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Blick in die Praxis

Herdenschutz für Mutterkühe

Der Wolf ist auf dem Vormarsch. Immer mehr Einzeltiere, Paare und Rudel sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz sesshaft. Das führt zu Konflikten vor allem mit der Weidetierhaltung – vor allem Schafe, aber auch Rinder und Pferde werden immer wieder gerissen. Gibt es eine Lösung? Martin Holm gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Technik in Sachen Herdenschutz.

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Schottische Highland-Rinder hinter wolfssicherem Zaun
Schottische Highland-Rinder hinter wolfssicherem ZaunHighland Stall und Weide GmbH
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Schottische Highland-Rinder hinter wolfssicherem Zaun © Highland Stall und Weide GmbH

August 2022: Ein Wolf tötet ein Rind im Kanton St. Gallen. Es ist nicht der erste Fall, der durch die Presse geht. Doch wie lassen sich solche Wolfsrisse verhindern? Der Einsatz von Herdenschutzhunden, Eseln, Alpakas kann Wirkung zeigen. Für die meisten Rinderzüchter und -halter stellt das aber keine Lösung dar, da alleine der Arbeitsaufwand in der zusätzlichen Betreuung dieser Tiere jeden leistbaren Rahmen sprengt. Da Stallhaltung maximal im Winter erfolgt, bleibt nur das Sichern der Weideflächen. Wie kann ich hier effektiven Schutz erreichen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst die verschiedenen Formen der Einzäunung betrachten. Wir unterscheiden zwischen sogenannten mechanisch wirkenden und psychologisch wirkenden Einzäunungen. 

Zaunarten

Der mechanisch wirkende Zaun ist bei Rindern zum Beispiel der klassische Stacheldrahtzaun und bei Pferden der Holzkoppelzaun. Diese Zäune hindern das Nutztier auf mechanische Art und Weise, eine ihm zugewiesene Fläche zu verlassen. Diese Zäune erfordern durch die mechanische Beanspruchung durch die Tiere eine sehr stabile Konstruktion und dadurch einen sehr großen Materialbedarf. Der Wartungs- und Kontrollaufwand ist sehr hoch. Wie sieht es hier mit der Schutzwirkung gegen das Eindringen des Wolfes aus? Der Holzkoppelzaun bietet hier keinerlei Schutz, der Stacheldrahtzaun kann einen Schutz nur erreichen, wenn sehr viele Reihen Stacheldraht sehr eng beieinander sehr stark gespannt werden. Wenn man in diese Überlegungen noch die Herausforderungen durch Geländeunebenheiten, querende Gräben etc. mit einbezieht, wird schnell klar, dass dies nur eine theoretische Lösung sein kann.

Der psychologisch wirkende Zaun ist der Elektrozaun. Ein kurzer und schmerzhafter, aber ungefährlicher Stromschlag bewirkt bei Tier und Mensch eine Vermeidungsstrategie für die Zukunft. Diese Wirkung sorgt dafür, das mit sehr viel weniger Material ein wirkungsvoller Zaun errichtet werden kann, der weniger Wartung braucht und eine Kontrolle vielfach schon durch automatisierte Technik erbracht wird. Jeder von uns kann sich noch ein seine erste Erfahrung mit „heiß“ erinnern. Bevor wir uns nicht einmal die Finger verbrannt haben, war dieses Wort ohne Bedeutung. So wirkt der Elektrozaun – allerdings ohne Brandblasen zu hinterlassen.

Schematische Darstellung des Elektrozauns © Highland Stall und Weide GmbH

Das Herzstück des Elektrozaunes ist das Weidezaungerät, welches in Abständen von etwas mehr als einer Sekunde Stromimpulse abgibt. Hierfür ist das Weidezaungerät auf der einen Seite mit einer sogenannten Erdung an den Erdboden angeschlossen und auf der anderen Seite an den Zaun. Der Zaun besteht aus leitfähigem Material, das isoliert zum Boden durch Isolatoren an Pfählen angebracht ist. Jetzt liegt Spannung an, die sich bei Berührung durch Mensch oder Tier mit Bodenkontakt entlädt.Der Bodenkontakt ist ein wichtiges, verbindendes Element. Rinder stehen auf etwas isolierenden Klauen, Menschen in der Regel auf Gummisohlen. Der Wolf, genau wie der Hund, ist ein Pfotengänger und somit sehr gut geerdet. Wer einen Hund hat, wird um die Wirkung des Stromschlages auf den Hund wissen – und genauso geht es dem Wolf. Der Elektrozaun bietet den einzigen, wirksamen Schutz gegen das Eindringen des Wolfes!

