Qualitätssicherung bei Begrünungen – ein Coaching-Angebot für Produktionsbetriebe
Renaturierungen zählen zu den wichtigsten naturschutzfachlichen Maßnahmen unserer Zeit - auch im Grünland. Doch welches Saatgut ist das richtige? Welche Regeln gelten? Andreas Bosshard und Daniel Slodowicz berichten aus der Schweiz und bieten ein Coaching für produzierende Betriebe an.
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Saatgut aus Direkternte: Die beste Lösung für die Biodiversität, aber auch die anspruchsvollste
Welches Saatgut bei Begrünungen oder Renaturierungen zur Anwendung kommt, hat enorme Auswirkungen auf die Biodiversität. Denn es sind Tausende von Hektaren, die allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz jedes Jahr angesät werden – und dies oft auf ungedüngten Standorten, die für die Biodiversität ein besonders hohes Potenzial haben, beispielsweise entlang von Straßen, Bahnlinien oder Gewässern, aber auch im Außenraum um Gebäude-Neubauten. Biodiversitätsgerechtes Saatgut kann einen großen Mehrwert für die Artenvielfalt schaffen, während umgekehrt ungeeignetes Saatgut die Biodiversität schädigt.
Wertigkeits-Hierarchie
Bei der Verwendung von Saatgut gibt es hinsichtlich der Biodiversitätsförderung eine klare, wissenschaftlich gut belegte Wertigkeits-Hierarchie: Saatgut aus Direkternte (synonym mit autochthonem Saatgut) ist, sofern verfügbar, für die Biodiversitätsförderung die beste Wahl (Kasten 1). Autochthones Saatgut wird direkt und ohne Zwischenvermehrung aus ursprünglichem artenreichem Wiesland der Region geerntet und enthält diejenigen Arten und Ökotypen, die an die klimatischen und standörtlichen Bedingungen angepasst sind - und dies in der regionstypischen Zusammensetzung. Dadurch wird die in jeder Region, jeder Höhenlage und an jedem Standort bzw. jedem Grünlandtyp unterschiedliche artenmäßige und genetische Ausprägung der Biodiversität erhalten und gefördert (Gamma-Diversität). Dazu müssen allerdings die Transfer-Distanzen gering gehalten werden – beim HoloSem-Standard aus der Schweiz sind es beispielsweise <15 km.
Kasten 1: Saatgut aus Direkternte und Regio-Saatgut aus Vermehrung ergänzen sichNicht überall gibt es genügend artenreiche Spenderflächen, um den Bedarf an Saatgut für die optimale Biodiversitätsförderung bei Neuansaaten bereitstellen zu können. In solchen Fällen ist Regio-Saatgut aus Vermehrungsbetrieben klar die nächstbeste Wahl. Die beiden Saatguttypen – direkt beerntetes und Vermehrungssaatgut – ergänzen sich damit für die Biodiversitätsförderung optimal. Die Verwendung von nicht-autochthonem Saatgut oder von nicht aus der Region stammendem Vermehrungssaatgut dagegen ist zum Schutz der Biodiversität zwingend zu unterlassen und in immer mehr Ländern auch gesetzlich untersagt. Denn (oft von irgendwoher) importiertes Regel-Saatgut führt zu einer problematischen genetischen und artbezogenen Durchmischung ("Florenverfälschung"), mit oft auch langfristig negativen Auswirkungen für die Biodiversität. Weitere Informationen unter www.holosem.ch/referenzen/ |
Qualität entscheidend
Autochthones Saatgut entfaltet nur dann die ausgesprochen positive Wirkung für die Biodiversität, wenn es von einwandfreier Qualität ist. Dies ist eine Herausforderung. Denn irgendwelche Spenderflächen sind rasch beerntet, auch wenn sie von der Artenzusammensetzung oder vom Erntezeitpunkt her ungeeignet sind. Auch bei der Aufbereitung der Saatgutmischend, die bei jeder Ernte anders ausfallen, sind zahlreiche Fehler möglich. Zwar wird es fast immer "irgendwie grün". Aber die Etablierung eines standortgemäßen, artenreichen Pflanzenbestandes und damit eine langfristige, wertvolle Förderung der Biodiversität gelingt nur mit hochwertigem, professionell produzierten Saatgut.
Komplexer Produktionsprozess
Der Produktionsprozess von autochthonem Saatgut ist sehr individuell und vielfältig, d.h. kontextabhängig, und damit besonders anspruchsvoll. Jede Spenderwiese, jeder Wiesentyp, jedes Erntejahr sind anders. Um mit dieser Vielfalt an unterschiedlichen Produktions-Voraussetzungen umgehen zu können, sind fundierte Kenntnisse in Botanik, Ernte- und Aufbereitungstechnik sowie Saatgutverhalten unumgänglich. Ein standardisiertes und damit teilweise auch automatisierbares beziehungsweise skalierbares Vorgehen, wie es beim Vermehrungssaatgut in Profibetrieben heute praktiziert wird, ist für autochthones Saatgut in vergleichbarer Form nicht möglich.
Coaching-Angebot und Wissensvermittlung
Um Produktionsbetriebe beim komplexen Prozess in der Produktionskette zu unterstützen und eine möglichst hohe, einheitliche Saatgutqualität sicherzustellen, bietet Ö+L GmbH (Kasten 2) seit 2023 für interessierte Produzentinnen und Produzenten von autochthonem Saatgut ein fachliches Coaching an. Die Betriebe können so von den fundierten, jahrzehntelangen Erfahrungen und den entwickelten Hilfsmitteln von Ö+L in der Saatgutproduktion und -Vermarktung profitieren.
Der vermittelte Inhalt wird auf die individuellen Bedürfnisse der Produzentinnen und Produzenten zugeschnitten, sind doch je nach Region und Ausrichtung des Unternehmens andere Schwerpunkte gefragt. Das Coaching beinhaltet drei bis fünf Module, welche den ganzen Prozess von der Auswahl der Spenderflächen über die Ernte und Aufbereitung bis zur Vermarktung, Ansaaten und Qualitätskontrolle abdeckt und findet in der Regel online statt. Je nach Interesse wird auch der Zugang zu Formularen, internen Anleitungen, Prozesshilfen und Logistiksystemen angeboten. Das Coaching richtet sich gleichermaßen an neu einsteigende wie an erfahrende Produktionsbetriebe.
Interessenten melden sich bei Andreas Bosshard oder Daniel Slodowicz unter info@holosem.ch oder +41 (0)56-641 11 55.
Kasten 2: Ö+L und HoloSemÖ+L GmbH setzt sich in Forschung und Praxis seit 30 Jahren mit Biodiversitätsförderung durch Ansaaten auseinander (Referenzen siehe hier). Angesiedelt auf einem Landwirtschaftsbetrieb bei Zürich (Schweiz), haben wir Anfangs der 2000er Jahre selber mit der Produktion von Saatgut begonnen – zunächst mit Vermehrungssaatgut, seit 2005 haben wir uns auf die Entwicklung von Direkternteverfahren spezialisiert. Heute bietet Ö+L GmbH unter dem Markennamen HoloSem in der ganzen Schweiz autochthones Saatgut hoher Qualität von fast allen Grünlandtypen an und deckt damit zusammen mit Partnerfirmen mittlerweile einen Großteil des Marktes für artenreiche Ansaaten ab. Zunächst für den Eigengebrauch entwickelt, hat Ö+L zudem den elektrisch betriebenen Kleinernter eBeetle auf den Markt gebracht. |
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