Ein Ministerium für Landmanagement
Symbolpolitik ist bekanntlich einfacher als konsequentes politisches Handeln, welches auf komplexe Zusammenhänge mit langfristigem Blick reagiert. Gleich zwei umweltrelevante Lehrbeispiele dazu lassen sich aktuell studieren: das Weihnachts-Hochwasser und die Bauernproteste.
von Eckhard Jedicke erschienen am 15.01.2024Das Wasser kommt nicht unerwartet
Das Hochwasser: Lange bekannt – Klimawandel erhöht Intensität und Häufigkeit von Hochwassern. Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt beschleunigen den Wasserabfluss und verstärken so die Hochwasserspitzen – mit verheerenden Schäden: allein in Deutschland 6,6 Mrd. € jährlich im Schnitt seit 2000 durch Hochwasser, Hitze und Dürre. Dieses Wasser fehlt in den zunehmenden Dürreperioden. Bundeskanzler Olaf Scholz stellt vor Ort beim Hochwasser nur lapidar fest: „Die Natur fordert uns heraus“. Der Kanzler ist da, das muss als Symbol für das Handeln genügen.
Die Bauernproteste: Eine Woche lang demonstrierten Landwirtinnen und Landwirte mit ihren Schleppern auf der Straße. Kfz-Steuerbefreiung und die Agrardiesel-Subvention zu streichen wäre dabei mehr als konsequent. Denn die internationale Staatengemeinschaft will seit der Biodiversitäts-Vertragsstaatenkonferenz 2010 in Nagoya klima- und umweltschädliche Subventionen abschaffen. Die Agrardiesel-Beihilfe macht im Schnitt nur 4,3 % des Unternehmensgewinns aus – bei Rekordgewinnen in den letzten beiden Wirtschaftsjahren. Stattdessen wären Anreize für weniger PS-stark betriebene Landnutzungen zu schaffen.
Die Bauern machen mit Verkehrsblockaden genau das, für das die Klimakleber kriminalisiert werden. Dabei demonstrieren die Bauern allein für ihr eigenes Einkommen, die Klimakleber – so sehr man die Art des Protests kritisieren kann – schlicht für die Einhaltung politisch vereinbarter Ziele des Gemeinwohls. Dennoch liegt die Sympathie der Öffentlichkeit auf der Seite der Bauernproteste – verkehrte Welt! Das Narrativ des „Wir machen euch satt“ und der regionalen Lebensmittelerzeugung überzeugt. Kaum ein Wort zum längst globalen System mit vielfältigen Abhängigkeiten von der Industrie und einem Preisdumping, an dem Bauerverbands-Funktionäre aktiv beteiligt sind. Kaum ein Wort zu Landgrabbing und rapide steigenden Pachtpreisen, die die Landwirtschaftsbetriebe selbst ankurbeln.
Transformation zur Nachhaltigkeit
Der Agrardiesel-Streit ist, wie schon der Wolf, nur ein Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit der Profession. Und genau darüber müsste die Politik mit der Gesellschaft, nicht allein der Landwirtschaft, diskutieren. Wie bekommen wir die legitimen Interessen der Bäuerinnen und Bauern (und nicht nur die der industriellen Großbetriebe) mit den viel komplexeren Anforderungen von Gesellschaft und Politik und dem Leitziel der Nachhaltigkeit unter einen Hut?
Ein Beispiel: Landwirtschaft kann zur Bindung von Treibhausgas beitragen. Für diese Ökosystemleistung, wie wir sie in dieser Ausgabe beschreiben, wird sie aber nicht honoriert. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen, das lange postulierte Konzept muss endlich auf den Tisch. Ein Ministerium für Landmanagement wäre die richtige Antwort auf die Multidimensionalität der Anforderungen im Umgang mit der Ressource Land. Das wäre mittelfristig auch im Interesse der protestierenden Bäuerinnen und Bauern – siehe Hochwasser und Dürre.
Auch das ist Symbolpolitik: Die neue hessische Landesregierung streicht den Klimaschutz aus dem Namen des Umweltministeriums und setzt die Landwirtschaft an erste Stelle. Dafür stehen Randthemen wie Jagd und Weinbau am neuen Türschild. Der eigenen Klientel zu gefallen scheint wichtiger zu sein als die Lösung der Zukunftsaufgaben.
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