Renaturierungspläne für alle Lebensraumtypen nötig
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Bundesrepublik verurteilt: Sie schütze die FFH-Lebensraumtypen 6510 (Magere Flachlandwiesen) und 6520 (Berg-Mähwiesen) nicht ausreichend vor Verschlechterungen und Störungen. Deutschland verstoße damit gegen Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie. In 25 bzw. 30 % der Natura 2000-Gebiete gingen nach Auffassung des EuGH seit 2006 rund 50 % der Fläche der beiden LRT verloren. Er konstatiert in zehn der 16 Bundesländer Verluste des LRT 6510, in fünf des LRT 6520. Allgemeine und strukturelle Versäumnisse beklagen die Richterinnen und Richter.
von Eckhard Jedicke erschienen am 19.11.2024Schon vor gut einem Jahr hatte der EuGH Deutschland verurteilt, weil FFH-Gebiete unzureichend gesichert, Erhaltungsziele zu unkonkret und rechtlich unverbindlich formuliert sowie Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen ungenügend waren. Und es ist nicht zu übersehen, dass die für das Mähgrünland festgestellten Defizite auch für viele andere Lebensraumtypen gelten – die aber waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Wenn die Bundesrepublik nun nicht zeitnah plausibel zeigt, dass sie wirksam gegengesteuert, drohen Strafzahlungen mindestens im sechsstelligen Bereich – pro Tag.
Vier Strategien
Was ist zu tun? Vor allem vier Aspekte gilt es nun zu diskutieren:
Erstens braucht es mehr Verbindlichkeit der fachlich erforderlichen Maßnahmen – ergo die zwingende Umsetzung fundierter Managementpläne.
Zweitens: Naturschutz muss sich lohnen. Die Maßnahmen müssen attraktiv honoriert werden, sodass es für die Landnutzenden keine Strafe, sondern ein Vorteil ist, dass sie Flächen in Natura 2000-Gebieten bewirtschaften oder pflegen. Zur Attraktivität zählen auch die einfache Abwicklung der Förderung und die Einbindbarkeit in betriebliche Abläufe. Ein eigener EU-Naturschutzfonds anstelle der Nutzung der komplexen und wenig zielgerechten Agrarförderung wäre möglicherweise die bessere Lösung.
Drittens bedarf es massiver Bemühungen zur Renaturierung, um einen Biotopverbund durch Flächenvergrößerung und Vernetzung herzustellen. Denn viele LRT-Flächen sind zu klein und verinselt. Das EU-Renaturierungsgesetz liefert dazu schon Vorgaben. Bei reinem Mähgrünland fehlen die Weidetiere als Vektoren für die Ausbreitung von Arten. Daher müssten die LRT 6510 und 6520 in einem größeren Zusammenhang von extensiven Grünlandgebieten mit einem hohen Anteil an Beweidung gesehen werden.
Und viertens gilt es auch die Rahmenbedingungen zu verbessern: weniger Nährstoffe aus Luftverschmutzung und von Nachbarflächen, geringere Pestizideinträge und mehr Wasserrückhalt für größere standörtliche Vielfalt.
Bund und Länder wären gut beraten, wenn sie sich nach diesem Urteil des EuGH ganz offensiv mit dem Zustand aller LRT befassen und grundlegende Verbesserungen einleiten würden sowie allgemeinen und strukturellen Versäumnissen begegnen – denn sie finden sich allerorten. Die EU hat deutlich gemacht, dass sie nicht unendlich lange zuschauen wird. Das ist gut so.
Klimawandel ändert LRT
Was die Umsetzung der FFH-Richtlinie allerdings nicht berücksichtigt: Pflanzen- und Tiergemeinschaften verändern sich, durch Nährstofffrachten und den Klimawandel ganz besonders. Manche Schutzziele sind daher künftig nicht mehr erreichbar. Auch Waldgesellschaften verändern sich, wie am Beispiel der Esskastanie im Spessart in diesem Heft gezeigt wird. Zur Bewertung des Landschaftsbilds durch neuronale Netze als weiteres Thema lässt sich der Bogen spannen: FFH-Lebensraumtypen steigern die Vielfalt in Landschaften als Erholungsräume. Auch das ist ein Argument für massive Verbesserungen ihres Erhaltungszustands.
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