Bunte FFH-Wiesen beweiden?
Hat sich der Naturschutz mit der FFH-Richtlinie ein Stückweit selbst ins Abseits gekickt?
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Nicht grundsätzlich: Unstrittig ist, dass es um die Erhaltung vor allem der natürlichen und halbnatürlichen Lebensraumtypen und der Artenvielfalt in Europa noch weitaus schlechter stünde, gäbe es die Richtlinie aus Brüssel nicht. Wirtschaftliche Interessen würden noch viel häufiger als heute Priorität gegenüber den Naturressourcen erhalten, unter vollständiger Ausblendung der ökonomisch nach wie vor kaum bezifferten, sicherlich noch weit unterschätzten Ökosystem-Dienstleistungen. Finanzielle Mittel für den Naturschutz wären noch knapper, wenn nicht Brüssel zwingende Anforderungen formuliert hätte und diese auch unter Sanktionsandrohung kontrollieren würde.
Doch die Frage sei erlaubt, ob sich der Naturschutz mit der FFH-Richtlinie nicht im Detail auch unnötige, ja möglicherweise kontraproduktive Fesseln angelegt hat. Dazu liefert Dr. Alois Kapfer im ersten Hauptbeitrag eine wichtige Diskussionsgrundlage, in dem er die Geschichte des Grünlandes in Mitteleuropa analysiert. Sein Fazit: „Mähwiesen“ bzw. „Dauerwiesen“, die allein durch Schnittnutzung bewirtschaftet werden, sind in flächenhaft relevanter Ausdehnung eine vergleichsweise neue Entwicklung der letzten 100 bis 150 Jahre. Im Hinblick darauf, dass Kapfer die Entwicklung der Graslandwirtschaft bis 6000 v.Chr. zurückverfolgt, ein verschwindend kurzer Zeitraum von gerade mal 2 %.
Ohne Frage hat die reine Mähwiesennutzung hoch diverse Artengemeinschaften entwickelt, wie das Titelfoto einer Goldhaferwiese in der bayerischen Langen Rhön illustriert. Und niemand wird deren Erhaltung als eines der Ziele im Grünlandschutz grundsätzlich in Zweifel ziehen. Aber die Lektüre des Beitrags von Kapfer öffnet den Blick dahingehend, dass Mähbalken, Rotations-, Trommel- und Scheibenmähwerke – die drei letztgenannten zudem mit hohen Verlusten für die Wiesenfauna – nicht das einzige naturschutzfachlich sinnvolle Nutzungs- und Pflegeinstrument darstellen. Über Jahrtausende haben mit Feldgraswirtschaft und der alten Dreizelgenwirtschaft in der kollin-submontanen Stufe der Mittelgebirge hohe Anteile beweideten Grünlands bestanden. Kapfer folgert, dass die großflächige extensive Beweidung somit ein wesentlicher koevolutiver Faktor der Entwicklung der Artengemeinschaften des Grünlandes gewesen sein dürfte.
Einmal mehr wird deutlich, dass großflächig-extensive Beweidung keine neumodische Erscheinung des Naturschutzes ist, sondern weit stärker noch in zukunftsfähige integrative Landnutzungskonzepte Eingang finden muss. Ergo: Der Status einer Fläche als FFH-Mähgrünland sollte nicht zwingend die „rote Karte“ für Beweidung bedeuten – es hängt davon ab, wie diese gestaltet ist. Also ein wenig mehr Flexibilität – gerade dann, wenn es auch ökonomisch geraten oder gar notwendig ist, in größeren Flächeneinheiten zu denken, also wenn FFH-begründete kleinflächige Schutzziele wirtschaftlich schwer realisierbar sind. Und noch etwas: Naturschutz in Europa muss sich massiv in die Gemeinsame Agrarpolitik der EU für die nächste Förderperiode nach 2013 einbringen, damit artenreiches Grünland nicht nur erhalten, sondern auch großflächig neu entwickelt werden kann. Denn dafür setzt die Agrarförderung den notwendigen Rahmen. Für den Blick nach vorn heißt es, zunächst auch zurück in die Geschichte des Grünlands zu schauen.
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