Raumplanung als Schlüssel für den Umgang mit dem Klimawandel
Von Helmut Hiess und Wolfgang Pfefferkorn
Raum war stets ein knappes und wertvolles Gut im Alpenraum. An diese Tradition muss wieder angeknüpft werden. Für die touristische Nutzung der Alpen ist die Landschaft gar das wichtigste Kapital.
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Eine fehlgeleitete Raumplanung – wie sie zurzeit oft praktiziert wird – wird den Wert von Landschaft im Alpenraum herabsetzen und den Klimawandel beschleunigen. Wie Raumplanung effizient und nachhaltig eingesetzt wird im Klimaschutz, damit befasst sich der Hintergrundbericht „Raumplanung im Klimawandel“ der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA.
Nur knapp 30 % der Bauzonen in der Schweiz sind gut bis sehr gut mit öffentlichem Verkehr (ÖV) erschlossen. Etwas mehr als ein Viertel der Bauzonen ist gering, fast die Hälfte der Schweizer Bauzonen ist nur kaum oder gar nicht mit ÖV erschlossen. In den anderen Alpenländern ist die Situation noch ungünstiger. In den nicht oder kaum mit ÖV erschlossenen Gebieten legen die Personenkraftwagen (Pkw) durchschnittlich etwa zweieinhalb Mal so viele Kilometer zurück wie in den sehr gut erschlossenen Gebieten. Darum ist es nicht verwunderlich, dass der Verkehr das große Sorgenkind des Klimaschutzes ist. Schuld daran ist aber nicht das Verkehrsverhalten der Bürger, sondern die Raumorganisation, die exzessive Zersiedelung, Einfamilienhausgebiete mit geringer Dichte, Bebauung ohne ausreichende Erschließung mit ÖV und ohne Nahversorgung zulässt. Der Raumplanung käme hier eine wichtige Rolle zu, die sie bisher aber nicht befriedigend erfüllen konnte.
Gemeinden konkurrieren untereinander um Einwohner, Betriebe, Touristen und Kaufkraft. Aus ihrer Perspektive scheint es nur logisch, Bauland auszuweiten und Einfamilienhausgebiete auszuscheiden – der notabene beliebtesten Wohnform in den Alpenregionen und darüber hinaus. Die Konkurrenz zwischen den Gemeinden verhindert so eine Siedlungsentwicklung mit höheren Dichten und einer Durchmischung von Wohnen, Arbeiten, Erholen und Einkaufen, in der die Erneuerung vor der Erweiterung steht. Für eine zukunftsweisende Siedlungsentwicklung braucht es Koordination, Kooperation und einen Ausgleich von Nutzen und Kosten. Dazu müssen wichtige Entscheidungen zur Siedlungsentwicklung von der kommunalen auf die regionale Ebene gehoben werden.
Unverbauter Boden bindet CO2 und ist damit ein wichtiger „Partner“ im Kampf gegen den Klimawandel. Eine flächensparsame Siedlungsentwicklung reduziert nicht nur die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr, sondern wirkt auch der Versiegelung von Boden entgegen. Ein wichtiges Instrument zur flächensparsamen Steuerung der Siedlungsentwicklung wäre die Einführung von Kostenwahrheit bei der Versorgung von Bauland mit Wasser, Straßen, Energie, Telekommunikation sowie mit sozialen Dienstleistungen wie Kinderbegleitdienste, Schülertransporte und Heimhilfe.
Studien in der Schweiz, Österreich und Deutschland zeigen, dass eine räumlich zerstreute, flächige Zersiedelung bis zu dreimal so hohe Versorgungskosten pro Kopf aufweist wie eine verdichtete Siedlungsentwicklung. Die Investitions- und Erhaltungskosten für die „teuren“ Einfamilienhausgebiete werden heute von den Bewohnern dicht besiedelter Gebiete gleich zweimal subventioniert: ein erstes Mal durch Zuschüsse aus Steuermitteln, ein zweites Mal über die Tarife, da die höheren Kosten für die Versorgung in den zersiedelten Gebieten auf alle Konsumenten aufgeteilt werden. In Österreich etwa tragen die Nutzer nur 37 % zu den Investitionskosten der Straßen-, Wasser- und Abwasserentsorgungsinfrastruktur bei, gar nur 9 % zu den Kosten der sozialen Infrastruktur. Der Rest wird aus Zuschüssen der öffentlichen Hand finanziert.
Der Klimawandel bringt mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Naturgefahren. Der Alpenraum wird von Extremwetterereignissen besonders betroffen sein. Die Gefahrenzonenplanung, die bisher Schutzzonen und Schutzmaßnahmen auf Basis der Erfahrungen der Vergangenheit dimensioniert hat, muss in eine Risikozonenplanung umgewandelt werden. Das bedeutet, dass klimabezogene Risikozuschläge festgelegt werden müssen. Dieser „Klimawandelrisikozuschlag“ wirkt sich auch aus auf die zulässigen Siedlungsgrenzen und die Lage und Höhe des Hochwasserschutzdammes. Vom Klimawandel bedingte Risiken müssen daher integrierter Bestandteil der Raumplanung werden.
Anschriften der Verfasser: Helmut Hiess, Rosinak & Partner GmbH, Schlossgasse 11, A-1050 Wien, E-Mail hiess@rosinak.at ; Wolfgang Pfefferkorn, CIPRA International, Im Bretscha 22, FL-9494 Schaan, E-Mail wolfgang.pfefferkorn@cipra.org .
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