Böse Überraschung
Als ich bei einem Projekt in der Nähe von Passau eine böse Überraschung erlebe, gewöhne ich mir an, zu den meisten meiner Baustellentermine unangemeldet aufzutauchen. Wissen Polier und Arbeiter vor Ort, dass die Umweltbauüberwachung verlässlich zu einem bestimmten Termin zum „Kontrollieren“ kommt, wird die Baustelle meist entsprechend aufgeräumt. Diese Erkenntnis habe mich, als ich das erste Mal unangemeldet auf besagter Baustelle aufschlage.
von fs erschienen am 23.09.2024Bei diesem Projekt haben wir immer dienstags um neun Uhr unseren festen Termin zu dem ich stets pünktlich erscheine. Jedes Mal werde ich freudig begrüßt, kontrolliere, spreche mit dem Polier und verlasse die mustergültig geführte Baustelle, ohne auch nur eine Kleinigkeit bemängeln zu können.
Die Reptilien- und Vegetationsschutzzäune um die wertvollen Bestandsbäume sind immer ordentlich und die Baumscheiben frei und „sauber“. Ich bin fasziniert, da der Arbeitsraum sehr beengt ist, und voll des Lobes für Polier und Arbeiter.
Doch eines Tages, als ich mich bereits auf dem Heimweg befinde, fällt mir bei einem Stopp an einer Autobahnraststätte siedend heiß auf, dass ich mein Handy auf der Baustelle vergessen habe. Für mich ein Supergau: Mein Handy ist quasi mein verlängerter Arm – mein komplettes Leben ist dort abgespeichert. Mir bricht kalter Schweiß aus, wenn ich an die Daten denke, die nicht von Außenstehenden eingesehen werden dürfen.
Ich habe einen sehr weiten Anfahrtsweg von knapp vier Stunden und natürlich habe ich den Verlust erst bemerkt, als ich schon gut dreiviertel des Rückweges hinter mir habe. Es ist kurz nach 13 Uhr. Wenn ich jetzt zurückfahre, bin ich sicher erst am späten Abend daheim. Ich ärgere mich, aber es hilft nichts, denn ich brauche das Handy. Also kaufe ich mir einen Kaffee und fahre die Strecke zurück.
Da auf der Baustelle gerade Material angeliefert wird, parke ich mein Auto an der Straße. Das Handy finde ich glücklicherweise im Toiletten-Container – die Damentoilette scheint wenig besucht. Ich will mich noch kurz beim Polier melden, da ich finde, dass sich das gehört. Als ich jedoch auf die Baueinrichtungsfläche trete, trifft mich zum zweiten Mal an diesem Tag der Schlag: Die Vegetationsschutzzäune der Bäume wurden in Richtung der BE-Fläche abmontiert und auf die Seite gelegt. Mehrere Paletten mit Mauerscheiben stehen auf dem Wurzelbereich der alten Bäume. Ich sehe den Polier mit einem seiner Arbeiter, er mich jedoch nicht, da ich von hinten an ihn herantrete.
„Man, heute dachte ich schon, die geht nie, ich wusste doch, dass wir die Mauerscheiben mittags geliefert bekommen. Wo soll ich denn die Paletten sonst lagern? Wir müssen schauen, dass wir die bis nächsten Dienstag verbaut haben“, höre ich den Polier zu seinem Arbeiter sagen. Dieser zuckt zusammen, als er mich erblickt und bekommt große Augen, was den Polier veranlasst, sich langsam in meine Richtung zu drehen.
Ich schaue den Polier an, koche dabei innerlich, aber habe mich unter Kontrolle und sage zu ihm: „Ich muss dazu jetzt eigentlich gar nichts sagen, oder? Sie wissen Bescheid, was zu tun ist?“
„Was wollen Sie denn jetzt hier?“, fährt er mich kreidebleich an. Sein schlechtes Gewissen ist ihm ins Gesicht geschrieben.
„Offensichtlich ankündigen, dass es in Zukunft auf dieser Baustelle nur noch unangekündigte Besichtigungstermine geben wird. Und: dass die Baumscheiben sofort freigeräumt werden!“
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