Naturschutzverwaltung verträgt keine Einsparungen mehr
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Behördlicher Naturschutz steht jetzt endgültig an seiner Leistungsgrenze. Seine Aufgaben werden komplexer, was gutes Fachpersonal und eine ausreichende Mittelausstattung erfordert. Diese Bilanz zog der Bundesverband Berufliche Naturschutz bei einer Fachtagung in Bonn.
Die sachgerechte Wahrnehmung von Naturschutzaufgaben und der Vollzug des Naturschutzrechts in den deutschen Umwelt- und Naturschutzverwaltungen sind gefährdet. Darauf hat bereits 2007 der Sachverständigenrat für Umweltfragen bei der Bundesregierung (SRU) in seinem umfassenden Sondergutachten öffentlich aufmerksam gemacht. Die nur noch eingeschränkte Erfüllung von Naturschutzaufgaben wurde auch in einer Folgeuntersuchung 2008 im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) bestätigt. Jedoch blieben diese warnenden Hinweise ohne Konsequenzen in der Politik. Im Gegenteil, im Zuge neuer Einsparungen aktueller Reformprozesse sind weitere Vollzugsdefizite zu erwarten.
Auf der Herbsttagung des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz (BBN) e.V. am 24. und 25. September 2009 in Bonn lag der Fokus ausdrücklich auf die veränderten rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen im Naturschutz. Zu dem Thema „Herausforderungen und Perspektiven in der Organisation und Aufgabenwahrnehmung der Naturschutzverwaltungen“ kamen engagierte Mitarbeiter(innen) von Naturschutzbehörden Naturschutzverbänden und Planungsbüros zu einer spezifischen Situationseinschätzung zusammen.
Die Fachvorträge und Diskussionen zeichneten ein Bild hoher Verantwortung, zunehmender Aufgabenfülle und fachlicher Anforderungen. Diese Situation bekommt aktuell bedeutende neue Akzente aus den gesellschaftlichen Maßgaben und Erfordernissen zur Bewältigung des Klimawandels und zur Sicherung der biologischen Vielfalt. Die Biodiversitätsstrategie und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sind dabei in den Behörden noch gar nicht zur Administration geprüft, geschweige denn umgesetzt.
Schon jetzt werden Aufgaben der Eingriffsregelung und der Umweltfolgenbewältigung bei Planungen und Vorhaben in vielen Regionen nur durch Konzentration auf einige Schwerpunkte und Großvorhaben durchgeführt. Aufgaben aus den Naturschutzgesetzen, die von der EU nicht zwingend vorgeschrieben sind, bleiben liegen und drohen brach zu fallen. In verschiedenen Ländern ist die Situation nur dadurch zu bewältigen, dass Aufgaben der Behörden vom Ehrenamt übernommen werden, was jedoch mit zunehmender Komplexität und in Anbetracht der geforderten Rechtssicherheit an Grenzen stößt.
In seinem zweitägigen Tagungsprogramm deckte der BBN mit Praxisberichten aus verschiedenen Verwaltungsebenen und Aufgabenbereichen von Bund, Ländern und Kommunen eine große Bandbreite bei der Analyse und Problemlösung ab. Abgerundet wurde die Auswahl an Fachvorträgen durch Beiträge zu beruflicher Qualifizierung und Weiterbildung, Ehrenamt sowie Vergabe und Honorar freiberuflicher Leistungen.
In seinem Einführungsreferat präsentierte der ehemalige Vorsitzende des SRU, Prof. Dr. Koch von der Universität Hamburg, mit herausragender Sachkompetenz und begeisterndem Engagement die Erfahrungen aus dem Sondergutachten 2007. Dabei stellte er auch fest, dass im Zuge einer zunehmend polemisch geführten öffentlichen Debatte über Entbürokratisierung, Deregulierung und Privatisierung die Leistungen und Erfolge der Umweltverwaltungen aus dem Blick geraten sind. Um den neuen Anforderungen und Merkmalen von Naturschutzaufgaben in Bezug auf Wissenschaftlichkeit, Planung, Monitoring, Management, Interdisziplinarität, Kooperation, Partizipation und Öffentlichkeitsarbeit gerecht zu werden, bedarf es einer modernen und adäquat ausgestatteten Naturschutzverwaltung, für die der SRU in seinem Gutachten ein Anforderungsprofil entwickelt hat.
