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Diskussion

Gefährdet die Douglasie die Biodiversität wirklich nicht?

„Die Douglasie gefährdet nach aktuellem Wissensstand auf den meisten Standorten die Biodiversität nicht“ – mit dieser Bildunterschrift wird das gemeinsame Papier von Forstwissenschaft und Naturschutz in der Mitteilung „Empfehlungen für den Anbau eingeführter Waldbaumarten“ auf den Punkt gebracht (Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (5), 2016, 170-171). Ein Diskussionsbeitrag aus einer Unteren Naturschutzbehörde.

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Fragen zu den Folgen forstlichen Handelns

Von Uwe Krüger

Da zu Beginn des Textes die mögliche Invasivität dieser nordamerikanischen Baum­art im Mittelpunkt steht, könnte diese Bewertung unwidersprochen bleiben – tatsächlich erscheint die Frage berechtigt, ob sich die Douglasie auf forstlichen „Normalstandorten“ im Konkurrenzgefüge einheimischer Baumarten ungeplant so stark ausbreiten kann, dass von einer Invasivität im engeren naturschutzfachlichen Sinne zu sprechen wäre.

Geplantes Handeln als Problem?

„Invasiv“ ist die Douglasie aber im Ergebnis eines geplanten forstwirtschaftlichen Handelns. Die Entwicklung begann im 19. Jahrhundert und damit in Zeiten, in denen sich der Begriff vom Naturschutz gerade herausbildete – und sie verlief im folgenden Jahrhundert so langsam, dass sie auch mit der Herausbildung des behördlichen Naturschutzes und der Umweltwissenschaften kein rechtes Thema wurde.

Spätestens mit den Windwürfen seit Ende des letzten Jahrtausends und mit dem immer klarere Konturen annehmenden Klimawandel (Windwürfe, Borkenkäfer) ist dieser Prozess aber durch eine außerordentliche Dynamik geprägt: In der letzten Dekade ist die Douglasie in mittel- und nordhessischen Waldgebieten sicherlich die am häufigsten gepflanzte Baumart geworden. In Pflanzhüllen oder in gegatterten Kulturflächen mit unerwünschter Begleitvegetation versteckt, fällt diese Tendenz auch einer Fachöffentlichkeit kaum auf – dies umso mehr, als auch die stattlichen Exemplare höheren Alters anderen bekannten Nadelbäumen stark ähneln.

Viele Fragen offen

Als im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf vor einigen Jahren in einem Natura-2000-Gebiet mehrere zehntausend Douglasien-Jungpflanzen zum Einsatz kommen sollten, führte dieses zu kritischen Fragen des Verbandsnaturschutzes und im Ergebnis zu einem Termin, bei dem Vertreter von behördlichem und ehrenamtlichen Naturschutz sowie von Hessen-Forst Aspekte des Douglasien-Anbaus in fachlicher Atmosphäre erörtern konnten. Dabei kamen z.B. folgende Fragen auf:

1. Wie unterscheiden sich Douglasienbestände unter dem Aspekt der Baum-/Bruthöhlendichte von ähnlich strukturierten Fichtenbeständen?

2. Sind (ältere) Aussagen, nach denen Douglasien nur sehr eingeschränkt durch Lachniden besiedelt werden, nach wie vor richtig? Falls ja: Führen nicht die fehlenden zuckerhaltigen Ausscheidungen der Baum-/Rindenläuse zu einer Abnahme davon abhängiger Insekten und in der Folge zu ungünstigeren Nahrungsbedingungen für Fledermäuse und Singvögel?

3. Wie steht es um tierische Xylobionten und um sich daran anschließende Nahrungsketten? Wie sieht es aus mit an Douglasien lebenden Pilzen (Mykorrhiza!) und Bakterien? Welche langfristigen Folgen ergeben sich aus möglicherweise eingeschränkten Wechselbeziehungen für das Bodenleben?

Diese Fragen mussten weitgehend offenbleiben – was nicht überraschte, da keine Douglasien-Experten anwesend waren. Eine große Überraschung stellte sich allerdings ein, als anschließend versucht wurde, „auf die Schnelle“ ungefähre Antworten auf diese doch sehr naheliegenden Fragen zu finden. Magere bis fehlende Suchmaschinen-Ergebnisse offenbarten, dass die beispielhaft aufgeführten Fragen ungeachtet ihrer Aktualität kaum gestellt werden und (neuere) wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema recht dünn gesät zu sein scheinen. Eine sehr lohnende Ausbeute der seinerzeitigen Bemühungen waren Aufsätze von Bürger-Arndt (2000) und Winter (2001) – wobei auch Bürger-Arndt als ein Ergebnis ihrer mittlerweile bereits etwas älteren intensiven Recherche „die verblüffend geringe Zahl von synökologischen Untersuchungen zum Dougla­sienanbau“ erwähnt.

