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Artenschutzrecht

Wann darf Gehölzbewuchs im Innenbereich beseitigt werden?

Wann darf man in Deutschland Gehölze im besiedelten Bereich beseitigen? Mangels eindeutiger Legaldefinitionen und einer fehlenden herrschenden Rechtsprechung werden in diesem Beitrag verschiedene unbestimmte Rechtsbegriffe des allgemeinen Artenschutzrechts nach § 39 Abs. 5 BNatSchG erläutert und fachlich konkretisiert.

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<strong>Abb. 1: </strong>„Baum ab – nein danke?“ Aus Gründen der Vekehrssicherungspflicht können Bäume auch innerhalb der Vegetationsperiode gefällt werden. In diesem Fall jedoch war die Standsicherheit offensichtlich nicht gefährdet.
Abb. 1: „Baum ab – nein danke?“ Aus Gründen der Vekehrssicherungspflicht können Bäume auch innerhalb der Vegetationsperiode gefällt werden. In diesem Fall jedoch war die Standsicherheit offensichtlich nicht gefährdet. Klaus-Ulrich Battefeld
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„Baum ab, nein danke“ ist nach wie vor ein gängiger Slogan in Deutschland. Weit verbreitet ist ökologischer Anstand gefragt und es gibt gewisse Dinge, die „tut man nicht“. Aber wann darf man Gehölze im besiedelten Bereich beseitigen und wann nicht?

Aussagen des BNatSchG

Für die schwierigen Fälle der Beseitigung von Gehölzen gibt es Antworten. Liegt eine Baumschutzsatzung vor, gibt es in dieser zumindest einige Regelungen, die man nachlesen kann. Handelt es sich um eine Fortpflanzungs- und Ruhestätte im Sinne des § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) unterfällt sie dessen besonderen artenschutzrechtlichen Verboten. Aber was gilt in einem einfachen Fall, wenn z.B. eine 20 Jahre alte Ligusterhecke oder ein 15-jähriger Apfelbaum ohne weitere Nester oder sonstige Brutstätten plötzlich im Weg ist, weil im Juli der Handwerker vor der Tür steht und ein Wintergarten angebaut oder eine Dachgaube aufgesetzt werden soll? Ein Blick ins Gesetz erleichtert hier nur bedingt die Rechtsfindung. § 39 BNatSchG regelt den allgemeinen Artenschutz. § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG sagt lapidar:

„Es ist verboten … Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen.“

Die letzte Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (Dt. Bundesrat 2017) hat hierzu endgültig klargestellt, dass in dieser Zeit auch ein sonstiges „Beseitigen“ verboten sein soll und nicht nur abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen. Darüber hinaus regelt der Gesetzgeber in § 39 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG ausdrücklich einige Ausnahmen, welche einer Privatperson meist nicht weiterhelfen:

„Diese Verbote … gelten nicht für

1. behördlich angeordnete Maßnahmen,

2. Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie

a) behördlich durchgeführt werden,

b) behördlich zugelassen sind oder

c) der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen,

3. nach § 15 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft,

4. zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss.“

Gärtnerisch genutzte Fläche

Die einfachste Lösung ist die Beseitigung von Gehölzen außerhalb der Schutzzeit. Der Baum im Wald und in einer Kurzumtriebsplantage darf aber auch im Sommer beseitigt werden. Aber was ist eine gärtnerisch genutzte Fläche? Das Bundesumweltministerium hat hierzu eine schriftliche Frage im Deutschen Bundestag beantwortet: „Die vom Schnittverbot für Bäume ausgenommenen „gärtnerisch genutzten Grundflächen“ bedürfen der Interpretation. Diese umfassen nach Auffassung der Bundesregierung auch nicht erwerbswirtschaftlich genutzte private Gärten und Kleingartenanlagen. Unabhängig davon ist allerdings zu beachten, dass nach neuer und alter Rechtslage ein Fällverbot für Bäume, die mit genutzten Nestern besetzt sind, besteht. Außerdem können Bäume einem besonderen Schutz, etwa aufgrund einer gemeindlichen Baumschutzsatzung unterliegen.“ (Deutscher Bundestag Drucksache 17/1535).

Die Mehrzahl der Länder sieht ebenfalls Grünanlagen und gestaltete Hausgärten als gärtnerisch genutzt an (Breloer2010). Diese Rechtsauffassung lehnt sich an die Auslegung des Begriffs im Pflanzenschutzrecht an (vgl. hierzu Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein 2012). Was im Einzelfall zutrifft, sollte mit der örtlichen Naturschutzbehörde geklärt werden. Für diese Fälle könnte also die Fällung eines Apfelbaums im gärtnerisch gestalteten Hausgarten im Rahmen des allgemeinen Artenschutzes als zulässig geklärt sein. Nicht hierunter fiele ein einzelner Baum in der freien Landschaft, auch ein Baum, der irgendwo am Straßen- oder Wegrand, mitten auf einer Wiese oder gar mitten in einer asphaltierten Fläche steht, da solche Flächen regelmäßig nicht gärtnerisch genutzt sind. Bei diesen sind lediglich schonende Form-, Pflege- oder Rückschnitte des aktuellen Zuwachses zulässig.