Die Anwendung eines differenzierten (EU-)Instrumentariums zur Zielerreichung im Umwelt- und Naturschutz macht einen zusätzlichen Ressourceneinsatz notwendig. Um nur einige der wachsenden und neuen Aufgabenbereiche zu nennen: Umweltbeobachtung, Monitoring und Berichtswesen im Rahmen völkerrechtlicher Verträge und der FFH- und Vogelschutzrichtlinien, erhöhte Management- und Koordinierungsleistungen im Zuge des Vertragsnaturschutzes, erhöhter Prüfbedarf in der Eingriffsregelung, Erstellung und Fortschreibung des Kompensationsflächenkatasters. Auch nach der Auswahl und Meldung der Natura-2000-Gebiete sind Verwaltungskapazitäten weiterhin durch das (Schutzgebiets-)Management des europäischen Biotopverbundsystems und durch anspruchsvolle Beurteilungs- und Prüfaufgaben über Entscheidungen und Maßnahmen nach Artenschutzrecht gebunden. Mit Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes 2010 kommt zudem der Meeresnaturschutz als weiterer Aufgabenbereich hinzu.
In den Beiträgen und angeregten Diskussionen der Tagung wurde offenkundig: Zur Bewältigung komplexer werdender Naturschutzaufgaben ist neben der Bereitstellung von ausreichendem qualifizierten Fachpersonal, das über querschnittsorientiertes, fachübergreifendes Wissen und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten verfügt, auch die notwendige Finanzausstattung in den Vollzugsbehörden im Naturschutz sicherzustellen. Anders als andere Fachverwaltungen war der Naturschutz als relativ junge Verwaltungsorganisation nie mit einem Personalüberhang versehen und steht jetzt endgültig an seiner Leistungsgrenze. Einsparpotenziale im Zuge neuer Reformprozesse sind nicht vorhanden. Ausdrücklich ist ein Einstellungskorridor in den Verwaltungen zu fordern und der qualifizierte Nachwuchs im Verwaltungsdienst durch Referendars- oder Inspektorenausbildungen verstärkt zu fördern. Dem Anspruch der Staatsaufgabe Naturschutz ist so Rechnung zu tragen, wie es auch anderen Staatsaufgaben, z.B. Polizei oder Bildung, gebührt. Eine weitere Privatisierung und Kommunalisierung ist gemessen an der staatlichen Verantwortung für Umwelt und Natur nicht vertretbar.
Der BBN wird speziell in den Ländern hierzu Forderungen formulieren und Strategien entwickeln. Für 2010 und 2011 sind weitere Erfahrungsaustausche für die Bereiche Eingriffsregelung und Planung, Schutzgebietsmanagement und Artenschutz beabsichtigt. Eine Sondertagung wird sich dem Themenbereich Behördenpraxis und Ehrenamt annehmen. Für die am 23. April 2010 in Norddeutschland geplante Frühjahrstagung ist das Thema „Biodiversitätsstrategie in den Ländern“ vorgese-hen. Der BBN würde sich freuen, wenn an diesen Fachveranstaltungen wieder viele Mitarbeiter(innen) aus den Naturschutzbehörden, Verbänden und Planungsbüros teilnehmen würden.
Die Vorträge und Ergebnisse der Herbsttagung 2009 sind auf der Website des BBN http://www.bbn-online.de als Download zu finden.
Weitere Informationen: Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) e.V., Konstantinstraße 110, 53179 Bonn, Telefon (0228) 8491-3244, E-Mail mail@bbn-online.de, Internet http://www.bbn-online.de.
Literaturhinweise
Bauer, M., Bogumil, J., Knill, C., Ebinger, F., Krapf, S., Reissig, K. (2007): Modernisierung der Umweltverwaltung, Reformstrategien und Effekte in den Bundesländern. Berlin.
Benz, A., Koch, H-J., Suck, A., Fizek, A. (2008): Verwaltungshandeln im Naturschutz: Herausforderungen und Folgen veränderter Rahmenbedingungen. Naturschutz und Biologische Vielfalt 66, Bonn.
Sachverständigenrat für Umweltfragen (2007): Umweltverwaltungen unter Reformdruck: Herausforderungen, Strategien, Perspektiven. Sondergutachten. Berlin.
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