Zerschneidung von FFH-Gebieten vor dem BVerwG
Klage gegen die Neubautrasse der A44 ohne Erfolg
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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Hessen, gegen den Bau eines Teilstücks der Autobahn A 44 (Kassel – Herleshausen) zwischen Hessisch Lichtenau-Ost und Hasselbach abgewiesen. Das teilte das BVerwG in einer Pressemitteilung mit. Dieses Mal war Streitgegenstand der Planfeststellungsabschnitt Verkehrskosteneinheit (VKE) 32. Dieser Abschnitt schließt sich östlich Walburg an die bereits gebaute VKE 31 an. Die westlich vorgelagerte VKE 20 war vom BVerwG im zweiten Anlauf (BVerwGE 116, 254) im Jahr 2008 freigegeben worden (BVerwGE 130, 299). Wie bereits bei der Klage gegen die VKE 20 der A 44 hatte der Landesverband Hessen des BUND geklagt.
Mit dem Gesamtprojekt soll eine Lücke der Autobahnverbindung Rhein/Ruhr Kassel – Dresden geschlossen werden. Im planfestgestellten Abschnitt verläuft die Trasse zwischen Teilen des FFH-Gebiets „Werra- und Wehretal“ sowie in der Nachbarschaft weiterer Natura-2000-Gebiete, ohne diese direkt zu berühren. Die beiden westlich anschließenden Planungsabschnitte sind nach letztlich erfolglosen Klagen des Klägers fertiggestellt bzw. in Bau.
Im Mittelpunkt des nunmehr entschiedenen Klageverfahrens stand die Frage, ob das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Werra- und Wehretal“ verträglich ist, das insbesondere dem Schutz der Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus dient. Diese Frage hat das Gericht bejaht. Bau und Betrieb der Autobahn könnten zwar an sich zur Zerschneidung von Flugrouten des Großen Mausohrs und Wechselbereichen der Bechsteinfledermaus führen, die wegen ihrer Vernetzungsfunktion auch gebietsextern von den Erhaltungszielen des Gebiets umfasst seien. Die Planung verhindere die Realisierung dieser Risiken aber mit einem umfänglichen Schutzkonzept durch Reglementierung des Bauablaufs, die Errichtung von Querungshilfen, Leitstrukturen und Sperreinrichtungen sowie ergänzende Vorkehrungen eines Risikomanagements. Der Verlust außerhalb der Gebietsgrenzen liegender Jagdhabitate der Fledermäuse stelle gleichfalls keine erhebliche Beeinträchtigung dar, weil das FFH-Gebiet so abgegrenzt sei, dass es für beide Arten alle wichtigen Habitatelemente in ausreichendem Umfang enthalte, argumentierte das Gericht.
Die mit dem Bau der Autobahn verbundenen Stickstoffdepositionen in dem FFH-Gebiet „Werra- und Wehretal“ würden zwar dazu führen, dass die schon bisher weit über den herangezogenen Beurteilungswerten liegende Belastung FFH-rechtlich geschützter Waldlebensräume geringfügig weiter ansteige. Die Zusatzbelastung werde aber so minimal sein, dass sie nach gesicherter fachwissenschaftlicher Einschätzung keinen signifikanten Ursachenbeitrag zur Schädigung dieser Lebensräume leisten könne. Sie falle deshalb unter den aus dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Bagatellvorbehalt (BVerwG 9 A 5.08 – Urteil vom 14. April 2010).
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigte sich über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes enttäuscht. BUND-Naturschutzreferent Thomas Norgall: „Dies ist ein schwarzer Tag für den Umweltschutz.“ Der BUND habe zwar im Laufe des Verfahrens spezielle Schutzmaßnahmen für die gefährdeten Fledermausarten durchsetzen können, doch trotz der schweren Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sei es wieder einmal nicht gelungen, „einen völlig überdimensionierten und zu teuren Straßenbau zu stoppen“.
An die Politik richtete der BUND Hessen erneut die Forderung nach dem Bau notwendiger Ortsumgehungen im Zuge der vorhandenen B7 und einer Aufgabe der Autobahnplanung. „Durch den Bau von Ortsumgehungen würden die Menschen schneller vom Verkehr in den Orten entlastet und die Natur würde deutlich weniger geschädigt“, erläutert Thomas Norgall. Angesichts rapide abnehmender Bevölkerungs- und Verkehrszahlen hätten sich alle früheren Planungsvoraussetzungen geändert. Die Vorstellung vom Autobahnbau als Voraussetzung für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit sei ebenfalls widerlegt, denn auch ohne A44 sei die Arbeitslosenquote im Werra-Meißner-Kreis nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit erfreulicherweise von 12,3 % in 2005 auf 8,4 % im letzten Jahr zurückgegangen. Damit entspreche die Arbeitslosigkeit in diesem Landkreis dem Landesdurchschnitt von Hessen. Der Verband werde die schriftliche Urteilsbegründung auswerten und auch weiterhin jeden Planfeststellungsabschnitt beklagen, der nach seiner Einschätzung grobe Rechtsverstöße beinhalte.
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