Beim Elektrozaun ist zwischen temporären und permanenten Zäunen zu unterscheiden: Temporäre Zäune werden mit sehr leichten Pfählen und Leitermaterial erstellt, zum Beispiel Kunststoffpfähle zum Eintreten in den Boden sowie Litzen. Das Augenmerk liegt hier auf den leichten Auf- und Abbau sowie dem Transport. Bei permanenten Zäunen ist das Ziel einen Zaun mit maximaler Hütewirkung für den längst möglichen Zeitraum zu erstellen. Die Materialien sind von besonders langer Haltbarkeit und bester Leitfähigkeit. Durchgesetzt hat sich hier das sogenannte Spanndrahtsystem: Zwischen besonders stabile Eckpfosten wird Stahldraht stark gespannt. Auf diese Weise wird verhältnismäßig wenig Material, aber dieses von besonderer Güte, verwendet. Die Kosten für einen temporären Zaun sind in der Anschaffung geringer, aufgrund der viel längeren Haltbarkeit eines permanenten Zaunes ist dieser pro Nutzungsjahr die mit Abstand wirtschaftlichste Lösung. Richtig aufgebaut, kann ich sowohl mit einem temporären als auch einem permanenten Zaun meine Tiere sicher einzäunen – oder das Eindringen von ungewünschten Tieren verhindern. Temporäre Zäune erfordern aber einen vielfach höheren Kontroll- und Unterhaltungsaufwand. 

Wie sieht der Wolfszaun aus?

Der professionelle Zaun mit fünf Drähten hält den Wolf sicher draußen. © Highland Stall und Weide GmbH

Der Elektrozaun für Mutterkühe hat in der Regel drei Drähte: Bei 40-45cm / 70-80cm und bei 100-110cm Höhe. Damit sind die Tiere effektiv eingezäunt. Gegen das Eindringen des Wolfes braucht es nur zwei zusätzlicher Drähte, um den Zaun insbesondere im unteren Bereich zu schließen. Fünf Drähte in den Höhen 20/40/60/90/120cm halten den Wolf mit größter Sicherheit draußen! 

 

Profis bei der Arbeit zugeschaut

Zunächst muss ein äußerst stabiler Pfosten an allen Ecken, Kurven sowie bei den Öffnungen im Zaun gesetzt werden. Gerammte Pfosten haben die größte Standfestigkeit, daher verwenden Profis eine Pfahlramme zum Eintreiben der in der Regel mindestens 2,50m langen und sehr dicken Eckpfosten. Besonderes Augenmerk wird auf die Auswahl des Materials für einen Eckpfosten gelegt. Mit seiner Standfestigkeit und Haltbarkeit steht und fällt im wahrsten Sinne des Wortes die gesamte Zaunanlage. Pfähle aus Robinienholz haben sich hier als die beste Wahl erwiesen, weil sie als europäische Holzart in der höchsten Holzresistenzklasse eingestuft und ausreichend verfügbar sind. 

Zwischen diese Pfosten wird ein spezieller Stahldraht von 2,5mm Stärke mit einer Zink-Aluminiumlegierung gespannt. Eine Eigenschaft des Stahldrahtes ist es, dass er sich im Vergleich zum weicheren Eisendraht weniger dehnt. Zusammen mit dem Aluminiumanteil in der äußeren Verzinkung ist der Draht so extrem lange haltbar:  Im Binnenland hat er Standzeiten von rund 50 Jahren! Glasfaserverstärkte Zugisolatoren finden an den Eckpfosten Verwendung, um die enormen Zugkräfte des Drahtes aufzunehmen. Diese werden mittels eines speziellen Drahtknotens an den Pfahl angebracht.

Für effizientes Arbeiten rollen die Profis die fünf Drähte mit einem Geländefahrzeug ab. © Highland Stall und Weide GmbH

Mit einem Geländefahrzeug werden nun bis fünf Drähte gleichzeitig abgerollt und zwischen den Pfosten befestigt. Durch Spanner wird jeder Draht mit ca. 100kg angespannt. Die große, eingebaute Edelstahlfeder sorgt für gleichbleibende Spannung des Drahtes bei unterschiedlichen Temperaturen. Dadurch werden zum einen die Eckpfosten entlastet und es kann ein insgesamt größerer Pfahlabstand bei den Streckenpfählen gewählt werden.Entlang der so gespannten Drähte werden jetzt die Streckenpfähle gerammt. Der Pfahlabstand variiert hierbei in Abhängigkeit vom Gelände sowie die Höhe des unteren Drahtes. Bei ebenem Gelände ist bei einem Wolfszaun mit dem untersten Draht bei 20cm ein Pfahlabstand von 7m möglich. Allerdings ist hier Augenmaß notwendig: Damit dem Wolf kein Durchschlupf ermöglicht wird, müssen die Abstände zum Boden sehr genau dem Gelände angepasst werden.

