Naturschutzfachliches Monitoring – bitte „kein Preisdumping“
Von Christof Martin
In der Diskussion um den Beitrag von Barbara Froehlich-Schmitt in Naturschutz und Landschaftsplanung 42 (8), fortgesetzt in Heft (9), bezieht nun der Geschäftsführer der Berufsvertretung Deutscher Biologen Stellung.
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Als Vertreter des BDBiol, der Berufsvertretung Deutscher Biologen, eines bundesweit tätigen Biologen-Berufsverbandes, melde ich mich zur Diskussion um das Monitoring und Wertschätzung biologischer Leistungen zu Wort. In dem „aufgrund eines Missverständnisses zurückgezogenen Artikels“ des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Internet hieß es am 08.05.2008: „Bei einer anzunehmenden durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 5 Stunden betragen die Kosten pro Probefläche inkl. Anfahrt 200€ (bei einem Stundensatz von 31€ (unterste Honorarstufe nach HOAI) und 5Std./Fläche = 155 €+10 € Fahrtkosten = 165 € + Mwst. = 200 €/Probefläche).“ Leider findet sich das Ergebnis dieser Kalkulation immer noch auf der aktuellen BfN-Homepage (21.09.2010), wenn hier darauf hingewiesen wird, dass ein Durchgang des Monitorings bei ca. 1000 Flächen insgesamt ca. 200000 € kosten wird.
Diese Tatsache lässt sich nicht einfach wegdiskutieren. Es zeigt meiner Meinung nach deutlich, wie wenig kompetente und qualifizierte Arbeit von Biologen und verwandten Berufsgruppen gesellschaftlich geschätzt wird. Es geht hier nicht um irgendeine einfache Tätigkeit wie z.B. die Messung von Wasserständen oder das Bedienen einer Mähmaschine.
Dem zitierten Papier zufolge beziehen sich diese Hinweise auf die fachliche und inhaltliche Umsetzung des laut ELER-Verordnung EG 1698/ 2005 (ELER-VO) vorgeschriebenen „High-nature-valuefarmland-Indikators“ (HNV-Indikator). Dieser Agrar-Umweltindikator „Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert“ ist einer von 35 EU-Indikatoren zur Integration von Umweltbelangen in die Gemeinsame Agrarpolitik und laut ELER-VO einer von zwei Basisindikatoren im Bereich der Biodiversität (Pflichtindikator 18). Daten, die den HNV-Indikator unterfüttern sollen, dienen zusätzlich dem gemeinsamen Wirkungsindikator (Pflichtindikator 5: Veränderung der HNV-farmland-Fläche gegenüber dem Ausgangszustand in quantitativer und qualitativer Hinsicht) sowie für verschiedene Auswertungen im Zusammenhang mit Landwirtschaft und Naturschutz. Der Indikator ist auch geeignet zur Ergänzung des Indikatorensets der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.
Falls dieser Indikator sinnvoll angewendet werden soll, muss die Erfassung durch Personen mit guter Gelände- und Artenkenntnis erfolgen, vor allem wenn aus den Daten qualitative Unterschiede gegenüber dem Ausgangszustand abgeleitet werden sollen.
In der vom BfN vorgestellten Unterlage wird diese Tätigkeit nun nach der HOAI kalkuliert, wobei mit 31 € der Mindestsatz der Honorierung „für Technische Zeichner oder sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben erfüllen“, angenommen wird.
Diesen Vorschlag können wir aus der Sicht unseres Verbandes, unserer Mitglieder und Dachverbände keineswegs nachvollziehen. Eine Honorierung muss in Anlehnung an die Vorschläge des bbn – Bundesverband beruflicher Naturschutz ( http://bbn-online.de/fileadmin/Freie_Berufe/Honrare_10-05-18.pdf ) erfolgen.
Der BBN der empfiehlt folgende Stundensätze für die Tätigkeiten der freien Berufe im Naturschutz und Landschaftspflege, die als Nettokosten ohne Nebenkosten gemäß §14 HOAI und der gesetzlich vorgeschriebenen Mehrwertsteuer zu verstehen sind:
Auftragnehmer(in): 100 €;
wissenschaftliche Mitarbeiter(innen) (abgeschlossenes Hochschulstudium, Fachhochschule): 70 bis 90 €;
Technische Zeichner(innen) und sonstige Mitarbeiter, die technische und wirtschaftliche Aufgaben erfüllen: 50 €.
Wir beobachten derzeit im Naturschutz, dass die Politik im internationalen Bereich Verpflichtungen eingeht, die sie nicht zu erfüllen bereit ist. Bestes Beispiel ist die Biodiversitätskonvention, nach der bis 2010 der Artenrückgang gestoppt werden sollte und jetzt zugegeben werden musste, dass selbst das Tempo des Artenrückganges kaum verlangsamt, geschweige denn gestoppt werden konnte.