Ebenfalls nicht unter die Privilegien für Wald, Kurzumtriebsplantage oder gärtnerisch genutzte Fläche fällt das Abschneiden, Beseitigen oder Auf-den-Stock-Setzen von Hecken oder Gebüschen. Bei diesen darf ebenfalls nur der aktuelle Zuwachs zurück- oder geschädigtes Material herausgeschnitten werden, was man gerne unter dem „Heckenschnitt“ subsumiert.

Behördliche Anordnung

Die Beseitigung dieser nicht privilegierten Bäume und Büsche wäre möglich, wenn dies eine Behörde angeordnet hätte. Dies wird in den wenigsten Fällen zutreffen, da hier regelmäßig wegen Betroffenheit der Naturschutzbelange eine Abstimmung mit der Naturschutzbehörde notwendig wäre (§ 3 BNatSchG) und diese meist einer solchen Anordnung nicht zustimmen würde, wenn es nicht ganz triftige Gründe gäbe. Fallkonstellationen mit einer entsprechenden Triftigkeit könnten z.B. aus einer übergeordneten Gefahrenabwehr abgeleitet werden. Dasselbe gilt für zugelassene Eingriffe. Die Schonung der Brut- und Setzzeiten ist regelmäßig eine erforderliche und angemessene Maßnahme zur Minimierung von Eingriffswirkungen.

Bleiben behördlich zugelassene oder behördlich durchgeführte Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit, wenn sie im öffentlichen Interesse nicht außerhalb der Vegetationsperiode durchgeführt werden können. Ein privates Interesse reicht hier also nicht aus. In der Regel können auch Maßnahmen an Gehölzen, die dem Vegetationsmanagement entlang von Infrastruktureinrichtungen wie Straßen oder Bahnlinien dienen, außerhalb der Vegetationsperiode durchgeführt werden. Bleiben also Verkehrssicherungsmaßnahmen, die so dringlich sind, dass sie nicht warten können. Das könnte der Baum sein, der durch einen Sturm angeschoben wurde und jetzt über die Straße oder ein Haus hängt.

Geringfügiger Gehölzbewuchs

Was bleibt aber als Lösung für den Fall übrig, dass die 20 Jahre alte Ligusterhecke einem privaten Interesse im Weg ist, das nicht gesetzlich privilegiert ist? Hier bleibt die letzte Alternative der Legalausnahmen in § 39 Abs: 5 Satz 2 BNatSchG: zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahmen beseitigt werden muss.

Was ist aber ein nur geringfügiger Gehölzbewuchs? Gibt es hierfür einen groben Richtwert oder liegt dies im Ermessen der Behörde? Ein „Ermessen“ im verwaltungsrechtlichen Sinne liegt nicht vor, da nach dem Wortlaut das Verbot „nicht gilt“, wenn die Ausnahmevoraussetzungen gegeben sind.

„Geringfügiger Gehölzbewuchs“ ist ein unbestimmter und im Einzelfall ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff. Weder die Materialien noch die Verwaltungspraxis oder die Rechtsprechung haben hierzu einheitliche Maßstäbe entwickelt. Die von der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz LANA ( www.la-na.de ) entwickelten Vollzugshinweise zum Artenschutzrecht (LANA 2009) verweisen lediglich auf die Gesetzesbegründung (Dt. Bundestag, Drucksache 16/12274). Im Zweifel muss deshalb die Feststellung des Vorliegens von „mehr als geringfügigem Gehölzbewuchs“ ggf. durch die Behörde als belastender Teil eines Verwaltungsaktes begründet werden. Existiert kein einheitlicher und gefestigter Bewertungsrahmen, steht hierbei der Behörde ein fachbehördlicher Beurteilungsspielraum zu. Die Bewertung der Behörde muss dabei begründet und naturschutzfachlich vertretbar sein.

Mögliche prüfbare Kriterien sind z.B.:

1. Der zur Beseitigung anstehende Gehölzbewuchs kann dann funktional nicht geringfügig sein, wenn er wichtige ökologische Funktionen zu erfüllen hat (z.B. als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte für besonders geschützte Arten).

2. Der zur Beseitigung anstehende Gehölzbewuchs kann ggf. dann nicht geringfügig sein, wenn er eine prägende Wirkung für die Umgebung entfaltet (Orts- bzw. landschaftsprägend).

3. Sehr große und sehr alte Bäume sowie großflächige Gehölze sind regelmäßig nicht geringfügig. Die Entnahme des 15-jährigen Apfelbaumes hätte hieran scheitern können.

4. Die Beseitigung einzelner sehr kleiner Gehölze (Büsche, Baumpflanzen) ist dagegen regelmäßig geringfügig.

Müssen, um bei dem Beispiel zu bleiben, für das Aufsetzen der Dachgaube oder die Errichtung des Wintergartens nur einzelne Ligusterbüsche herausgenommen werden, wird dies als geringfügig anzusehen sein. Hierbei ist es sinnvoll, sich über die lokalen Konkretisierungen durch die Verwaltung zu informieren.