Seitdem ist eine Sorge nicht zu unterdrücken: In unserem Land und in Nachbarstaaten (dort eventuell sogar angetrieben durch Deutschland als forstlichem „Trendsetter-Land“) könnten sich in Teilen unserer Wälder Entwicklungen vollziehen, deren ökologische Folgen noch nicht hinreichend geklärt sind.

Als der Artikel ins Auge fiel, keimten Hoffnungen auf, dass sich in ihm knappe Hinweise auf laufende oder bereits vorliegende neue Forschungsarbeiten finden lassen (im Optimalfall mit gut aufbereiteten und zugänglichen Ergebnissen), die die geäußerte Sorge zerstreuen könnten. Diese Hoffnung wurde aber nicht erfüllt, wobei die im Papier erwähnte neuere Arbeit von Vor et al. (2015; insbesondere S. 187ff.) sicherlich noch eine genauere Durchsicht verdient hat.

30 % Douglasie in FFH-Gebiet ­unschädlich?

Im Punkt 3 des Papiers wird auf „geltende Regelungen“ zum Douglasienanbau in nationalen und europäischen Schutzgebieten hingewiesen – vielleicht ohne im Details zu überblicken, was diese Regelungen gelegentlich zum Inhalt haben? So vertritt das Land Hessen die Auffassung, dass in FFH-Gebieten durch die Einbringung eines bis zu 30- % igen Anteils nicht standortheimischer Baumarten – inklusive Douglasie (!) – auf bisher ausschließlich mit Laubbäumen bestockten Wald-Lebensraumtypen keine Verschlechterung von Erhaltungszuständen erfolgt!

Nachdenklich machte auch der Punkt 4 des Papiers: Wenn schon auf die Douglasie gesetzt wird, ist es sicherlich im Sinne des Naturschutzes, einen Anbau der Douglasie in Mischung mit einheimischen Arten zu empfehlen. In der Praxis erfolgt der Anbau aber sehr oft in Reinkultur! Und wenn Douglasien in Naturverjüngungen anderer Baumarten gepflanzt werden, bleibt abzuwarten, was von diesen anderen Arten angesichts der Vorwüchsigkeit der Douglasie auf vielen Standorten nach einigen Jahrzehnten übrigbleibt.

Besonders bedrückend an der Praxis (!) des Douglasienanbaus sind Flächen (auch in landeseigenen Wäldern), wo bei den letzten Orkanen Fichtenreinbestände geworfen wurden und jetzt ausschließlich Douglasien stehen. Hier dient die Douglasie offensichtlich als (letzter?) Rettungsanker augenscheinlich gescheiterter forstlicher Betriebsformen.

BfN als Kronzeuge

Nach dem Lesen des Papiers kam die Sorge auf, ob notwendige Diskussionen über die Folgen eines sich ausweitenden Douglasienanbaus zukünftig nicht mit dem Hinweis beendet werden könnten, dass das Bundesamt für Naturschutz (BfN; immerhin zu Recht eine Autorität) dieser Entwicklung doch bereits den Segen des Naturschutzes gegeben habe? Zwar werden im Papier „weiter bestehende Auffassungsunterschiede zur Frage der Invasivität und des von der Douglasie ausgehenden Gefährdungspotenzials der einheimischen Flora und Fauna“ erwähnt. Doch diese bleiben unbestimmt – der Punkt 1 des Papiers formuliert dagegen recht prägnant: „DVFFA und BfN stimmen darin überein, dass auf der weit überwiegenden Anzahl von Waldstandorten in Deutschland der derzeitige Douglasienanbau nach aktuellem Kenntnisstand auf der nationalen Ebene keine erhebliche Gefährdung der Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemleistungen darstellt.“

Aber vielleicht legen die Kolleginnen und Kollegen aus dem BfN ja noch einmal nach? Einschätzungen dazu, ob aus ihrer Sicht tatsächlich schon alle relevanten ökologischen Fragen geklärt sind, und Hinweise darauf, wo noch genauer hingeschaut werden müsste, wären sicherlich im Sinne einer verantwortungsvollen Nutzung der Douglasie. Vielleicht lassen sich dadurch sogar (nicht nur forstliche) Lehrstühle motivieren, mögliche weiße Flecken in der wissenschaftlichen Douglasienlandschaft ein wenig zu verkleinern?

Literatur

Bürger-Arndt, R. (2000): Kenntnisse zur Synökologie der Douglasie als Grundlage für eine naturschutzfachliche Einschätzung. Forst und Holz 55 (22), 707-712.

Vor, T, Spellmann, H., Bolte, A., Ammer, C. (Hrsg., 2015): Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten. Göttinger Forstwissenschaften 7. https://www.univerlag.uni-goettingen.de/bitstream/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2/GoeForst7_baumarten.pdf?sequence=4.

Winter, K. (2001): Zur Arthropodenfauna in niedersächsischen Douglasienforsten. I: Reinbestände in der Ostheide und im Solling. Forst und Holz 56 (12), 355-362.

Kontakt

Uwe Krüger, Mitarbeiter in der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Marburg

> uwemarburg@yahoo.de

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