Nun könnte boshaft unterstellt werden, dass der HNV-Durchgang 2009 von technischen Mitarbeitern durchgeführt wird, welche nicht alle Arten und Lebensräume erkennen, damit beim Folgedurchgang durch versiertere Biolog(inn)en einige beim ersten Durchgang übersehene Arten und Strukturen gefunden werden und somit trotz weiter verschlechterter Umweltbedingungen die Artenzahlen steigen, was sich dann politisch als Erfolg verkaufen lässt.
Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht Absicht des BfN ist. Aber wenn BfN und BMU auch zukünftig eine Zuarbeit durch qualifizierte Büros erhalten wollen, muss darauf geachtet werden, dass von der maßgeblichen Bundesbehörde für Naturschutz keine Preisdumpinginitiativen ausgehen. Auch die in der überarbeiteten Version genannten Stundensätze von 45 € sind bei weitem nicht ausreichend, den freiberuflich tätigen Kolleginnen und Kollegen auch nur halbwegs ein Einkommen zu gewähren, das den – auch in den Vergabegrundsätzen geforderten – wirtschaftlich nachhaltigen und fachlich fundierten Betrieb eines Beratungsbüros erlaubt. Zudem sollte allen Behördenvertretern bewusst sein, dass niedergelassene Kolleg(inn)en (wie jeder andere Selbständige auch) wesentlich höhere Kosten haben und mehr Rücklagen für Investitionen benötigen als z.B. in Bundesbehörden angestellte bzw. verbeamtete Biologen.
Hinweise für die Honorarermittlung und die Ableitung auskömmlicher Honorare finden sich z.B. unter http://www.biologenverband.de/index.php?id=14 oder bei der Gütestelle Honorar- und Vergaberecht unter http://www.ghv-guetestelle.de/ghv/redmedia/heft_4_der_schriftenreihe_der_.pdf . Vergleichssätze liefern weiterhin Vergütungsrichtlinien größerer nationaler (z.B. Ingenieurkammern) und internationaler Organisationen (DED, GTZ etc.).
Es ist natürlich nicht nur ein Problem der chronisch unterfinanzierten Behörden, wenn biologische und landschaftsökologische Leistungen zu Preisen eingekauft werden, zu denen kein Handwerker auch nur in den Wagen starten würde. Es ist auch ein Problem einiger Büros und Freiberufler, die sich einem ruinösen Preiswettbewerb – vielleicht mehr als nötig – aussetzen.
Auch wenn das BfN den Ländern keine Vorgaben machen kann, zu welchen Preisen bestimmte Dienstleistungen eingekauft werden, darf es nicht passieren, dass derart missverständliche Zahlen in (halb-)offiziellen Papieren im Internet erscheinen. Zum Vergleich: Die qualifizierte biologische Erhebung der Arten und die Beschreibung der HNV-Flächen soll auf den 100 ha großen Probeflächen mit im Schnitt 59 ha Offenland für 200 € brutto inkl. Fahrtkosten durchgeführt werden, während sich unsere Gesellschaft den Luxus leistet, die Landwirtschaft auf derselben Fläche jährlich mit ca. 20000 € zu bezuschussen (59 ha x 350 €).
Hilfreich wäre es, wenn das BfN klare Qualitätskriterien formuliert, aus denen deutlich wird, dass die verlangten Tätigkeiten nur von gut ausgebildeten Spezialisten mit langjähriger Erfahrung durchgeführt werden können. Weiterhin sollte die inhaltliche Erfassung der HNV-Flächen sowie des FFH-Monitorings stichprobenartig durch das BfN hinsichtlich der Einhaltung fachlicher Mindeststandards überprüft werden. Dann wäre es auch nicht mehr nötig, über Geld zu reden. Es ist jedoch nicht hilfreich, wenn das BfN durchblicken lässt, dass derartige Arbeiten zu Techniker-Stundensätzen erledigt werden können und dann Berufsanfänger ins Gelände geschickt werden.
In unserer Gesellschaft gilt, dass gute Arbeit auch gutes Geld kostet. Bei der gesellschaftlichen Abwägung zweier Gutachten hat im Regelfall das teurere Gutachten mehr politisches Gewicht. Solange wir uns im Naturschutz den Luxus leisten, nicht kostendeckend zu arbeiten, werden wir auch nie die gewünschte gesellschaftliche Akzeptanz erhalten.
Für den BDBiol ist es daher klar, dass wir die Thesen von Frau Froehlich-Schmitt voll und ganz unterstützen.
Christof Martin (für den Vorstand des BDBiol), Berufsverband Deutscher Biologen e.V., Adolfplatz 8, D-24105 Kiel, E-Mail webmaster@biologenverband.de , Internet http://www.biologenverband.de.
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