Befreiungsvoraussetzungen

Soll dennoch ein mehr als geringfügiger Gehölzbewuchs außerhalb der Voraussetzungen des § 39 BNatSchG beseitigt werden, müssten die Befreiungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 und 3 BNatSchG vorliegen. Die Befreiung ist allerdings eine Ermessensentscheidung der Verwaltung („kann“). Danach „kann“ von den Geboten und Verboten des § 39 BNatSchG auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder

2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.

Zur Notwendigkeit reicht es nicht aus, dass die Maßnahme geeignet oder sinnvoll ist, vielmehr ist ein besonderes Erfordernis wie z.B. eine zeitliche Dringlichkeit nachzuweisen. Dieses Erfordernis muss zudem die betroffenen Belange des Naturschutzes überwiegen. Bei planbaren, vorhersehbaren größeren Baumaßnahmen kann die Vegetationsbeseitigung regelmäßig unter Beachtung des § 39 BNatSchG erfolgen.

Als gegenüber der Beseitigung milderes Mittel kann auch eine vorübergehende Entnahme und anschließende Wiedereinbringung von Gehölzen erfolgen, soweit der damit verbundene Aufwand angemessen und ggf. zumutbar ist.

Was unzumutbar ist, muss anders als die Verhältnismäßigkeit insbesondere anhand der individuellen Belastung gemessen werden. Ist z.B. im Sommer die Reparatur eines aktuellen Schadens an einer unterirdisch verlegten Wasser-, Abwasser-, Gas-, Öl-, Telekommunikations-, Daten- oder Elektroleitung erforderlich, wäre es i.d.R. sowohl für die Betreiber als auch die Betroffenen unzumutbar, die damit verbundenen Erdarbeiten in den Winter zu verschieben. Unzumutbar können ferner unvorhersehbare erhebliche finanzielle Belastungen Privater sein, die sich aus der Verschiebung oder Untersagung einer entsprechenden unvorhergesehen erforderlichen Gehölzbeseitigung ergäben. Ist z.B. ein Gebäude durch ein unvorhergesehenes Ereignis geschädigt, wird eine Sofortmaßnahme erforderlich werden. Dagegen ist es bei planbaren Maßnahmen regelmäßig zumutbar, sie auf einen Zeitpunkt in der Vegetationsperiode zu verschieben.

Die Befreiung kann nach § 67 Abs. 3 BNatSchG mit Nebenbestimmungen versehen werden. § 15 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 sowie § 17 Abs. 5 und 7 BNatSchG finden dabei auch dann Anwendung, wenn kein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 BNatSchG vorliegt. Auch die Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen erfolgt nach den Bedingungen des Einzelfalls. In jedem Fall bleiben die Verbote des § 44 BNatSchG von den Regelungen des § 39 BNatSchG unberührt.

Nachrichtlich sei auf die wenigen hierzu im Internet zu § 39 BNatSchG verfügbaren Unterlagen verwiesen; es gibt sogar eine Gerichtsentscheidung (OVG Berlin-Brandenburg 2013), die angesichts des Sachverhalts allerdings nicht sehr überrascht.

Literatur

Baulinks (2010): Baumfällungen und Rodungen in Hausgärten ganzjährig erlaubt. www.baulinks.de/webplugin/2010/0671.php4 (zuletzt aufgerufen am 12.08.2017.#

Breloer, H. (2010): Baum- und Gehölzpflege nach dem neuen Bundesnaturschutzgesetz. AFZ Der Wald 8/2010, 17 ( www.baeumeundrecht.de/pdf/bndschutz.pdf ).

Dt. Bundesrat (2017): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Drucksache 168/17. . Protokoll der 959. Sitzung vom 7.7.2017 dipbt.bundestag.de/dip21/brp/959.pdf#P.345; verkündet als: Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 15. September 2017, BGBl I Nr. 64 vom 28. September 2017 S. 3434

Dt. Bundestag (2009): Drucksache 16/12274: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 17.03.2009. dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/122/1612274.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.10.2017).

– (2010): Drucksache 17/1535: Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 106 der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 67. dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701535.pdf.

LANA (2009): Vollzugshinweise zum Artenschutzrecht. (zuletzt aufgerufen am 12.08.2017).

Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (2012): Auf welchen Flächen dürfen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden? www.lksh.de/fileadmin/dokumente/Genehmigungen-Kontrollen/Infoblatt_PSM.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.08.2017).

OVG Berlin-Brandenburg (2013): Beschluss vom 19. Juli 2013 – 11 S 26.13. www.dasgruen.de/tl_files/Urteile/OLG-Urteile/Nat.%20OVG%20Berlin%202013.07.19%20Faellung%20in%20Veg.Periode.pdf.

Kontakt

Klaus-Ulrich Battefeld , Referatsleiter für Artenschutz, Naturschutz bei Planungen Dritter, Landschaftsplanung, Naturschutzrecht beim Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Wiesbaden

Klaus-Ulrich.Battefeld@umwelt.hessen.de

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