Die Bienenretterin
„Franzi, Franzi, du musst mir helfen“, tönt es mir aus meinem Handy entgegen. Am Telefon ist Doris, eine alte Freundin meiner Mutter. Sie ist sehr naturverbunden, lebt in einem „verwilderten“ Garten, in dem sich so manches Tierchen wohlfühlt und kann keiner Fliege etwas zu leide tun. Nun, um Fliegen geht es nicht, aber um Bienen.
von Franziska Schmitz erschienen am 26.05.2025Doris Haus liegt am Ende einer Straße, danach folgen Brachflächen, die nun weiter bebaut werden sollen. Auf dem Grundstück direkt neben ihrem hat sie seit einigen Tagen Erdbienen beobachtet.
„Kannst du nicht etwas machen? Der Baumüller (eine große Baufirma in unserer Gegend) hat seine Bagger schon hergekarrt, die scheren sich sicherlich nicht um die Bienen!“
Jetzt ist mir alles klar, der „Baumüller“ und Doris hatten in der Vergangenheit schon wiederholt das Vergnügen, aufeinanderzuprallen. Dabei könnten die Gegensätze nicht größer sein: Karl Baumüller residiert mit seiner Gattin Evelin in einem Neubaugebiet unserer Stadt. Seine Villa steht in einem akkurat gepflegten Garten, ohne jeglichen Spielraum für Insekten oder Vögel. Er trägt stets einen grünen Janker über seinem Wohlstandsbauch und ist im Ort einer der wichtigsten Arbeitgeber. Dagegen haftet Doris Kunze der Ruf einer „Öko-Oma“ an, die mit ihren bunten, weiten Kleidern und ihrer Streitlust schon so manches mal auf Baumüller und Konsorten geprallt ist.
Natürlich kann ich Doris nicht ihrem Schicksal überlassen. Sie und Mama sind seit Jugend beste Freundinnen. So fahre ich also erst mal zu Doris, um mir „ihre“ Erdbienen zeigen zu lassen. Die Fläche mit den Insekten liegt nahe an ihrem Grundstück, sonst ist faunistisch nicht viel los. Ich mache Fotos und verspreche Doris, mich Montag – heute ist Freitag und bestimmt niemand mehr zu erreichen, erst mit Baumüller, und anschließend, wenn ich bei ihm nichts erreiche, mit dem Umweltamt in Verbindung zu setzen.
Montag rufe ich also bei Baumüller im Büro an. Und erlebe eine positive Überraschung, als ich nach kurzer Erklärung von seiner Sekretärin direkt mit dem Chef verbunden werde. „Das ist uns bekannt, dass auf dem Grundstück neben Frau Kunze Erdbienen sind. Sie glauben doch nicht, dass ich mich der Gefahr aussetze, den Zorn der Dame auf mich zu ziehen? Ich will schließlich noch mehr Häuser in ihrem Viertel bauen. Natürlich habe ich auch meine Kontakte und habe einen Biologen vorab die Fläche checken lassen und mit dem Umweltamt vereinbart, dass wir diese Fläche aussparen. Wenn Sie möchten, können Sie gerne auf die Baustelle kommen und die Fläche mit unserem Vorarbeiter abstecken.“
Hat man da noch Worte? Ich jedenfalls keine, außer der verdutzten Doris Bericht zu erstatten und die gedankliche Flinte wieder ins Eck zu stellen.
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