Entlang der gespannten Drähte als Richtschnur werden die Streckenpfähle gerammt und die Isolatoren angeschossen. © Highland Stall und Weide GmbH

 

An den Streckenpfählen werden schließlich die Isolatoren angebracht. Sogenannte Ringisolatoren sind hierbei regelmäßig ungeeignet, weil sie nicht stabil und haltbar genug für den stramm gespannten Draht sind. Als extrem langlebig und robust haben sich sogenannte W-Isolatoren erwiesen, die mittels zweier Holzschrauben oder Nägeln an dem Pfahl befestigt werden. Abschließend werden alle Drähte elektrisch verbunden. Der Profi verwendet hierfür Drahtverbindungsschrauben, die eine sichere, aber lösbare Verbindung, ermöglichen.

Die Weide muss runterherum geschlossen sein. Untergrabe- und Überkletterschutz muss am Tor angebracht sein. © Highland Stall und Weide GmbH

Wirken können alle diese Maßnahmen nur, wenn die Weide wirklich komplett außenherum sicher geschlossen ist. Die Eingänge in die Weiden bilden hier keine Ausnahme. Bei den Weidetoren muss ein Unterschlüpfen und ein Überklettern sicher verhindert werden. Gegen das Unterschlüpfen kann man einen ausreichend geringen Bodenabstand wählen und unter dem geschlossenen Tor einen Untergrabeschutz in Form einer Reihe eingegrabener Gehwegplatten herstellen. Auf dem Bild ist dies elektrisch gelöst, in dem sowohl im unteren als auch im oberen Bereich eine fest am Tor installierte, stromführende Litze das Untergraben bzw. Überklettern verhindert. Ein abschließbares Weidetor sollte im Außenzaun Standard sein, um als Tierhalter seiner sogenannten Hütehaftung zu genügen. In unkritischen Bereichen können auch Durchgänge aus Torgriffen mit daran angebrachtem, stromführendem Draht verwendet werden. Bei dieser Lösung werden einfach Griffe in der dem Außenzaun entsprechender Anzahl sowie Höhen als Durchgang angebracht. Dies ist absolut funktionell, aber für oft benutzte Durchgänge sehr mühsam. Abschließend müssen nun mögliche Eintrittsöffnungen wie Gräben, Rohrdurchlässe, aber auch Stellen mit Übersprungmöglichkeit geschlossen werden.

Bewuchs mindert Stromschlag

Alles, was eine Verbindung zwischen dem „Plus“-geladenen Draht und dem „Minus“- führenden Boden herstellt, reduziert die für einen wirkungsvollen Stromschlag notwendige Energie. Diese sogenannte Ableitung entsteht beispielsweise an defekten Isolatoren, aber vor allem durch Bewuchs, der gegen den Zaun wächst. Dieser Bewuchs besteht aus Büschen und Bäumen, die seitlich in den Zaun wachsen, insbesondere wenn dieser entlang von Knicks und Hecken verläuft. Die größte Ableitung findet aber in der Regel durch das sehr nasse und dadurch leitfähige Gras statt, das von unten in den Zaun wächst. Der untere Draht bei 20cm stellt den Tierhalter hier vor besondere Ansprüche. Gegen den Bewuchs gibt es derzeit drei Möglichkeiten: erstens mechanisch, also mit Freischneider oder Zaunmulcher, zweitens thermisch, mit heißer Luft oder Schaum und drittens elektrisch, über die Auswahl der passenden Weidezaungeräteleistung. Letzteres hat den Vorteil, dass einmaligen Investitionskosten in entsprechend hohe Weidezaungeräteleistung gegenüber geringsten Wartungs- und Pflegeaufwand stehen. Mit der heutigen Technik lassen sich auch sehr große Weidezaunanlagen sicher, bewuchsvernichtend und dauerhaft betreiben. Wo keine Steckdose zur Stromversorgung zur Verfügung steht, werden sogenannte Inselsolaranlagen verwendet. 

Am Zaun immer beachten:

  • Ein Elektrozaun muss ganzjährig unter Strom sein – unabhängig davon, ob Sie Tiere auf der Fläche haben. Ungebetene Gäste wie der Wolf dürfen nur eine, nämlich negative Erfahrung mit Ihrem Zaun machen!
  • Am Zaun muss eine Spannung von mind. 3.000V / 3,0kV an jeder Stelle zu jeder Zeit anliegen
  • Die Erdung des Weidezaungerätes ist extrem wichtig. Ob ihr Erdungssystem ausreichend ist, können Sie mit einem Messgerät feststellen.
  • Ihr Zaun muss rundherum „dicht“ sein. Ein bisschen Wolfsschutz gibt es nicht!

Bezugsquelle

Highland Stall & Weide GmbH

www.hsuw.de

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