Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Schmitz’ Sternstunden

Aus den Augen, aus dem Sinn

Vor meiner Zeit als selbstständige Umweltbaubegleitung arbeite ich in einem Umweltbüro, in dem auch Christian angestellt ist. Dieser ist zu der Zeit für die Umweltbaubegleitung zuständig und nicht allzu verlässlich. Er vergisst oft Termine, ist auf der Baustelle pampig zu den anderen Projektbeteiligten, geht selten ans Telefon, wenn sich Rückfragen ergeben und gibt seine Berichte zu spät oder gar nicht ab. Doch bevor Markus, unser damaliger Chef, Christian kündigen kann, erscheint dieser plötzlich nicht mehr auf der Arbeit.

von fs erschienen am 18.04.2024
Artikel teilen:

So werden seine laufenden Projekte und damit die Umweltbaubegleitung auf uns andere verteilt. Eine Projekt scheint uns dabei durchzurutschen, keiner weiß, dass er es angenommen hat. Es handelt sich dabei um eine Fläche am Rande einer Siedlung.

Offensichtlich sind die übrigen Verantwortlichen – Baufirma samt Projektleiter – auch nicht besonders erpicht darauf, von uns gefunden zu werden. Wer weiß, ob das Projekt je wieder auf unserem Tisch gelandet wäre oder was passiert wäre, wenn auf einmal Berichte über Vor-Ort-Termine, die ja nie stattgefunden hätten, verlangt worden wären.

An einem Freitagabend ruft Markus mich an: „Franziska, sagt dir das Projekt ‚Waldrandsiedlung Neustadt‘ etwas? Ich sitze hier grade mit meinem alten Freund Thorsten bei einem Glas Wein. Jetzt erzählt er mir, dass er mit seinem Hund bei der Waldrandsiedlung spazieren war. Da soll gebaut werden. Er hat gesehen, dass auf der Bautafel unser Firmenlogo draufsteht und fragt mich, ob wir auch die Gelbbauchunken auf dem Schirm haben, die da jedes Jahr in den Fahrspuren und Wasserlöchern laichen. Weißt du da was davon? Mir ist nicht bekannt, dass wir da ein Projekt haben.“

Auch mir ist es nicht bekannt, aber uns beiden schwant furchtbares. So hole ich am Samstag Morgen Markus ab und fahre gemeinsam mit ihm zum Bauplatz der Siedlung. Tatsächlich – es ist kaum zu glauben – steht unser Logo deutlich auf der Bautafel. Baubeginn soll in wenigen Tagen sein. Es ist Frühjahr, wir gehen über die Fläche und suchen verdächtige Stellen am Boden ab – es wimmelt wirklich nur so vor lauter Laich.

Unsere erste Handlung am Montagmorgen ist ein Anruf bei der Wohnungsbaugesellschaft. Eilig wird ein Termin mit der Umweltbehörde, der Baufirma, mit Markus und mit mir als Nachfolge-Umweltbaubegleitung angesetzt. Dabei kommt raus, dass Christian zwar den Auftrag angenommen hat – und das schon vor einem Jahr – aber keinen einzigen Bericht abgegeben hat.

Wie denn auch, er scheint nicht einmal vor Ort gewesen zu sein. Offensichtlich gab es einen Deal – doch das sind nur Vermutungen, beweisen können wir der Wohnungsbaugesellschaft nichts und Christian bleibt weiterhin unauffindbar. Die Situation ist wie sie ist: der Baubeginn, der kurz bevorsteht, muss verschoben werden, denn die Maßnahmen, die der landschaftspflegerischer Begleitplan vorsieht, sind nicht rechtzeitig durchgeführt worden. Nun müssen die weiteren Schritte angepasst werden, damit diese streng geschützten Amphibienart gerettet wird.

Was aus Christian geworden ist, kann ich nicht sagen. Solange ich noch in der Firma angestellt war, ist er nicht mehr aufgetaucht und auch nicht gefunden worden. Gerüchten zufolge ist er ausgewandert. Markus als Firmeninhaber kam mit einem blauen Auge davon und als dieses wieder verheilt war, lies er kein Projekt, das unter seinem Namen lief, jemals wieder aus den Augen.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren