ISBN 978-3-938381-31-1. Bestellung: Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz, Zentrum für Biodokumentation des Saarlandes, Am Bergwerk Reden 11, 66578 Landsweiler-Reden, E-Mail info.biodoku@lua.saarland.de .
Mit Feuer pflegen
Aktuelle Untersuchungen zu den Auswirkungen von Brandmanagement auf Tiere sind in Mitteleuropa kaum vorhanden. Umso erfreulicher ist es, dass mit einer Publikation aus dem Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster die Ergebnisse von zwei Diplomarbeiten vorgelegt werden, die sich mit den Auswirkungen kontrollierter Feuer im Winter auf die zwei Zielarten Gottesanbeterin und Großer Waldportier befassen. Außerdem enthält das Heft eine kurze Einführung in das Feuerprojekt sowie eine Synopse zum Thema „Brandmanagement als Instrument der Rebböschungspflege“.
Deutlich wird, dass der winterliche Feuereinsatz Gehölzsukzession und ausbreitungsproblematische Pflanzen wie die Goldrute nicht allein unterbinden kann. Der Einsatz von Feuer kann nur in Kombination mit anderen Pflegemaßnahmen sinnvoll sein wie Entkusselung, Beweidung und Mahd. Die Arbeit zeigt auch am Beispiel der beiden Zielarten, dass es durch den Einsatz des Feuers nicht zu einer erheblichen Schädigung von Tierarten kommt, wenn definierte Randbedingungen eingehalten werden.
Während beim Großen Waldportier die Larvalbiotope überhaupt nicht geschädigt werden, kommt es bei der Gottesanbeterin zu einer erhöhten Ei-Mortalität. Eine Wiederbesiedlung der kleinflächigen Brandflächen ist aber schnell möglich. Eine Studie von Buchweiz et al. (2006) zeigt, dass über ¾ der untersuchten 241 Zielarten (Tiere und Pflanzen) vom winterlichen Brennen nicht betroffen sind.
Diese Arbeit ist allen empfohlen, die sich mit Feuerökologie und der Pflege von Trockenbiotopen beschäftigen. Die Ergebnisse sind übersichtlich und gut nachvollziehbar dargestellt.
Klaus Handke (Ganderkesee)
Brandmanagement in Rebböschungen des Kaiserstuhls. Herausgegeben von Thomas Fartmann, (Hrsg.)(2010): Arbeiten aus dem Institut für Landschaftsökologie Münster 19. 156 Seiten. Verlag Wolf & Kreuels, Bösensell 2010. Bezug: c/o NLU-Projektgesellschaft mbH & Co. KG, Kley 22a, 48308 Bösensell, E-Mail vertrieb@nlu-services.de, Internet http://www.nlu-services.de. 25,– €. ISBN 978-3-937455-13-6.
Käfer-Indikatoren
Laufkäfer gehören zu den wichtigen Gruppen von Zeigerorganismen, auch im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftsplanung, dort z.B. zur Bewertung von Lebensräumen und von Eingriffen in die Landschaft. Für die mehr als 500 in der Schweiz vorkommenden Laufkäferarten liefert das vorliegende Werk aktuelle Verbreitungskarten, eine Einstufung der Lebensraum-Präferenz sowie weitere Angaben z.B. zur Höhenverbreitung, Phänologie und nationalen Schutzverantwortung in tabellarischer, übersichtlicher Form. Neben Daten aus unterschiedlichen Quellen und der Anwendung diverser Fangmethoden liegt dem Werk eine quantitative Analyse umfangreicher Bodenfallenfänge für bestimmte Lebensraumtypen und entsprechend untersuchte Gebiete der Schweiz zu Grunde. Das Buch ist – trotz des englischen Kurztitels – in deutscher Sprache verfasst. Das Autorenteam bürgt für höchste Qualität und das Buch ist für jeden von Interesse, der sich mit Laufkäfern beschäftigt. Auch für Deutschland und Österreich lassen sich wichtige Vergleichsinformationen daraus gewinnen. Jürgen Trautner (Filderstadt)
Verbreitung und Lebensraum-Bindung der Laufkäfer der Schweiz. Coleoptera, Carabidae. Ecology-Atlas. Fauna Helvetica 24. Von Henryk Luka, Werner Marggi, Charles Huber, Yves Gonseth und Peter Nagel. 677 Seiten mit 520 Verbreitungskarten und > 2 500 Grafiken. Centre Suisse de cartographie de la faune (CSCF/SZKF), Neuchatel 2009. 80,00 €. ISBN 978-2-88414-036-2
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