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Extensive Beweidung

Gut für die lokale Biodiversität, aber herausfordernd für Landnutzer

Ein Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat untersucht, mit welcher Motivation Landnutzer in Europa eine extensive Beweidung betreiben und welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen. Die Ergebnisse der Befragungen wurden im Fachmagazin „Land Use Policy“ veröffentlicht. Sie zeigen, dass flexiblere Förderbedingungen zu einer Verbesserung beitragen könnten.

von iDiv/Red erschienen am 21.05.2024
Die Beweidung durch Haus- und Wildtiere prägt Landschaften in ganz Europa. © Alexander Pohl / iDiv
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Zwischen 2019 und 2021 interviewten die Forschenden 74 Landwirte, Landeigentümer, Viehhalter und Manager eines Renaturierungsgebietes, das von Wildpferden und halbwilden Rindern beweidet wird. In den Interviews wollten sie mehr über die Beweggründe und Herausforderungen der Landnutzer erfahren, die sich für eine extensive Beweidung einsetzen – und das, obwohl wirtschaftliche Überlegungen immer wichtiger werden. Denn die Einnahmen durch die Bewirtschaftung der Flächen reichen nicht mehr aus, um die steigenden Kosten für Ausrüstung, Pacht und Steuern zu decken.

Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass viele Landnutzer mit Regeln und Vorschriften zu kämpfen haben, die mit einem extensiven Weidemanagement unvereinbar scheinen. Als hinderlich empfunden wurden beispielsweise Vorschriften zur Kennzeichnung des Viehs – eine sehr schwierige Aufgabe, wenn die Tiere auf großen Flächen frei weiden dürfen. Nach Ansicht der Landnutzer behinderten die geltenden politischen Maßnahmen, insbesondere die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Kommission (GAP), naturnahe und nachhaltige Praktiken. Ein Landnutzer in Rumänien beschrieb, dass die Landwirte alle Sträucher von ihren Weiden entfernen mussten, da sie sonst keine Subventionen erhielten oder ihnen sogar Bußgelder auferlegt wurden. Diese Sträucher erfüllen jedoch innerhalb des Ökosystems wichtige Funktionen, indem sie beispielsweise im Sommer Schatten spenden und im Winter für das Vieh eine zusätzliche Nahrungsquelle darstellen. Im Allgemeinen wurde die GAP als zu restriktiv empfunden und viele Landnutzer beantragten lieber erst gar keine Subventionen.

Landflucht gefährdet traditionelle Jobs

Die Interviews zeigten auch, dass viele Landnutzer mit den sozioökonomischen Veränderungen auf dem Land zu kämpfen haben. Die Landflucht führt zu einem Mangel an Arbeitskräften, während körperliche Arbeit nach wie vor unersetzbar ist, insbesondere bei der Arbeit mit Rindern und Pferden. „Die nächste Generation will nicht in der Landwirtschaft arbeiten, weil es zu hart ist, zu viel Arbeit“, sagte ein Landnutzer aus Litauen. „Sie wandern lieber aus und suchen sich einen Job, der weniger anstrengend ist.“

„Die GAP könnte Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert stärken und Anreize für Landwirte schaffen, um extensive Weidesysteme zu erhalten oder wiederherzustellen“, meint Seniorautor Dr. Guy Pe’er, der am UFZ und bei iDiv forscht. „Es liegt nicht daran, dass kein Budget da ist sondern eher am mangelnden Ehrgeiz, eine nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen.“

Mehr Flexibilität und besserer Zugang zu Märkten

Auf Basis der Interviews leitete das Forschungsteam mögliche Maßnahmen zur Förderung extensiver Beweidungspraktiken ab. „Was wir brauchen, ist mehr Flexibilität für die Landnutzer“, findet Erstautorin Dr. Julia Rouet-Leduc. „Die derzeitige Politik fördert solche Praktiken größtenteils nicht und bietet vor allem keine gleichen Wettbewerbsbedingungen.“ Die GAP der EU biete zwar wichtige wirtschaftliche Unterstützung, fördere aber mit problematischen Anforderungen auch eine kontraproduktive Bewirtschaftung. Zusätzliche finanzielle Anreize könnten die Unterstützung für ein extensives Weidemanagement verbessern, so die Autoren der Studie. Vor allem in Gebieten, in denen Land aufgegeben wurde, böten sich viele Möglichkeiten für ein Rewilding mit großen Pflanzenfressern, die verschiedene Ökosystemleistungen erbringen. Aber auch das sei ohne Flexibilität nicht möglich, denn die Unterschiede zur Bewirtschaftung mit domestizierten Tieren seien erheblich. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen außerdem eine bessere Kennzeichnung und Zertifizierung von umweltfreundlicher Beweidung, um die öffentliche Unterstützung zu erhöhen und die Entwicklung von Märkten für solche Produkte zu fördern. Einige der befragten Landnutzer waren zudem der Ansicht, dass der Marktzugang durch die Förderung der Direktvermarktung verbessert werden könnte, beispielsweise über Hofläden.

„Es gibt definitiv echte Herausforderungen für die Landwirte, die nicht leicht zu bewältigen sind“, meint Pe’er mit Blick auf die anhaltenden Bauerndemonstrationen. „Aber die Abschaffung von Umweltstandards wird den Landnutzern nicht helfen. Sie brauchen ein Paket aus Maßnahmen, das eine ehrgeizige GAP-Reform umfasst, die Landwirte unterstützt, die nachhaltiger wirtschaften; ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, um die Standards für gute Bewirtschaftung zu verbessern; und einen Rahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme, um die Marktoptionen für eine nachhaltige Landwirtschaft zu verbessern.“

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